Hermann-Josef TebrokeCDU/CSU - Mobilitätsgeld statt Pendlerpauschale
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine gesetzliche Regelung ist so gut, dass sie nicht laufend überwacht, gegebenenfalls angepasst, vielleicht aber auch komplett gestrichen werden müsste. Das gilt auch für die Entfernungspauschale. Insofern, lieber Herr Görke, liebe Fraktion Die Linke, begrüßen natürlich auch wir Ihren Vorstoß, die Entfernungspauschale noch einmal zur Diskussion zu stellen.
Sie beklagen, dass Pendler in unterschiedlichem Ausmaß von der Entfernungspauschale profitieren, und Sie sagen, es sei nicht korrekt, wenn sie nicht gleich entlastet würden. Deswegen Ihr Vorschlag, ein Mobilitätsgeld anstelle der Mobilitätsprämie und eben der Entfernungspauschale einzuführen. Und Sie sagen, dass dieses Geld als Steuergutschrift verrechnet und gegebenenfalls darüberhinausgehende Beträge direkt an den Steuerpflichtigen ausgezahlt werden sollen. Sie verweisen auch darauf, dass es alternativ möglich sein sollte, die Kosten für die Nutzung des Umweltverbundes, so schreiben Sie, „steuerlich weiterhin geltend“ zu machen. Das schlagen Sie vor.
Mit Verlaub, meine Damen und Herren, lieber Herr Görke: Ich war schon ein bisschen darüber verwundert, dass der Antrag nun ein wenig dünn ausgefallen ist. Jedenfalls sind einige Fragen offengeblieben, die ich ganz gerne kurz ansprechen möchte. Ich glaube, ich brauche an dieser Stelle nicht darauf einzugehen, was die Entfernungspauschale im Steuerrecht bedeutet: dass es sich nicht um eine Transferleistung handelt, sondern es darum geht, dass man den Aufwand des Weges zum Arbeitsort irgendwie bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigen möchte.
(Beatrix von Storch [AfD]: Warum ist der Habeck nicht da? – Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)
Schwierig zu ermitteln, wie hoch die Kosten sind. Schwierig zu unterscheiden, ob diese Wegekosten überhaupt beruflich veranlasst sind oder doch eher privat, Stichwort „Werkstorprinzip“.
Am Ende haben wir mit der Entfernungspauschale quasi einen Kompromiss gefunden, unabhängig vom Verkehrsmittel, unabhängig vom Tarifgebiet, unabhängig von der Größe des Autos, unabhängig von der Anzahl der Angehörigen, die vielleicht auf dem Weg zur Arbeit noch betreut werden oder irgendwo hingebracht werden müssen.
Sie sagen, es sei nicht gerecht, wenn am Ende vielleicht 1 000 Euro angesetzt werden können und der eine dafür 140 Euro Steuerentlastung erfahre und der andere 45 Euro. Damit sagen Sie ja eigentlich, dass es gerecht ist, dass jemand, der ein höheres Einkommen hat, einen höheren Steuerbetrag entrichten muss als jemand, der ein geringeres Einkommen hat. Wenn er aber höhere steuerliche Aufwendungen hat, dann sollen sie weniger oder anders angerechnet werden. Das halten wir nicht für gerecht.
Gerecht wäre es eigentlich, wenn Sie im System blieben, sich die Entfernungspauschale noch mal anschauten und sie vielleicht auf ein höheres Niveau hieven und vom ersten Kilometer einheitlich auf zum Beispiel 40 Cent setzen würden. Das wäre innerhalb des Systems gerecht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zum Zweiten. Sie wollen stattdessen einen pauschalen Zuschuss gewähren, weil Sie eben möchten, dass alle gleich profitieren. Ich frage: Warum nicht in Abhängigkeit von der Fahrzeit? Warum nicht pauschal pro Tag? Und können Sie sagen, warum ausgerechnet 14 Cent? Angesichts der Preissteigerungen in den letzten Jahren könnten Sie auch 15, 20 oder 30 Cent fordern.
Eine dritte Frage. Sie wollen einen Zuschuss für alle. Es soll darum gehen, so haben Sie geschrieben, gerade schwächere Haushalte zu entlasten. Dann frage ich, warum es den Zuschuss auch für solche mit höherem Einkommen geben soll? Warum in Abhängigkeit von der Entfernung vom Arbeitsplatz? Warum nicht in Abhängigkeit vom Einkommen? Dann würden Sie doch zielgerechter agieren. Und haben Sie überlegt, wer das bezahlen soll? Wenn man das hochrechnet, ergäbe das eine hohe Belastung für alle Steuerzahler. Ist das denn gerecht? Ist das fair?
Viertens. Sie wollen mehr Umweltschutz, aber fordern, dass der Zuschuss umso höher ausfällt, je länger der Weg zur Arbeit ist. Der Kollege sagte schon: Das Umweltbundesamt und viele andere haben wiederholt darauf hingewiesen, dass hier möglicherweise ein Anreiz gesetzt wird, der klimaschädlich wirkt, und dass viele Pendlerinnen und Pendler sich aufgrund der Pendlerpauschale und erst recht aufgrund eines solchen Zuschlags von Ihnen viel reicher rechnen und glauben, dass die tatsächlichen Fahrtkosten damit gedeckt würden.
Und fünftens. Sie wollen mehr Umweltschutz durch weniger Individualverkehr. Aber sagen Sie: Warum wollen Sie weiterhin einen Anreiz setzen, den ÖPNV zu nutzen, indem Sie eine Geltendmachung vorschlagen? Das würde doch wiederum bedeuten, dass diejenigen mit einem höheren Einkommen mehr davon profitieren würden als diejenigen mit einem niedrigeren Einkommen.
(Christian Görke [DIE LINKE]: Eben nicht!)
Also, Sie akzeptieren da gar nicht die Kritik, die Sie ja eingangs vorgetragen haben. Und was würde das eigentlich nutzen, wenn ein Deutschlandticket vielleicht 50 Euro im Monat kostet, Sie zwölf Monate lang 50 Euro zahlen, 600 Euro in der Summe? Vergleichen Sie das mit dem Arbeitnehmerpauschbetrag! Also auch hier vielleicht nur heiße Luft.
Mein Fazit: Zu viele Fragen, zu viele Widersprüche in diesem Antrag. Ich glaube, Sie wissen nicht, was Sie wollen, liebe Linke. Vielleicht wollen Sie auch nicht wissen, was Sie wollen, und vielleicht wollen Sie den Eindruck erwecken, als würden Sie sich für eine Gruppe von Arbeitnehmern einsetzen, was Sie in der Substanz gar nicht tun.
Warum schlagen Sie nicht gleich vor, die Entfernungspauschale komplett abzuschaffen? Sie würden dem Fiskus etwa 5 Milliarden, vielleicht 6 Milliarden Euro Mehreinnahmen bescheren und die Ausgaben vermeiden, die durch Ihr Modell anfallen. Sie könnten dann den Steuertarif anpassen.
Wir sind sehr gerne bereit, mit Ihnen, Herr Görke, und den Linken darüber zu diskutieren, wie wir Haushalte mit niedrigem Einkommen unterstützen. Wir würden auch gerne mit Ihnen über die Entfernungspauschale diskutieren. Aber auf der Grundlage dieses Antrags fällt uns das sehr schwer. Gleichwohl: Konstruktiv soll der Austausch sein. Darauf freue ich mich.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Sascha Müller.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552977 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Mobilitätsgeld statt Pendlerpauschale |