Jürgen HardtCDU/CSU - Bundeswehreinsatz Evakuierung aus Sudan
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit großer Erleichterung nehmen wir alle die Meldungen zur Kenntnis, die uns in den letzten Stunden erreichten: dass diese Evakuierungsaktion der Bundeswehr offensichtlich erfolgreich verlaufen ist, ohne Verluste, ohne große materielle Schäden, reibungslos. Und ich möchte all denjenigen, die daran beteiligt sind, sowohl in der Politik als natürlich auch in der Bundeswehr, in der Bundespolizei, im diplomatischen Dienst und bei den Entwicklungshilfegesellschaften, herzlich dafür danken, dass das so gut geklappt hat. Das verdient unser aller Anerkennung.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir als CDU/CSU-Fraktion werden heute diesem nachträglichen Mandat zustimmen, weil es natürlich richtig war, das so zu machen, und weil es natürlich auch nur vernünftig und solidarisch gegenüber den Akteuren und den Betroffenen ist, dass wir im Nachhinein diesen Einsatz legitimieren.
Das darf uns allerdings nicht daran hindern, vielleicht auch in den nächsten Wochen, den einen oder anderen kritischen Blick auf einige wichtige Aspekte zu werfen. Ich habe den Mandatstext gestern Mittag bekommen. Ich habe ihn durchgelesen und habe mir dabei gedacht: Dieses Mandat, so wie es abgefasst ist – hohe Personalobergrenze, hoher Zeitrahmen; als einziges Land wird Sudan genannt; es wird kein anderes Land genannt, von wo aus man operiert; es werden im Grunde alle Möglichkeiten offengehalten, Landweg, Luftweg usf. –, hätte die Bundesregierung eigentlich auch am Freitag letzter Woche um 13 Uhr im Bundestag vorlegen können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Jetzt aber nicht kleinkariert werden!)
Dann hätten wir die Geschichte eben nicht im Rahmen des § 5 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes abgewickelt, sondern – ich will nicht sagen, dass das jetzt nicht ordnungsgemäß war –
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee! Ich wollte es nur einmal gesagt haben!)
in einer besseren Art und Weise abwickeln können. Ich will das hier jetzt auch nicht nur kritisch sehen. Ich kann mir vorstellen, dass es in der Situation, in der die Regierung gewesen ist, vielleicht auch schwierig war, das abzuwägen. Aber ich bin der Meinung, dass wir uns anhand dieses Beispiels „Evakuierung aus dem Sudan“ die Funktionsfähigkeit des Parlamentsbeteiligungsgesetzes und die praktische Umsetzung der Mechanismen noch mal gemeinsam angucken. Ich habe den Eindruck, dass die Obleute der anderen Fraktionen auch die Notwendigkeit sehen, genau auf das Grundprinzip hinzuschauen, wie wir mit solchen Dingen umgehen.
Was auch nicht nur mich, sondern auch andere Obleute beschwert hat, war die Informationspolitik. Wir sind als Obleute in der Tat fünfmal unterrichtet worden. Die Unterrichtungen waren im Großen und Ganzen auch ziemlich sachkundig und präzise. Aber die zeitlichen Lecks zwischen dem, was wir im Internet lesen konnten, und dem, was uns Stunden später in der vertraulichen Obleuteunterrichtung bestätigt wurde, waren schon erheblich. Es gibt offensichtlich in den Ministerien für Verteidigung und Außenpolitik, vielleicht auch im Kanzleramt, Personen, die meinen, sie müssten in irgendeiner Weise die Medien so bespielen, dass diese Vorgänge nach außen dringen. Das ist in dem einen oder anderen Fall nur ärgerlich; aber es kann auch ausgesprochen gefährlich sein.
Erinnern wir uns daran, was das große Problem des Evakuierungseinsatzes in Kabul war: Das war doch die Tatsache, dass unheimlich viele Afghaninnen und Afghanen zum Flughafen gekommen sind und versucht haben, die Maschinen zu entern, weil sie darin die einzige Chance sahen, aus diesem im Bürgerkrieg versinkenden Land zu entwischen. Das hat uns in erhebliche Schwierigkeiten versetzt, auch unschöne Bilder gebracht, was die Evakuierung von Menschen aus dem Land anging. Deswegen wäre zum Beispiel die Geheimhaltung des Ortes, von wo abgeflogen wird, durchaus ein Mittel gewesen, um zu verhindern, dass so etwas auch im Sudan passiert. Es ist Gott sei Dank nicht geschehen; aber ausgeschlossen werden konnte es ja nicht. Es macht eben einen Unterschied, ob man einen Brief an die Landsleute in deutscher Sprache morgens verschickt, worin die Leute aufgefordert werden, zum Flughafen zu kommen, oder ob man so etwas in internationalen Medien liest.
Eine weitere Frage, die mich sehr stark beschäftigt – darüber haben wir übrigens auch schon vorher diskutiert –, ist, wie es eigentlich passieren kann, dass wir immer wieder von solchen Entwicklungen total überrascht werden. Es gab bezüglich Sudan doch eine nicht nur bei Deutschen, sondern auch bei anderen internationalen Partnern große Überraschung darüber, dass es zu diesem Machtkampf gekommen ist. Es hat mit Sicherheit irgendwelche Anzeichen gegeben; die haben wir nur mit unserer Sensorik nicht wahrgenommen. Das Gleiche war im Übrigen vor drei Jahren in Mali der Fall, wo plötzlich dieser Putsch stattfand und alle total überrascht darüber waren, dass jetzt nicht mal mehr die Regierung unser Ansprechpartner war, sondern diese vier Obristen. Wir müssen darüber nachdenken, wie im Rahmen unserer Nationalen Sicherheitsstrategie, die wir hoffentlich bald vorgelegt bekommen, auch die Frage der Sensorik angegangen wird, also wie wir mitkriegen, wenn in diesen Ländern Dinge passieren, die sich disruptiv auf unsere Arbeit auswirken.
Genauso gehört meines Erachtens dazu, dass wir sicherstellen, dass Geheimhaltung auch Geheimhaltung ist und dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages angemessen informiert werden, so wie es in § 5 Absatz 2 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes steht: „Der Bundestag ist vor Beginn und während des Einsatzes in geeigneter Weise zu unterrichten.“ Ich möchte einfach anregen, dass wir gemeinsam die Frage stellen, ob das nicht in der Zukunft noch besser geht, als das bisher der Fall gewesen ist.
In diesem Sinne bin ich erleichtert, dass der Einsatz so abgelaufen ist. Ich hoffe, dass die letzten Tage dieses Einsatzes auch noch gut über die Bühne gehen und dass wir alle Soldatinnen und Soldaten und Zivilkräfte wohlbehalten am Freitag um 16 Uhr in Deutschland zurückerwarten können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Vielen Dank, Herr Kollege Hardt. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Herrn Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553038 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 99 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz Evakuierung aus Sudan |