27.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 100 / Tagesordnungspunkt 6

Rasha NasrSPD - Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Throm, wenn der Union unser Sozialstaat so am Herzen liegt, dann kann sie gerne Vorschläge gegen Steuer- und Wirtschaftskriminalität vorlegen, anstatt gegen Migration zu hetzen.

(Zuruf des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU])

Und an die Adresse der AfD: Der Mann auf der Straße will nicht aus Ideologie unsere Wirtschaft gefährden, sondern dass alles funktioniert.

(Zurufe von der AfD)

Herr Frömming, vielleicht reden Sie auch mit anderen Menschen als mit dem Mann im Spiegel.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Heiterkeit des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Schon der Titel des heutigen Gesetzentwurfs verrät uns einen wichtigen Aspekt: Wir entwickeln heute etwas Bestehendes weiter. Wir entwickeln zum einen das Fachkräfteeinwanderungsgesetz weiter, das 2019 von uns und der Union eingeführt wurde, aber bislang leider nicht die Wirkung entfalten konnte, die unsere Wirtschaft braucht. Ich bin der festen Überzeugung, dass es diese Ampelkoalition gebraucht hat, in der eben nicht mit ideologischen Scheuklappen gegen notwendige Arbeitsmigration gehetzt wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum anderen entwickeln wir heute auch etwas weiter, was immer schon Teil deutscher Geschichte war, auch wenn es manche nicht hören wollen: Arbeitsmigration. Sie ist Teil unserer DNA, ohne sie gäbe es Deutschland so gar nicht. Suchen Sie sich eine Epoche in unserer Geschichte aus, und Sie werden fündig: ob Hugenotten, die als Arbeitskräfte nach Preußen kamen, ob Ruhrpolen, die aus dem dünnbesiedelten Ruhrgebiet das Herz der Industrialisierung machten,

(Zurufe von der AfD)

ob sogenannte Gastarbeiter/-innen in der BRD oder Vertragsarbeiter/-innen in der DDR, die unseren Wohlstand mit aufgebaut haben. Arbeitsmigration hat uns reicher gemacht: kulturell, volkswirtschaftlich und auch auf persönlicher Ebene.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das war doch keine Arbeitsmigration! Meine Güte! So was Geschichtsvergessenes!)

Aber – so ehrlich sollten wir uns auch machen –: Wir müssen aus den Erfahrungen mit vorangegangenen migrantischen Generationen lernen. Wir dürfen nicht erneut den Fehler machen, zu glauben, dass Menschen, die herkommen und bei uns leben, schon bald alle wieder weg sein werden. Unsere Geschichte lehrt uns, dass Menschen eben nicht nur kommen, um unseren Wohlstand zu erwirtschaften – das dürfte der einzelnen Person herzlich egal sein –,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Genau!)

sondern sie kommen her, um ein Leben aufzubauen, eine Familie zu gründen und wichtige Säulen ihrer Nachbarschaft, ihrer Stadt und unserer Gesellschaft zu werden. Lassen Sie uns also nicht nur migrantische Arbeitskräfte zu uns holen, sondern auch migrantisches Leben und Teilhabe hier bei uns fördern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen auch Lehren aus den nackten volkswirtschaftlichen Zahlen ziehen. Arbeitskräftesicherung ist Wohlstandssicherung.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Für wen denn? Wo ist denn der Wohlstand? Der wird immer weniger!)

Auch diejenigen politischen Kräfte, die sich gegen Migration stemmen, wissen das. Wenn die AfD hier gegen Migrantinnen und Migranten hetzt,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist nicht gegen Migranten! Das ist gegen Ihre dumme Politik!)

dann weiß sie ganz genau, dass unsere Unternehmen, Arbeitsmarktforscher/-innen und Sozialstaatsexpertinnen und Sozialstaatsexperten davor warnen, dass wir sonst unseren Wohlstand verspielen. Ich frage Sie also, werte AfD: Warum wollen Sie diesem Land denn was Schlechtes? Was haben Sie denn gegen Deutschland, dass Sie es so herunterwirtschaften wollen?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich sage es Ihnen: Geht es Deutschland schlecht, geht es der AfD gut. – Kommt Ihnen das noch bekannt vor?

Dabei fördert Arbeitsmigration auch die Produktivität und Innovationskraft eines Staates. Ja, ist so. Migration fördert neue Ideen und Fortschritt, während Homogenität Einfältigkeit und Stillstand zementiert. Auch das sieht man in den Reihen der konservativen und rechten Fraktionen hier im Bundestag und daran, wer dort sitzt – oder eben nicht. Wer migrantische Impulse nicht zulässt, greift im Zweifel eben oft auf Ideen aus den 90er-Jahren zurück und will eine Behörde gründen. Herzlichen Glückwunsch dazu!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Überlegen Sie mal, ob das nicht Hetze ist! – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Das vorgelegte Gesetz, vor allem aber die Menschen, die als Fachkräfte hierherkommen wollen, verdienen eine ehrliche und vor allem eine sachliche Debatte, Herr Gröhe. Wir werden in den kommenden Wochen zusammen aushandeln, welche wirksamen Maßnahmen es für eine gelungene Kultur des Ankommens braucht: Sei es die geplante Einführung einer Chancenkarte, sei es der erleichterte Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt oder auch die vorgesehene Anerkennungspatenschaft, mit der wir gezielt auf die Unterstützung der Unternehmen vor Ort setzen. Damit wird es unkomplizierter werden, in Deutschland Fuß zu fassen und so eine eigene Perspektive aufzubauen.

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Falsch! Einfach falsch! – Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

Das wird ein großer Kraftakt, und dafür braucht es jede Einzelne und jeden Einzelnen von uns. Also: Packen wir es an!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Falsch und dreist!)

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Marc Biadacz.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553118
Wahlperiode 20
Sitzung 100
Tagesordnungspunkt Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung
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