Jens SpahnCDU/CSU - Wärmewende
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Gesetzentwurf von Robert Habeck steht exemplarisch für die falsche Klima- und Energiepolitik der Grünen:
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dogmatische Vorfestlegungen auf einzelne Technologien, planwirtschaftliche Regelungswut bis ins Detail und ignorante Überforderung der Betroffenen. … So wird aus Deutschland kein Vorbild beim Klimaschutz, sondern ein abschreckendes Beispiel.
Das sind nicht meine Worte, sondern das ist ein Beschluss des FDP-Parteitages vom letzten Wochenende.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Merken Sie eigentlich selbst noch, was für ein Schauspiel Sie hier abziehen? – Sie nicken jetzt, aber Ihre Minister haben diesem Gesetzentwurf im Kabinett drei Tage vorher zugestimmt, drei Tage später folgt dieser Beschluss auf dem Bundesparteitag. Dieses Schauspiel geht ja seit Monaten so: 30 Stunden Koalitionsausschuss, Pressekonferenzen, Widersprüche. Sie überfordern sich bei diesem Verfahren selbst.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie überfordern die politischen Mechanismen. Sie schaffen bei den Bürgerinnen und Bürgern Wut, Verunsicherung, Frust. Deswegen: Kommen Sie endlich zur Besinnung! Gehen Sie mit diesem Gesetzentwurf zurück auf Los, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie überfordern ja nicht nur sich. Viel schlimmer ist: Sie überfordern Bürger und Wirtschaft,
(Timon Gremmels [SPD]: Offensichtlich überfordern wir die Union! – Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
zum Beispiel mit zu kurzen Fristen: 1. Januar 2024, das ist in acht Monaten, und keiner weiß, was dann gelten soll. Niemand! Stattdessen sehen wir einen Boom bei Öl- und Gasheizungen. In der Verunsicherung kaufen jetzt alle noch schnell eine Ölheizung.
(Timon Gremmels [SPD]: Sie schüren doch die Verunsicherung!)
Das ist doch das Gegenteil des Gewollten, was Sie hier erreichen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Preis für Wärmepumpen geht hoch. Weil Sie den Markt durcheinanderbringen, können sich noch weniger Leute diese leisten. Deswegen sagen wir Ihnen: Nehmen Sie Druck raus! Schaffen Sie längere Übergangsfristen; schaffen Sie vor allem Planungssicherheit!
(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Länger als 13 Jahre? Echt jetzt? 13 Jahre sind zum Teil drin, Herr Spahn!)
Haus und Heizung, das sind Investitionen, die plant man mal nicht eben in zwei Tagen. Da braucht es ein paar Monate mehr.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen: Diese paar Monate mehr machen keinen Unterschied fürs Weltklima, zumal aktuell noch bis zu 50 Prozent des Stroms aus Kohle und Gas kommen. Sie machen keinen Unterschied fürs Weltklima,
(Timon Gremmels [SPD]: Das ist zynisch!)
aber etwas mehr Zeit macht einen Unterschied für Akzeptanz und Bezahlbarkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Kassem Taher Saleh [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deswegen: Schieben Sie die Fristen!
Zu hohe Kosten. Der Minister sagt: Die Wärmepumpe soll nicht mehr kosten als die Gasheizung. – Das Förderkonzept ist da allerdings unzureichend, Herr Herrmann. Wenn man einfach mal rechnet: Bei 30 Prozent Förderung – unter bestimmten Bedingungen sind es ein paar Prozent mehr – heißt das, dass Zigtausende Euros nicht finanziert sind – 30 000, 40 000, 50 000 Euro, wenn man vor dem Einbau einer Wärmepumpe zusätzlich etwas dämmen oder umbauen muss. Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben, aber für viele Bürgerinnen und Bürger sind 50 Prozent von solchen Kosten immer noch ziemlich viel Geld. Und deswegen geht das so nicht, dass Sie über dieses Gesetz reden, ohne dass es ein konkretes Förderprogramm gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was feststeht, ist: Bis zu 50 000 Euro Strafe für diejenigen, die nicht Ihren Regeln folgen; null Euro Förderung ist bis jetzt im Haushalt vorgesehen. Die Strafen stehen fest, die Förderung nicht. Das ist eine Überforderung der Bürgerinnen und Bürger. Beenden Sie das!
(Beifall bei der CDU/CSU – Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Förderung kommt!)
Die Überforderung trifft schließlich die Unternehmen, den Mittelstand. Hauptbeweis dieser Tage: Viessmann. Gestern die Meldung: „Die Bundesregierung begrüßt Viessmann-Übernahme durch einen US-Konzern“. Hören Sie sich eigentlich selbst zu? Sie halten hier Reden, wie Sie die deutsche Industrie zur Klimatech-Industrie umbauen wollen. Sie sinnieren hier wöchentlich darüber, dass Sie die Solar- und Windindustrie aus China zurück nach Deutschland holen wollen. Der Kanzler besucht öffentlichkeitswirksam Viessmann. Wir unterstellen mal: Er erinnert sich noch. Die Bauministerin sagt noch Sonntagabend, Viessmann habe regelrecht darum gefleht, dass man die Frist 1. Januar 2024 lässt. Und dann scheitert all das bereits im Ansatz. Ihre Chaos-Wärmewende setzt die deutschen Hersteller so massiv unter Druck, dass sie jetzt eben mit den Investitionen nicht mithalten können. Und deswegen ist dieser Verkauf eines deutschen Unternehmens Ergebnis Ihrer Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])
Herr Spahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung vom Kollegen Audretsch?
Gerne.
Herr Kollege.
Herr Spahn, die Union hat heute Morgen schon beim Thema Fachkräfte bewiesen, dass Sie im Kern wirtschaftsfeindliche Parteien sind.
(Zuruf von der CDU/CSU: Zum Thema!)
Wir erleben das jetzt wieder. Ich möchte Ihnen einmal vorlesen, was Max Viessmann, CEO der Viessmann-Gruppe, gesagt hat:
… und das 1,5-Grad-Klimaziel droht außer Reichweite zu geraten …
Deshalb werden wir Lösungen und Technologien, die CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren oder speichern, in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten stellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist das zentrale Ziel, das Viessmann sich vorgenommen hat. Am gleichen Tag sagt Ihr Parteivorsitzender, dass Klimaschutz überbewertet sei. Wir haben Märkte in Skandinavien, wir haben Märkte in Asien, wir haben Märkte in den USA, und jetzt entwickelt sich ein Markt für Klimatechnologien auch in Deutschland. Da setzen wir jetzt an. Sie sagen: Kein Klimaschutz; Klimaschutz sei wirtschaftsfeindlich, wirtschaftsschädlich. Und gleichzeitig gibt es Unternehmen, die sich jetzt auf den Weg machen, Klimatechnologien auch in Deutschland voranzutreiben. Diesen Widerspruch klären Sie nicht auf.
(Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Dieser Widerspruch ist absurd, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ein bisschen Klarheit schaffen, warum Ihr Parteivorsitzender derartig wirtschaftsfeindlich agiert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lieber Herr Kollege Audretsch, erst einmal: Die deutschen Unternehmen – Viessmann, Vaillant, Buderus, Bosch – waren genau auf diesem Weg. Bei der Wärmepumpe sind sie ja auch schon auf dem Markt und in Deutschland – jedenfalls noch – relativer Marktführer. Sie investieren da, und das ist auch richtig.
Was jetzt passiert, ist mit Ansage. Denn auf dem Wärmepumpengipfel wurde dem Minister in persönlichen Gesprächen gesagt: Wenn Sie jetzt diesen Markt durch staatliche Regulierungen binnen Monaten so durcheinanderbringen und nach oben bringen, dass Nachfrage besteht ohne Sinn und Verstand, dann wird man die Position der deutschen Hersteller, der deutschen Industrie schwächen. Dann kommen die asiatischen, die japanischen, die koreanischen und die amerikanischen Hersteller, weil das Kapital so schnell nicht da ist, um das zu skalieren. – Das war also mit Ansage.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und wissen Sie, was die Antwort des Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium war? Ich zitiere nicht den Wortlaut; der wäre nämlich unparlamentarisch. Er hat gesagt, es wäre ihm – sinngemäß – total egal. Viel wichtiger wäre, dass Ihre Politik umgesetzt wird. Sie haben mit dem, was Sie hier tun, billigend in Kauf genommen, dass die deutsche Klimatech-Industrie ausverkauft wird; das ist das eigentliche Problem an dieser gesetzlichen Regelung und an diesen Fristen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werden bei der Wärmepumpenindustrie bald eine Habeck-Delle sehen. Das wird bei der deutschen Industrie passieren, und wir werden nur noch ausländische Anbieter haben. Das ist das Ergebnis Ihrer Wirtschaftspolitik.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Danke für die Zwischenfrage!)
Deswegen, Herr Kollege Audretsch, ist diese Herangehensweise der Koalition eine radikale. Die Ideologisierung dieses Themas schadet dem Klimaschutz; das ist das eigentliche Problem. Wir wollen mit Ihnen diesen Weg hin zur Klimaneutralität gehen. Wir haben ihn übrigens zu unserer Regierungszeit begonnen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber so, wie Sie das machen, ist die Entscheidung für eine Wärmepumpe keine Entscheidung der Vernunft mehr, sondern eine Entscheidung des Glaubens.
(Zuruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie machen aus Klimaschutz keine Politik der Vernunft mehr, sondern mit Ihrer Politik der Brechstange verlieren Sie so an Akzeptanz, dass Klimaschutz am Ende wieder eine ideologische Frage wird, und das ist schlecht für den Klimaschutz, weil sich die Gesellschaft darüber spaltet.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen haben wir, Herr Kollege Herrmann, sehr konkrete Vorschläge für eine Wärmewende, die bei der kommunalen Wärmeplanung beginnt, gemacht. Man muss doch erst mal einen Plan in den Orten haben, bevor man weitermacht.
(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert vier, fünf Jahre!)
Erst die Planung, dann kommt die Frage, was gefördert wird, und zwar für eine Wärmewende, die technologieoffen ist: Biomasse, Biogas, Kraft-Wärme-Kopplung, Holzpellets, Wasserstoff. Es wird gelegentlich etwas im Gesetz erwähnt, aber die Wahrheit ist: Faktisch haben Sie die Anforderungen so hoch geschraubt, dass es eben keine Technologieoffenheit gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Einzige, was gar keine Anforderungen hat, sind Wärmepumpe und Fernwärme, obwohl beide noch zu fast 50 Prozent fossil sind; alles andere machen Sie quasi kaputt. Wir wollen Emissionshandel als Leitinstrument statt Planwirtschaft. Dazu reichen wir Ihnen die Hand. Dazu haben wir hier im Bundestag im November letzten Jahres unser Konzept eingebracht. Wenn Sie allerdings diesen Irrweg fortsetzen, dann – das sage ich Ihnen – wird das Ihr politisches Waterloo, Herr Minister. Entscheiden Sie sich daher: Wollen Sie diesen Irrweg der Überforderung weitergehen oder einen Weg der Vernunft mit uns?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dr. Nina Scheer.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553124 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Wärmewende |