Jan DierenSPD - Betriebliche Mitbestimmung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete in den demokratischen Fraktionen! Liebe Zuschauer/-innen! Wissen Sie schon, was Sie am Montag machen?
(Enrico Komning [AfD]: Klar!)
Ich weiß, was ich mache. Am Montag ist der Erste Mai. Und am Ersten Mai gehen wir, wie an jedem Ersten Mai, auf die Straße – zusammen und solidarisch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Wir auch!)
Mit uns gehen auch an diesem Ersten Mai weltweit Millionen Menschen auf die Straße und kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und ihr Recht auf Demokratie.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Seit 1890 begehen wir den Ersten Mai als den symbolischen Kampftag der Arbeiter/-innenbewegung.
(Jürgen Pohl [AfD]: Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! – Weitere Zurufe von der AfD)
Seitdem steht auch das Thema Mitbestimmung im Mittelpunkt des Ersten Mai. Denn die internationale Arbeiter/-innenbewegung verbindet seit jeher eine Haltung: Es darf nicht sein, dass Einzelne, dass andere Menschen über uns bestimmen. Wir nehmen unser Geschick selbst in die Hand, zusammen und demokratisch.
(Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])
Als Gesellschaft treffen wir viele Entscheidungen schon jetzt demokratisch, hier im Bundestag, in den Landtagen, in den Städte- und Gemeinderäten. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Entscheidungen, die wir als Gesellschaft nicht demokratisch treffen, Entscheidungen, die andere über unsere Köpfe hinweg treffen, zum Teil mit dramatischen Folgen für uns alle.
Denken Sie an die Schließung der Conti-Standorte, an die Schließung der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen in vielen deutschen Innenstädten oder jetzt an den Verkauf des Wärmepumpenherstellers Viessmann in die USA.
(Enrico Komning [AfD]: Alles macht ihr kaputt!)
Wären diese Entscheidungen mitbestimmt gewesen, hätten die Kolleginnen und Kollegen dort dabei ein Wörtchen mitzureden gehabt, wären diese Entscheidungen vermutlich anders getroffen worden. Sie wären demokratischer und ja, ich behaupte, auch besser gewesen, besser für die Kolleginnen und Kollegen, besser für uns alle.
Manche behaupten jetzt, die Mitbestimmung sei verstaubt, eine Sache von gestern. Das Gegenteil ist aber der Fall: Wir brauchen die Mitbestimmung der Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Unternehmen für unsere Zukunft, für unser aller Zukunft.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In Uerdingen in meinem Wahlkreis gibt es unter anderem viel chemische Industrie. Ich will ein Beispiel von dort nennen. Mit einer Betriebsratsvorsitzenden eines großen Unternehmens habe ich mich vor einer Weile über ihren Weg zur Klimaneutralität unterhalten. Die Beschäftigten dieses Chemieunternehmens haben natürlich ein Rieseninteresse daran, dass ihr Unternehmen schnell klimaneutral wird, damit sie auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch eine Perspektive haben.
Jetzt haben Betriebsräte in ökologischen und strategischen Fragen aber kein Mitbestimmungsrecht bzw. kaum Rechte und können die Unternehmensleitung also nicht dazu verpflichten, etwas zu unternehmen. Unsere Betriebsräte haben sich aber etwas einfallen lassen. Im Aufsichtsrat dürfen sie nämlich über die Boni der Manager/-innen mitbestimmen. Dort haben sie durchgesetzt, dass die Bonuszahlungen an die Vorstandsmitglieder daran geknüpft werden, wie schnell das Unternehmen sich in Richtung Klimaneutralität bewegt. Das ist, finde ich, eine sehr findige Lösung
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und bringt das Unternehmen wahrscheinlich deutlich schneller zur Klimaneutralität, als wir das hier im Bundestag hätten beschließen können.
Stellen Sie sich zusammen mit mir nur für einen Moment vor, dass es dafür keine findigen Betriebsräte in einzelnen Unternehmen bräuchte! Stellen Sie sich vor, wie viel Kraft wir in diesem Land auf dem Weg zu Klimaneutralität entfalten könnten, wenn in allen Betrieben und Unternehmen die Betriebsräte über solche Fragen mitbestimmen könnten, in ihrem Interesse, in unser aller Interesse! Und was für Klimaschutz gilt, gilt natürlich auch für Geschlechtergerechtigkeit, Inklusion, Arbeitsplätze oder die Personalbemessung.
Also, wenn Sie für Montag schon Pläne haben, denken Sie noch mal darüber nach, und gehen Sie zusammen mit uns und den Gewerkschaften auf die Straße, für bessere Löhne, für mehr Mitbestimmung, zusammen und solidarisch. Wir schauen nämlich nicht nur zurück auf eine Tradition von 133 Jahren. Wir schauen am Ersten Mai in die Zukunft: eine bessere Zukunft für unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Unternehmen und eine bessere Zukunft für uns alle.
Glück auf!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die Unionsfraktion hat das Wort der Kollege Dr. Stefan Nacke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553166 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Betriebliche Mitbestimmung |