Stefan NackeCDU/CSU - Betriebliche Mitbestimmung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unmittelbar nach der Befreiung Düsseldorfs durch die Alliierten im April 1945 hielt Karl Arnold in dem von ihm mitverfassten Manifest an die Bevölkerung Düsseldorfs seine Vorstellungen und Ziele für die neu zu gründende Christliche Volkspartei Deutschlands fest. Er forderte eine Wirtschaftsordnung, durch die soziale Gerechtigkeit und verantwortliche Mitbestimmung aller in der Wirtschaft Tätigen gewährleistet werden sollten. Zu dieser Zeit war die SED, die Vorvorgängerin der Linken, deren Anträge wir heute beraten, noch nicht einmal zwangsvereinigt.
Karl Arnold war christlicher Gewerkschafter. Er war maßgeblicher Gründungsvater der CDU, und er war etwas später und gemeinsam mit seinem Freund Hans Böckler Gründungsvater des DGB als Einheitsgewerkschaft. Karl Arnold war einer, der Grenzen überwand – zwischen Arbeiternehmern und Arbeitgebern, zwischen Konfessionen, Parteien und Nationen. Er war Impulsgeber für die Montanmitbestimmung und die Montanunion, die durch den französischen Außenminister im späteren Schuman-Plan aufgegriffen wurde. Sie brachte, von der EWG bis zur EU, die europäische Einigung. Als erster Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens forderte Arnold in seiner ersten Regierungserklärung am 17. Juni 1947 – Zitat –:
Die Neuordnung der Wirtschaft soll erfolgen aus dem Geist der Verpflichtung des einzelnen gegenüber dem Ganzen. Durch eine maßgebliche Beteiligung der Arbeitnehmer an der Betriebs- und Wirtschaftsführung soll die soziale Gleichberechtigung hergestellt, der Mensch ganz allgemein wieder in den Mittelpunkt der Wirtschaft gestellt und der Arbeit wieder ein tieferer Sinn und höhere Würde verliehen werden.
So wie wir aktuell wieder über Systemkonkurrenz debattieren und unsere Demokratie gegen die autokratischen Herausforderungen Russlands und Chinas verteidigen, so waren damals in der Stunde null Mitbestimmung und Betriebsverfassung zentrale Kategorien in der christdemokratischen Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft. Sie sollte die bessere Alternative zur sozialistischen Planwirtschaft oder dem – in Anführungszeichen – „freien“ Markt sein. Als ehemaliges Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags bin ich stolz: Seit Karl Arnold erhebt mein Bundesland den Anspruch, das soziale Gewissen der Bundesrepublik zu sein. Seit Karl Arnold, also von Beginn an, gehört Mitbestimmung zur originären DNA der Union.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wie wichtig Betriebsräte bis heute sind, konnte ich in meiner vorpolitischen Zeit als Mitarbeiter des Essener Ruhrbischofs erleben. Als wirtschafts- und sozialpolitischer Berater war ich in erster Linie für die Kontakte des Bischofs zu den Unternehmen im Revier zuständig. Während auf der Managementebene alle zwei, drei Jahre unsere Gesprächspartner wechselten, blieb die Arbeitnehmerseite völlig stabil. Man konnte ganz klar sehen, dass es gerade die Betriebsräte sind, die langfristig für die Standortsicherheit Verantwortung übernehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde, Stakeholder Value ist viel nachhaltiger als bloßer Shareholder Value. Im Fall von thyssenkrupp beispielsweise verdanken wir die Nichtzerschlagung des Mischkonzerns dem verantwortlich handelnden und weitsichtigen Betriebsrat, und davon profitiert die ganze Region. Meine letzten Gespräche mit den Betriebsräten von Galeria Karstadt Kaufhof in meinem Wahlkreis Münster haben diesen Eindruck bestätigt. Beide Münsteraner Standorte des Unternehmens konnten gerettet werden.
Friedrich Merz hat bei unserer Betriebsrätekonferenz im Adenauer-Haus Anfang des Jahres klar gesagt: Es ist insbesondere die Sozialpartnerschaft, die unseren Wirtschaftsstandort stärkt. – Dass wir so gut durch die Pandemie gekommen sind, liegt nicht zuletzt an einer pragmatischen Mitbestimmung, zum Beispiel in der Organisation mobiler Arbeit. Überall dort, wo Betriebsräte einig sind, sind sie stark. Wir wollen als Staat nicht jedes Detail vorschreiben, sondern die Verantwortung auf der Betriebsebene stärken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Loben möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal das vor zwei Jahren von Union und Sozialdemokraten gemeinsam in der Großen Koalition verabschiedete Betriebsrätemodernisierungsgesetz.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat am Anfang Betriebsrätestärkungsgesetz geheißen!)
Mit diesem Gesetz haben wir unter anderem Betriebsratswahlen vereinfacht und die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit ermöglicht. Mit unserem jüngsten Unionsantrag zur digitalen Betriebsratsarbeit knüpfen wir hieran an, indem wir auch Rechtsgrundlagen schaffen wollen, die Onlinewahlen für Betriebsrätinnen und ‑räte zu ermöglichen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Genau! Fortschritt mit der Union!)
Leider blockiert die Ampel-SPD unseren Modernisierungsvorschlag.
Meine Damen und Herren, die Themen, die Die Linke in den vorliegenden Anträgen aufruft, überraschen nicht. Ob diese Ideen sinnvoll sind, werden wir demnächst im Ausschuss beraten.
(Thomas Lutze [DIE LINKE]: Sehr sinnvoll!)
Dass wir heute aber wieder einen Anlass haben, im Bundestag über Mitbestimmung und die segensreiche Arbeit von Betriebsräten zu sprechen, das ist auf jeden Fall sinnvoll.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Beate Müller-Gemmeke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553167 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Betriebliche Mitbestimmung |