27.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 100 / Tagesordnungspunkt 9

Pascal KoberFDP - Betriebliche Mitbestimmung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Betriebsräte und die betriebliche Mitbestimmung erfüllen dort wichtige Aufgaben, wo sie gewünscht sind, und dort, wo es sie gibt. Sie vertreten da die Interessen der Beschäftigten gegenüber den Arbeitgebern und sind für die Arbeitgeber wichtige Ansprechpartner, um die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kennen und zu berücksichtigen. Sie haben schon heute umfangreiche Mitbestimmungsrechte; das betrifft zum Beispiel die Arbeitszeit, die Schichtpläne, Urlaub, Entgelte und viele andere Fragen mehr.

Nun fordern Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, in Ihren Anträgen eine massive Ausweitung der Mitbestimmungsrechte. Diese Ausweitung geht weit über die Aufgabe des Betriebsrats als Vertreter der Belegschaft hinaus.

So fordern Sie beispielsweise, dass Betriebsräte zukünftig auch über „Maßnahmen …, die zu höheren Umwelt- oder Klimabelastungen führen können“, mitbestimmen müssen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja gut!)

Und Sie fordern, dass Betriebsräte sogar selbst „Maßnahmen …, die Umwelt- oder Klimabelastungen des Unternehmens verringern“, einbringen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, da stellt sich schon die Frage: Ist das die Kernkompetenz des Betriebsrats? Woher nimmt der Betriebsrat die notwendigen fachlichen Kenntnisse, vor allen Dingen, wenn er am Ende mit seinem eigenen Geld für Fehlentscheidungen sehr selten haftet?

(Zuruf der Abg. Cornelia Möhring [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht sollten Sie an der Stelle doch noch mal darüber nachdenken, ob die soziale Marktwirtschaft, wie wir sie bisher kennen, auch mit der unternehmerischen Verantwortung und der Verpflichtung, diese Verantwortung auch zu tragen und dafür zu haften, dieses Land nicht deutlich gut nach vorne gebracht hat.

(Beifall bei der FDP)

Ich verstehe aber, dass Sie die Aufgaben des Betriebsrates ausweiten und ihm zusätzliche Aufgaben und Entscheidungsbereiche zuweisen wollen; denn schließlich muss auch Ihre Forderung nach einer deutlichen Ausweitung des Freistellungsanspruchs natürlich irgendwo begründet werden.

Einer Ihrer Anträge offenbart weitere interessante Auffassungen, die Ihr Demokratieverständnis betreffen. Auf der einen Seite möchten Sie Betriebsversammlungen stärken und als eigenständiges Organ ausgestalten, das auch eigenständige Beschlüsse fassen kann, an die der Betriebsrat dann gebunden ist. Auf der anderen Seite schränken Sie dieses Recht wiederum gleich wieder ein. Sie sagen nämlich: Wenn der Beschluss, den die Betriebsversammlung gefasst hat, dem Betriebsrat nicht passt, dann darf er von dem Beschluss abweichen. – Und das steht ausgerechnet in einem Antrag, dem Sie den Titel gegeben haben: „Zukunft, mitbestimmt – Demokratie braucht starke betriebliche Mitbestimmung“. Also, irgendwie müssen Sie sich entscheiden, wer am Ende das Sagen hat. Jedenfalls glauben wir, dass Demokratie bedeutet, dass sich der Betriebsrat entweder daran hält oder er sich nicht daran halten muss. Aber beides zu fordern, das funktioniert logisch nicht.

(Beifall bei der FDP)

Sie wollen außerdem Betriebsratsgründungen erleichtern. Nur 8 Prozent aller Betriebe haben einen Betriebsrat, wie Sie selbst feststellen. Ihrer Auffassung nach liegt das daran, dass die Beschäftigten mehrheitlich einfach nicht wissen, dass sie einen Betriebsrat gründen dürfen oder vom Arbeitgeber – man höre und staune – aktiv daran gehindert würden.

(Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie so oft!)

Dass Menschen einfach von Ihrer Freiheit nach Artikel 9 des Grundgesetzes Gebrauch machen, nämlich ihrem Recht, eine Vereinigung zu bilden, aber auch das Recht wahrnehmen, keine zu bilden, das ziehen Sie leider nicht in Betracht.

Die Behinderung von Betriebsräten ist schon jetzt ein Straftatbestand. Wer die Wahl oder die Tätigkeit von Betriebsräten behindert, dem droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Im Koalitionsvertrag haben wir ja vereinbart, dass es künftig sogar ein Offizialdelikt werden soll. Ihrer Argumentation und Ihrer Logik folgend, müssten die Gerichte in Deutschland mit Tausenden Fällen beschäftigt sein. Allerdings muss man feststellen, dass es 2019 laut Strafverfolgungsstatistik gerade mal vier Verurteilte gegeben hat.

Werden die Menschen Ihrer Auffassung nach eigentlich auch davon abgehalten, einer Gewerkschaft beizutreten? Denn die Wahrheit ist: Hier hat die Tarifbindung dramatisch abgenommen. Nach Berechnungen des IW Köln sind nur 17,4 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Vielleicht liegt das auch daran, dass sich die Gewerkschaften und manche Betriebsratsunterstützer nicht auf die Kernaufgaben konzentrieren möchten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Mitbestimmung ist wichtig. Tarifbindung hat dieses Land nach vorne gebracht. Aber auch Artikel 9 des Grundgesetzes und die unternehmerische Verantwortung haben dieses Land nach vorne gebracht, und das sollten wir nicht zur einen oder zur anderen Seite einseitig auflösen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Michael Gerdes.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553170
Wahlperiode 20
Sitzung 100
Tagesordnungspunkt Betriebliche Mitbestimmung
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