Markus ReichelCDU/CSU - Betriebliche Mitbestimmung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzte Debatte zur betrieblichen Mitbestimmung hatten wir zu unserem Antrag zur digitalen Betriebsratsarbeit im Januar dieses Jahres.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Seitdem ist nichts passiert!)
Damals haben Sie, Frau Ferschl, angekündigt, dass Sie mehrere Anträge zur betrieblichen Mitbestimmung stellen; die sind jetzt auch da. Da stehen Sie aber auch wirklich im Kontrast zur Koalition; denn die hat bereits mehrfach versprochen – auch heute wieder –, dass sie Initiativen im Bereich der Mitbestimmung, insbesondere in der Digitalisierung, plant: im Koalitionsvertrag, aber eben auch in der Debatte am 19. Januar. Geliefert hat die sogenannte Fortschrittskoalition aber bis heute nichts!
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Gegenruf von der CDU/CSU: Gar nichts!)
Wir müssen in dieser Debatte auf die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik stärker durch die Brille der kleinen und mittleren Unternehmen blicken – das gilt insbesondere bei der betrieblichen Mitbestimmung –; denn dort – Herr Cronenberg hat das gesagt – arbeiten die weitaus meisten Arbeitnehmer. Diese Partnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist doch eindeutig der Schlüssel für den Erfolg eines Unternehmens. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, auch als Unternehmer selber: In Zeiten des Arbeitskräftemangels wird jeder Arbeitgeber, der das nicht berücksichtigt, ernste Probleme bei der Gewinnung von Mitarbeitern bekommen.
Daher bin ich ganz klar ein Befürworter einer starken betrieblichen Partnerschaft, in manchen Unternehmen mit Betriebsrat, in anderen eben ohne. So eine Partnerschaft braucht aber auch den Freiraum vor Ort in den Unternehmen. Das gilt generell, gerade aber auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen, wo doch ausgesprochen unterschiedliche Voraussetzungen vorliegen. So wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, betriebliche Partnerschaft verstehen, werden Sie Freiräume eben gerade eliminieren. Das ist der absolut falsche Weg; denn soziale Marktwirtschaft muss Freiräume schaffen, nicht Zwang.
(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das jetzt konkret?)
Es geht doch darum: Wir sollten die Menschen in den Unternehmen – Arbeitnehmer auf allen Ebenen, Geschäftsführer, alle – letzten Endes in die Lage versetzen, dass sie sich um die wichtigen Dinge kümmern können, dass sie den Freiraum dafür haben.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das?)
Der Aufbau der betrieblichen Partnerschaft ist ausgesprochen wichtig.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie entsteht das?)
Ich sehe aber, dass in allen Rechtsbereichen in unserem Land bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen letzten Endes durch überbordende Regelungen schon lange die Luft zum Atmen fehlt. Das kriege ich jeden Tag im Wahlkreis gespiegelt. Ganz besonders betroffen sind dabei die kleinen und mittleren Unternehmen in der Größenordnung von 10 bis, sagen wir, 50 oder 70, 100 Mitarbeitern. Sie sind nämlich zu groß, um von Ausnahmeregelungen für Kleinstunternehmen zu profitieren, und zu klein, um mit der ganzen Regulatorik, die über sie hereinbricht, wirklich klarzukommen. Ich rede hier über Berichtspflichten, Statistikpflichten, das Erfordernis der Berufung von Betriebsbeauftragten, was gerade bei produzierenden Unternehmen gilt.
Ich habe mal ein Unternehmen erlebt, wo es bei 51 Mitarbeitern 44 Betriebsbeauftragtenstellen zu besetzen galt. In so einer Situation ist doch gar nicht mehr der Freiraum da, um sich um die wirklich wichtigen Dinge und um das Wertschöpfen in den Unternehmen zu kümmern. Das müssen wir ändern. Dann haben wir auch den Freiraum für die Partnerschaft zwischen Mitarbeitern und Unternehmen.
Sie wollen aber in die unternehmerische Freiheit eingreifen, was gerade auch bei den kleinen Unternehmen zu neuen Belastungen führt. Da gehe ich auch einmal etwas auf Ihre Anträge ein. In dem Antrag „Betriebliche Mitbestimmung braucht Betriebsräte“ fordern Sie unter anderem, Freistellungsansprüche von Betriebsräten deutlich auszuweiten und Mitglieder von Betriebsräten besser zu vergüten. Sind Sie sich denn sicher, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ort das überhaupt wollen?
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollen die alles ehrenamtlich machen?)
In jedem Fall würden Sie die Hürden für den Aufbau der Betriebsratsarbeit maßgeblich erhöhen.
Dann der Antrag „Transformation braucht starke betriebliche Mitbestimmung“: Hier soll unter anderem ein Mitbestimmungsrecht bei allen Maßnahmen und Regelungen eingeführt werden, die das Klima belasten könnten. Ich meine, jeder versteht, dass so ziemlich jede Maßnahme in einem Betrieb irgendwie Einfluss auf das Klima hat. Also, das sind doch wirklich realitätsferne Vorhaben.
Das Recht der betrieblichen Mitbestimmung findet seine Grenzen eben grundsätzlich immer dort, wo in den Kernbereich der Unternehmensführung und unternehmerischen Entscheidungen eingegriffen werden soll. Das würden Sie aushebeln.
Schließlich gibt es den Antrag „Demokratie braucht starke betriebliche Mitbestimmung“, unter anderem mit der Forderung eines Rechtanspruchs auf Befreiung von der Arbeitsverpflichtung für monatlich zwei Stunden zum gemeinsamen Austausch über betriebspolitische Fragen.
Ich muss zusammenfassend zu den Anträgen sagen: Man muss kein Gärtner oder Bauer sein, um zu wissen, dass jede Pflanze Wasser braucht, aber eben bei zu viel Wasser verfault. So gilt es eben auch bei der Mitbestimmung: Sie braucht selbstverständlich gute Regeln. Aber bei einem Zuviel an Regeln geht sie kaputt, und das wäre schädlich für uns alle.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Diskussion zur Mitbestimmung muss doch auch im Zusammenhang mit laufenden Gesetzgebungsvorhaben der Koalition gesehen werden. Ein Beispiel: Der Referentenentwurf zur Arbeitszeit versucht de facto, alle Unternehmen durch Zwang in die Mitbestimmung zu drücken. Wer keinen Betriebsrat hat, kann keine betriebliche Vereinbarung abschließen, und das bedeutet: Er kann auch nicht von bestimmten Erleichterungen profitieren, die aber existenziell für ihn sein werden.
Ich bin überzeugt, dass die betriebliche Mitbestimmung eine große Chance gerade jetzt darstellt, aber nicht als Zwang, sondern eben als eine Möglichkeit, als eine Option, die offensteht, wenn sie zum Unternehmen passt, oder auch, wenn die Arbeitnehmer den Wunsch haben, sich zu organisieren.
Daher sei nun in Richtung der Bundesregierung gesagt:
Erstens. Bewahren Sie die guten Rahmenbedingungen, wie sie die unionsgeführte Bundesregierung geschaffen hat!
(Zuruf des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD])
Zweitens. Schaffen Sie mehr Freiraum für die Unternehmen! Dann sind sie auch in der Lage, die Mitbestimmung umzusetzen.
Drittens. Passen Sie den rechtlichen Rahmen an neue auch technische Möglichkeiten an! Das war ja auch der Gegenstand unseres Antrags zur digitalen Betriebsratsarbeit.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Mansoori.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553177 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Betriebliche Mitbestimmung |