Jürgen CoßeSPD - Friedensprozess in Äthiopien
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir gerade die Frage gestellt, ob ich das sagen soll: Wir haben die CDU ja sogar eingeladen, sich mit diesem Antrag zu beschäftigen,
(Thomas Erndl [CDU/CSU]: Machen wir doch!)
damit wir diesen Antrag mit einer großen Mehrheit hier im Hause unterstützen. Ich versuche jetzt, mal deutlich zu machen, warum.
Ich bin Agnieszka Brugger und auch dem Kollegen Rainer Semet sehr dankbar, dass wir diesen Antrag sehr störungsfrei und gut vorbereitet haben, zu einem Zeitpunkt, wo die Krise im Sudan nicht aktuell war. Mein erster Punkt und die erste wichtige Botschaft in diesem Antrag mit Blick auf die Region ist: Wir wollen den Friedensprozess in Äthiopien nachhaltig und proaktiv unterstützen, weil wir es uns nicht leisten können, dass es weitere Konflikte in dieser Region gibt. Jeder einzelne Konflikt, der wieder aufflammt, ist einer zu viel. Das ist im deutschen Interesse, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Rainer Semet [FDP])
Zweiter Punkt. Äthiopien ist das Binnenland mit der größten Bevölkerung, es ist auf dem Weg zu 120 Millionen Menschen. Es gibt 90 verschiedene Ethnien, genauso viele Sprachen, unterschiedliche Religionen. Wir müssen aus geostrategischen Gründen doch ein Interesse daran haben, Unterstützung anzubieten, um mitzuhelfen, dass dieses Land stabil ist: Der Jemen ist nicht weit. Das Stichwort „Eritrea“ fiel, weitere sind „Somalia“ und der „Tschad“. Und wir haben natürlich die Diskussion über den Sudan.
Von daher ist es doch ein wenig schwierig, sich hierhinzustellen und zu sagen, dass es keine Strategie gibt. Vielmehr ist es doch ein Handlungsauftrag, der in diesem Antrag beschrieben ist und der natürlich im Einklang mit der Bundesregierung formuliert wird. Der gemeinsame Besuch unserer und der französischen Außenministerin wird darin unterstützt, und es wird bestärkt, dass es richtig ist, dass der Bundeskanzler demnächst nach Äthiopien fährt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn Sie sich dann hierhinstellen und sagen, dass das nicht ausreicht, stelle ich mir die Frage, ob es vielleicht andere Gründe gibt, um das auszuführen; denn inhaltlich habe ich keinen Widerspruch gehört. Ich habe das Gefühl, dass das taktisch motiviert ist und es hier um politisches Klein-Klein geht. Meine Bitte ist – ich habe das gestern schon gesagt –: Lassen Sie uns bei außenpolitischen Debatten mit diesem politischen Klein-Klein aufhören! Es schadet der Bundesrepublik Deutschland und ihrem Ansehen in der Welt. Das können wir nicht gebrauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zum Antrag selber. Wir haben über 19 Punkte aufgeführt: proaktive Unterstützung des Friedensprozesses, humanitäre Zugänge, Sicherheit für die Zivilgesellschaft. Das alles sind Punkte, die doch deutlich machen, wo und an wessen Seite wir stehen: Wir stehen in Ostafrika und in Äthiopien an der Seite der Menschen, die Stabilität und Frieden in diesem Land für sich selber erreichen wollen. Es ist alle Mühe des Deutschen Bundestages wert, sich heute in einer Debatte damit zu beschäftigen; denn Länderdebatten führen wir häufig, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist – Stichwort „Sudan“ –, wenn wir eingreifen müssen.
(Sepp Müller [CDU/CSU]: Mali!)
Dieser Antrag macht deutlich, dass es um viel mehr geht und dass es möglich ist, sich als Deutscher Bundestag vorausschauend klar zu positionieren und die Bundesregierung zu unterstützen, sich auf den Weg zu machen und für die Stabilität in einer Region zu sorgen, die doch tatsächlich irgendwie ein Pulverfass ist. Es gibt viele Nachbarn. Nehmen Sie zum Beispiel Dschibuti: Von dort sind es nur 30 Kilometer bis zum Jemen. Von Eritrea sind es 35 Kilometer. Wir haben hier gestern über Irini diskutiert und über Waffenlieferungen nach Libyen, die wir ja verhindern wollen. Wir wissen, dass diese Waffen auch im Sudan landen. Auch der Sudan ist ein Nachbar von Äthiopien.
Deswegen glaube ich, glauben wir als SPD und glauben wir als Ampel, dass es richtig ist, mit dieser Debatte und mit diesem Beschluss heute ein starkes Signal auch an die Afrikanische Union, die ihren Hauptsitz in Addis Abeba hat, zu senden, dass wir, die deutsche Regierung und damit auch Europa, an der Seite der Menschen stehen, die Frieden und Stabilität in einer schwierigen Region organisieren wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es gibt eine Menschenrechtskommission in Äthiopien. Ich durfte bei meinem Besuch in Äthiopien mit dem Leiter dieser Menschenrechtskommission sprechen. Auch das, was Agnieszka Brugger eben gesagt hat, ist ein wichtiges Argument. Wenn wir sagen, dass wir den Friedensprozess proaktiv unterstützen und einen nachhaltigen Frieden wollen, dann müssen wir anerkennen, dass die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen dazugehört. Dann gehört auch dazu, dass wir nicht nur sagen, dass sie aufgearbeitet werden müssen, sondern dass wir auch fragen: Welche Instrumente, welche Möglichkeiten können wir zur Verfügung stellen, kann die Afrikanische Union zur Verfügung stellen, kann Europa zur Verfügung stellen, um das hinzukriegen?
Das bedeutet aber auf der anderen Seite auch, dass wir einen Versöhnungsprozess organisieren müssen. Denn auch Versöhnung ist eine Voraussetzung dafür, dass Menschen wieder zusammenfinden, die sich vorher unendlich gestritten haben. Deswegen ist es gut, dass die Regierung Äthiopiens – so ist zumindest meine Information – nächsten Dienstag in Tansania ein Gespräch mit der Befreiungsarmee der Oromo führt. Wir reden hier nur über den Tigray-Konflikt; es gibt aber noch andere Konflikte in diesem großen Land. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, heute das Signal zu senden, dass wir auch diesen Friedensprozess in Tansania, wenn er denn stattfindet, unterstützen.
Daher sage ich für meine Fraktion, die SPD-Fraktion: Herzlichen Dank den Berichterstattern, die an diesem Antrag mitgearbeitet haben! Wir freuen uns, wenn es eine breite Mehrheit für diesen Antrag gibt.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Stefan Keuter für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553214 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Friedensprozess in Äthiopien |