27.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 100 / Tagesordnungspunkt 13

Alexander RadwanCDU/CSU - Politik im Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika

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Frau Präsidentin! Meine Vorrednerin hat völlig zu Recht die Dynamik in dieser Region und auch die Zeitenwende angesprochen. Lassen Sie mich auf die WM in Katar zurückschauen. An die WM in Katar denken wir ungerne zurück, weil unsere sportlichen Leistungen für deutsche Fußballfans wirklich beschämend waren.

(Ulrich Lechte [FDP]: Suboptimal!)

– Suboptimal? Sie waren beschämend, Herr Kollege.

Noch schlechter, was an sich schon schwierig ist, war allerdings das Auftreten der deutschen Bundesregierung in Katar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Innenministerin Faeser steht hier in der Tradition der Außenministerin, die im Wahlkampf noch den Boykott Katars bei der WM gefordert hat. Mein Vater, der aus Ägypten stammte, hätte es für unmöglich gehalten, dass die arabische Welt mit Blick auf Deutschland geeint ist in der Häme und dem Vorwurf der Doppelmoral. Sie haben gerade das Thema Menschenrechte angesprochen – zu Recht; es ist ein wichtiges Thema. Auf der einen Seite steht die permanente moralische Anklage, auf der anderen Seite aber der fast bildhaft festgehaltene Kniefall des deutschen Wirtschaftsministers vor dem Emir von Katar für Energie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das wird dort als Doppelmoral, als moralischer Imperialismus empfunden.

Die deutsche Außenpolitik betont auch in dieser Region das Trennende. Ich habe immer das Gefühl: Die Tür, um miteinander zu reden, auch über das Thema Werte, schlagen wir schon zu, bevor wir durch sie hindurchgetreten sind.

Die Zeitenwende, das, was sich verändert, ist, dass alle Regionen in der Welt diversifizieren. Das sind Indien, Südafrika und Brasilien, die zusammen mit Russland und China Teil der BRICS-Staaten sind. Momentan bahnt sich eine Diskussion darüber an, dass auch Saudi-Arabien den BRICS-Staaten beitreten möchte. Es handelt sich also um ein weiteres Zusammengehen von Demokratien und Autokratien, bei dem gefragt wird: Wo haben wir gemeinsame Interessen? Wo können wir zusammenarbeiten?

Die Zeitenwende im Nahen Osten wurde schon länger eingeleitet, indem sich die USA nicht zurückgezogen, aber ihr Engagement dort reduziert haben. Weil sie mit dem Ukrainekrieg in Europa und dem Thema „China und Taiwan“ sehr stark in Asien gefordert sind, können sie dieses Engagement nicht weiterführen. Da geht nun Russland rein. Wir haben das in Syrien erlebt, wir erleben es in Libyen und anderen Regionen, und wir erleben es aktuell – Sie hatten es angesprochen – mit China.

Die Annäherung von Saudi-Arabien und dem Iran hat einerseits positive Aspekte mit Blick auf den Krieg im Jemen und auf den Libanon. Gespräche finden statt. Das ist immer noch besser als keine Gespräche; von daher ist das schon etwas. Beim Abraham-Abkommen mit Israel weiß ich nicht, ob der Prozess gerade ins Stottern gerät. Aber auf jeden Fall ist dies ein Prozess, bei dem wir nicht dabei sind, der von China angestoßen wurde. Das hat nicht nur sicherheitspolitische Aspekte, sondern auch Aspekte im Bereich der Energieversorgung; denn China will zukünftig mit Öl und Gas aus dieser Region – das betrifft alle Staaten, inklusive Iran – seine Energie sichern. Sie möchten dies wirtschaftlich und auch währungsmäßig nutzen. Die Öllieferungen sollen in Renminbi erfolgen; man möchte weg von der Leitwährung Dollar. Und obwohl Amerika interveniert hat, hat China schon signalisiert, dass in Saudi-Arabien das Mobilfunknetz von Huawei aufgebaut werden soll. Somit gibt es eine Strategie der Chinesen, dort die eigenen Interessen durchzusetzen.

Dank der AfD – jetzt muss ich ein bisschen Gas geben – werden wir heute auch Ägypten thematisieren. Meine Damen und Herren, ich habe heute eine Praktikantin hier im Haus, die selber christliche Koptin ist. Sie schreiben zu Recht in Ihrem Antrag vom religiösen Engagement von el-Sisi und davon, dass er Ressentiments abbauen möchte; das beschreiben Sie zu Recht als wichtig. Umso erstaunlicher ist es für mich, dass Sie mit Ihrer Islamophobie, wonach jeder Moslem in Deutschland potenziell ein Messerstecher und Vergewaltiger ist, diese Politik in Deutschland eben nicht machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN und des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD])

Sie trennen hier in Deutschland zwischen den Religionen, loben aber, dass die Ägypter religiöse Ressentiments abbauen wollen. Ich glaube, die Ägypter sind da ein Stück weiter als Sie – was allerdings auch nicht schwer ist. Im Antrag der AfD fehlen zudem Bereiche wie Bildung und Wirtschaft.

Die Partnerschaft mit Ägypten ist sehr wichtig, meine Damen und Herren. Darum ist es umso bedauerlicher, dass Jennifer Morgan, die ehemalige Greenpeace-Chefin, beim Thema COP27 und bei den Gesprächen in Ägypten primär darauf geachtet hat, dass die NGOs dort Demonstrationsfreiheit haben, aber eben über die anderen wichtigen Themen nicht gesprochen hat, meine Damen und Herren. Leider Gottes wurde bisher in Deutschland auch kein adäquater Raum für Gespräche mit Außenminister Shoukry gefunden. Ich habe das dem Auswärtigen Amt gegenüber angesprochen, und die Antwort lautete: Herr Radwan, die Ägypter brauchen uns. Sie werden schon wiederkommen. – Momentan brauchen wir die Ägypter, angefangen bei den Überflugrechten, bei der Einschätzung der dortigen Lage und auch bei der Frage, wie wir hier vorankommen können.

Was entscheidend ist: Diese Bundesregierung hat für die Dynamik in dieser Region, die meine Vorrednerin von den Grünen ja auch angesprochen hat, bis heute kein Konzept. Es ist nicht offensichtlich, wie wir hier vorgehen sollen. Es gibt nach wie vor das Beharren auf einer feministischen Außenpolitik, bei der es darum geht, Machtstrukturen zu identifizieren und zu brechen.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Ich probiere es.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

Das ist eine Kampfansage an die Machthaber. Das läuft völlig aus dem Ruder. Was wir nicht haben, ist ein Konzept, aus dem hervorgeht, wie wir mit diesen Regionen und Autokratien, die wir brauchen und mit denen wir reden müssen, umgehen sollen. Wir fordern die Bundesregierung auf, da ein entsprechendes Konzept vorzulegen.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es scheint einen Unterschied zu machen, dass ich jetzt hier sitze. Das ist schon mal gut. Von daher: Ich grüße Sie alle ganz herzlich und bitte Sie, natürlich auf die Redezeit zu achten.

Wir fahren fort in der Debatte mit Michael Müller für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553226
Wahlperiode 20
Sitzung 100
Tagesordnungspunkt Politik im Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika
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