Carl-Julius CronenbergFDP - Grenzüberschreitende Durchsetzung des Entsenderechts
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir die unionsrechtlichen Vorgaben aus dem Bereich des Entsenderechts im Verkehrssektor in nationales Recht um. Damit konkretisieren wir, wie das Entsenderecht auch für Kraftfahrerinnen und ‑fahrer gelten soll, unabhängig davon, ob sie ein Taxi, einen Bus oder einen Lkw fahren; Frau Staatssekretärin Kramme hat dazu ausgeführt.
Es geht um die Arbeits- und Mindestlohnbedingungen für Millionen von Menschen in Europa, Menschen, die einen verdammt wichtigen und vor allem verdammt harten Job machen. Diese Menschen haben bessere Arbeitsbedingungen verdient und vor allem, dass geltende Mindeststandards Anwendung finden, liebe Kolleginnen und Kollegen – mindestens das. Das ist schon nicht viel, das ist schon nicht dolle, aber weniger darf es wirklich nicht sein.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Wirtschaft im Binnenmarkt ist hochgradig arbeitsteilig. Lieferketten sind komplex und praktisch immer grenzüberschreitend. Von daher sind Unternehmen und Verbraucher auf leistungsfähige Logistikdienstleister angewiesen. Als beispielsweise Zigtausende Lkw-Fahrer aus Polen oder Rumänien infolge des Brexits vor ein paar Jahren das Vereinigte Königreich verlassen haben, kam es zu empfindlichen Engpässen und Kostensteigerungen in den Lieferketten. Auch die deutschen Spediteure haben es gespürt, als letztes Jahr quasi über Nacht über 160 000 ukrainische Lkw-Fahrer in der EU ihren Sattelzug haben stehen lassen, um unter Waffen ihr Land, ihre Freiheit und ihre Familien gegen den russischen Aggressor zu verteidigen.
Lkw-Fahrer verdienen anständige Löhne und Arbeitsbedingungen; das ist auch im Interesse der Wirtschaft. Andernfalls schlägt der Fach- und Arbeitskräftemangel zum Nachteil aller zu, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da müssen wir was tun.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Leider – das wurde auch schon ausgeführt – kommt es immer wieder zu Rechtsverstößen: Unterschreitung des Mindestlohns, Überschreitung der Lenkzeiten, ungerechtfertigte Lohnabzüge, um nur einige zu nennen. Nicht alles ist im Entsenderecht geregelt. Manches kommt aus dem Mobilitätspaket oder ergibt sich aus der Kombination der beiden Rechtskreise, was die Materie noch komplizierter macht, als sie ohnehin schon ist. Deshalb ist es im Interesse aller Betroffenen umso wichtiger, dass geltendes Recht auch wirksam durchgesetzt wird.
Seien wir ehrlich: Das Risiko, erwischt zu werden, war und ist im Moment gering. Aber das wird sich ändern. Ab August werden intelligente Fahrtenschreiber eine Fernauslesung der Daten möglich machen, was die Effizienz von Kontrollen um ein Vielfaches steigern wird. Einmal mehr zeigt sich: Digitalisierung hilft, geltendes Recht durchzusetzen. Das sollte uns auch die Blaupause für viele andere Problemfelder sein.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Annika Klose [SPD])
Wirksame Rechtsdurchsetzung schützt Fahrer und anständige Spediteure gleichermaßen. Speditionen, die sich an geltendes Recht halten, die ordentlich zahlen, dürfen keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber denen haben, die sich nicht an Recht halten, liebe Kolleginnen und Kollegen; das ist uns sehr wichtig. Für die vielen anständigen Spediteure dürfen wir als Gesetzgeber aber auch an anderer Stelle keinen Wettbewerbsnachteil zulassen. Allzu oft neigen Ministerien – manchmal auch das Parlament – dazu, an allen Ecken und Enden der ohnehin komplizierten EU-Richtlinien noch weitere Regelungen anzudocken. Wir nennen das „Gold-Plating“.
Das vorliegende Gesetz verzichtet darauf. Es leistet, was zu leisten ist, und das ist gut so. Das hilft nicht nur gegen unnötige Bürokratie und komplizierte Umsetzung; es schützt auch unseren Binnenmarkt vor noch mehr Fragmentierung. Wir Freien Demokraten begrüßen ausdrücklich, dass dem Haus von Arbeitsminister Heil hier eine sehr gute Eins-zu-eins-Umsetzung gelungen ist. Das wünschen wir uns öfter, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Manuel Gava [SPD], Wilfried Oellers [CDU/CSU] und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Besonders gelungen ist auch die Öffnung des Binnenmarkt-Informationssystems IMI; es kam schon zur Sprache. Das kommt dem One-Stop-Shop, den wir Freie Demokraten uns für viele Entsendungen wünschen, schon sehr nahe und schiebt auch den protektionistischen Fantasien einen kleinen Riegel vor, die wir leider, leider im Bereich der Entsendungen in Europa immer wieder beobachten.
Zum Schluss ein Wort zu den skandalösen Vorkommnissen in Gräfenhausen, die Wolfgang Strengmann-Kuhn – ich gehe davon aus, dass er gleich davon berichten wird – uns geschildert hat. Mit Verlaub: Das ist eine riesengroße Sauerei. Ich fordere die polnischen Auftraggeber auf, allen georgischen und usbekischen Fahrern unverzüglich das geschuldete Geld auszuzahlen. Wenn jemand glaubt, dass die Fahrer den Speditionen etwas schulden, dann kann er ja den Rechtsweg beschreiten. Aber das Geld einzubehalten, das geht nicht. Das muss korrigiert werden. Und Recht selbst in die Hand zu nehmen, das geht schon dreimal nicht.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Jetzt freuen wir uns auf die weiteren Beratungen im Ausschuss und auf eine hoffentlich breite Zustimmung bei der Verabschiedung des Gesetzes.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Cronenberg. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Pascal Meiser.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553241 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Grenzüberschreitende Durchsetzung des Entsenderechts |