27.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 100 / Zusatzpunkt 6

Franziska KerstenSPD - Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen durch die BVVG

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Einheit ist jetzt schon über 30 Jahre her; aber immer noch ist sie nicht vollständig umgesetzt. Hierzu gehört auch der Umgang mit den Ergebnissen der Bodenreform und den ehemals volkseigenen Flächen der DDR, die jetzt die BVVG verwaltet.

Als ostdeutsche Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt ist es mir ein sehr wichtiges Anliegen, dass für die noch verbliebenen 96 000 Hektar endlich eine abschließende und für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung gefunden wird.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ina Latendorf [DIE LINKE])

Hierfür habe ich mich schon im Rahmen der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2021 starkgemacht, und zwar gemeinsam mit unserem Landwirtschaftsminister aus Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Aber die Ampel macht’s seit zwei Jahren!)

Die Aussagen im Koalitionsvertrag weisen in eine klare Richtung. Da sind zunächst die Flächen, die für das Nationale Naturerbe vorgesehen sind. Die Bereitstellung dieser Flächen wurde bereits im Koalitionsvertrag 2017 beschlossen. 2018 haben sich die BVVG und das Bundesamt für Naturschutz zusammengesetzt und anhand einer vorab vereinbarten Kriterienliste eine Flächenkulisse in Nationalparks, Biosphärenreservaten, aber auch entlang des Grünen und Blauen Bandes erarbeitet. 8 000 Hektar wurden schon in der letzten Legislaturperiode konkret festgelegt.

Hierauf aufbauend werden in dieser Legislaturperiode abschließend weitere 17 500 Hektar in das Nationale Naturerbe überführt. 7 700 Hektar aus dieser Tranche sollen an Naturschutzträger, wie beispielsweise die Landesforstverwaltungen, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt oder die Michael-Succow-Stiftung, übertragen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Karl Bär [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit diesen Flächen wollen wir einen wichtigen Beitrag zu mehr Natur- und Klimaschutz leisten. Ich denke da insbesondere an die Flächen, die durch Wiedervernässung von Moorböden einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele leisten können.

Ein schönes Beispiel aus meinem Wahlkreis ist das Große Bruch, ein ehemaliges Niedermoorgebiet im Grünen Band. Die naturräumliche Ausstattung, die Artenvielfalt und die Funktion im Biotopverbund machen das Große Bruch auch aus Naturschutzsicht besonders schützenswert.

Eine Studie der Hochschule Bernburg hat schon vor über zehn Jahren einen Weg aufgezeigt, wie die Wiedervernässung bzw. die Renaturierung vor Ort Akzeptanz findet: durch niedrige Pachtpreise, durch die Förderung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und durch eine halbextensive Weidenutzung. Mehr Weidehaltung sehe ich dabei als zentrales Element beim Umbau der Nutztierhaltung. Jetzt haben wir endlich die Chance, hier wirklich voranzukommen – eine Win-win-Situation.

Die restlichen 9 800 Hektar im Nationalen Naturerbe – dies sind vor allem landwirtschaftliche Flächen – bleiben zunächst bei der BVVG und sollen perspektivisch auf die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übertragen werden, als sogenanntes Naturerbe Bund.

Auch für die verbliebenen immerhin 70 500 Hektar der BVVG

(Zuruf des Abg. Dieter Stier [CDU/CSU])

gibt der Koalitionsvertrag eine klare Regelung vor. Diese Flächen sollen vorrangig an nachhaltig und ökologisch wirtschaftende Betriebe verpachtet und nicht mehr veräußert werden. Auf diese Weise wollen wir eine vielseitige Agrarstruktur sicherstellen und einen Beitrag zu einer regionalen und resilienten Landwirtschaft leisten.

Hier hat es sehr lange gedauert, bis ein Kompromiss gefunden war. Darum bin ich auch immer wieder an die beteiligten Ministerien herangetreten, um eine Lösung und die Erfüllung des Koalitionsvertrages einzufordern. Ich hoffe, dass wir jetzt eine gute Lösung gefunden haben.

Der Entwurf der sogenannten Flächenmanagementgrundsätze 2023 liegt vor und wird derzeit mit den Ländern und Verbänden abgestimmt. Für die Bestimmung der Nachhaltigkeit eines Betriebes wurde ein ganzer Katalog an Kriterien erarbeitet. Sie können davon ausgehen, dass neben ackerbaulichen Maßnahmen und Tierwohlstandards auch die Ortsansässigkeit, die Junglandwirteförderung und die Existenzgründung eine wichtige Rolle spielen. Selbstverständlich wird auch an den Ökolandbau gedacht. Außerdem haben die Länder kleinere Ausschreibungslose gefordert, um auch so einen Beitrag zu einer vielseitigen Agrarstruktur zu leisten.

Sie sehen, meine Damen und Herren von der Linken: Die Forderungen aus Ihrem heute vorliegenden Antrag sind alle schon durchdacht und, soweit sinnvoll, in diesen Prozess eingearbeitet worden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Bundesländern habe ich das Signal, dass man froh darüber ist, nun endlich eine Arbeitsgrundlage zu haben. Ganz wichtig wird bei der weiteren Umsetzung der Flächenverpachtung die Einbeziehung der Expertise der Landgesellschaften und Flächenagenturen sein, weil sie die agrarstrukturellen Verhältnisse vor Ort am besten kennen. Als ehemalige Geschäftsführerin einer gemeinnützigen Landgesellschaft kann ich aus Erfahrung berichten und muss daher diese Forderung an BMF und BMEL auch heute wieder stellen.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Hört!)

Außerdem muss das ganze Verfahren nach einem Jahr evaluiert werden, um gegebenenfalls nachsteuern zu können.

Insgesamt kann ich zusammenfassen: Es ist uns nach langem Ringen gelungen, allen Beteiligten zufriedenstellende Lösungen anzubieten. Damit haben wir in dieser Legislaturperiode die so bisher noch nie dagewesene Chance, dieses Kapitel der deutschen Einheit endlich abzuschließen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank Frau Kollegin Dr. Kersten. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dieter Stier, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553251
Wahlperiode 20
Sitzung 100
Tagesordnungspunkt Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen durch die BVVG
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