Sylvia LehmannSPD - Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen durch die BVVG
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussion zeigt es: Sobald es um Grund und Boden, also um Eigentum, geht, wird es kompliziert.
Was 1945 unter dem Motto „Junkerland in Bauernhand“ in der sowjetisch besetzten Zone begann, beschäftigt uns noch heute in Ausschüssen und in Plenardebatten wie dieser. Die Idee war, Großgrundbesitzer zu enteignen, Land aufzuteilen und es an Geflüchtete oder Landarbeiter zu vergeben.
Seit 1992 privatisiert die Bodenverwertungs- und ‑verwaltungs GmbH, kurz: BVVG, diese ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Seit 1992 wurden unter anderem 893 000 Hektar zur landwirtschaftlichen und 600 000 Hektar zur forstwirtschaftlichen Nutzung verkauft. Nun sind noch 96 000 Hektar – heute schon mehrmals gesagt – übrig.
Die Neuausrichtung der Landwirtschaft veranlasst uns als SPD-Bundestagsfraktion, die Verkaufs- und Verpachtungstätigkeit der BVVG grundsätzlich neu zu regeln. Deshalb haben wir als SPD dieses Thema in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Die neuen Flächenmanagementgrundsätze müssen nun den Herausforderungen der Landwirtschaft – wie Klima-, Arten- und Tierschutz, Biodiversität sowie Generationswechsel und Regionalisierung – gerecht werden. Derzeit wird diese Neuausrichtung in einem umfassenden Verfahren mit den beteiligten Bundesländern abgestimmt.
(Dieter Stier [CDU/CSU]: Seit zwei Jahren!)
Neu ist – erstens –, dass der größte Teil der BVVG-Agrarflächen künftig verpachtet und nicht mehr veräußert werden soll.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ina Latendorf [DIE LINKE])
Hierbei legen wir den Fokus besonders auf ökologisch bzw. nachhaltig wirtschaftende Betriebe. Kriterien wie „Zertifizierung“, „Tierwohllabel“, „Ortsansässigkeit“, „Existenzgründung“ und „Junglandwirtinnen und ‑landwirte“ sollen bei der Vergabe ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen.
Neu ist weiterhin – zweitens –, dass naturschutzfachlich besonders wertvolle Flächen in das Nationale Naturerbe übertragen werden und – drittens – dass bis 2024 nur noch 2 000 Hektar land- und forstwirtschaftliche Flächen pro Jahr verkauft werden, und das zweckgebunden. Existenzgründerinnen und ‑gründern, die schon seit Jahren darauf hinarbeiten und fest auf die BVVG zählen, ermöglichen wir so, auf eigenem Land und Boden ihren eigenen kleinen Betrieb zu gründen. Wir geben also Planungssicherheit. Ein abrupter Verkaufsstopp für alle Flächen, wie es die Linken im Antrag fordern, würde die Pläne zahlreicher Landwirtinnen und Landwirte zunichtemachen.
Bei der Ausrichtung auf Ökologie und Nachhaltigkeit setze ich hohe Erwartungen in die Bundesländer. Diese Fokussierung ist ein wichtiger Baustein zur Umsetzung der Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft.
(Beifall der Abg. Peggy Schierenbeck [SPD])
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, wie Sie den bisherigen Ausführungen entnehmen, ist der Antrag entbehrlich. Auch wenn alles ein wenig gedauert hat: Wir befinden uns längst auf der Zielgeraden. Dabei haben wir viele Punkte Ihres Antrages – das ist auch schon deutlich geworden – bereits umgesetzt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Herr Thies, was sagen Sie jetzt?)
Dass das System greift und dass Reichsbürger oder Anhänger terroristischer Gruppen Flächen schon jetzt nicht erhalten, sollte das Beispiel von Heinrich XIII. Prinz Reuß belegen. Obwohl er einen Rechtsanspruch auf den Erwerb hatte, nutzte die BVVG ihren Ermessensspielraum und lehnte ab.
Die BVVG wurde vonseiten der Landwirte wegen zu hoher Preise immer wieder kritisiert. Verständlicherweise greifen Sie das als Linksfraktion auf. Eine pauschale Aussage ist jedoch falsch. Insgesamt hängt die Beliebtheit der BVVG sehr von individuellen Erfahrungen und Perspektiven ab.
Die BVVG-Flächen kostenfrei in das Eigentum der Länder übertragen zu wollen, entbehrt einer fachlichen Grundlage; denn mit der Neuregelung kann die BVVG allen Nachhaltigkeitserfordernissen sehr wohl Rechnung tragen. Hinzu kommt, dass diese Änderungen im Einvernehmen mit den ostdeutschen Ländern entwickelt und von allen Beteiligten unterzeichnet werden.
Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Ich bedanke mich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553258 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen durch die BVVG |