28.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 101 / Tagesordnungspunkt 20

Markus ReichelCDU/CSU - Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über Aus- und Weiterbildung, also das Thema Nummer eins für unsere Fachkräftesicherung. Thema Nummer eins wiederum für unsere deutsche Wirtschaftspolitik sollte der deutsche Mittelstand sein. Auf dem Mittelstand muss und sollte auch ein besonderer Fokus des Gesetzes liegen. Mit Erlaubnis der Präsidentin will ich aus Ihrer Fachkräftestrategie, Herr Minister, zitieren. Dort haben Sie geschrieben:

Für kleine und mittlere Unternehmen … ist es deutlich schwieriger, ihre Beschäftigten für Weiterbildungen freizustellen, ohne hierdurch den laufenden Betrieb zu beeinträchtigen. Die Belange von KMU werden daher besonders im Rahmen von Initiativen zur Stärkung von Weiterbildung berücksichtigt.

Jetzt stelle ich Ihnen, Herr Minister, die Frage: Ist eigentlich ein Gesetzentwurf eine Initiative? Ich glaube nicht. Ich muss so fragen; denn in Ihrem Gesetzentwurf tauchen die kleinen und mittleren Unternehmen in keiner Weise auf.

(Mareike Lotte Wulf [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Schon rein quantitativ kommt das Wort „KMU“ im gesamten Text – immerhin 60 Seiten – einschließlich Begründung nur an zwei Stellen vor, das Wort „Mittelstand“ einmal, das Wort „mittelständisch“ keinmal. In Ihrer Rede haben Sie es einmal verwendet. Das ist eine vertane Chance für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Mittelstand. Wir kritisieren das scharf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Warum betone ich die Bedürfnisse der kleinen und mittleren Unternehmen so? Weil hier 55 Prozent der Arbeitnehmer arbeiten. Es gibt ja mehrere Studien zu den Besonderheiten. Das KfW-Mittelstandspanel zeigt, dass nur ein Drittel der KMU Weiterbildung selbst durchführt. Das IAB zeigt, dass viele Betriebe die Weiterbildungsaktivitäten der Bundesagentur für Arbeit gar nicht kennen. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung zeigt, dass die Weiterbildungsaktivitäten bei kleinen und mittleren Unternehmen zwar zunehmen, aber vor allem kleine Unternehmen haben angegeben, dass sie im Endeffekt im Tagesablauf nicht die Zeit dafür haben.

Jetzt ist die Frage, wie man das auf den Gesetzentwurf aus Sicht der KMU anwendet. Ich muss sagen: Was grundsätzlich fehlt, ist, dass Sie die Probleme bei der Bekanntheit, bei der Vorbereitung, bei der Planung, bei der Organisation in den kleinen und mittleren Unternehmen adressieren. Wir müssen darüber sprechen, wie das weiterentwickelt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann zu den konkreten Änderungen bei der Förderung Beschäftigter. Selbstverständlich, dass Sie Vereinfachungen einführen, das fördert Transparenz; das ist gut. Aber wir haben noch ein paar Verbesserungsvorschläge. Die Mindestzahl von 120 Stunden beispielsweise sollte noch mal hinterfragt werden. Neben der Weiterbildung nur außerhalb des Betriebs oder bei einem qualifizierten Träger sollte auch die Qualifizierung im Betrieb ermöglicht werden, sonst machen wir doch ganz praxisferne Weiterbildung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und wir müssen über alternative Qualitätssicherungsmaßnahmen reden. Da hat im Übrigen das ausgelaufene Bundesprogramm Bildungsprämie eine ganze Reihe von Erkenntnissen gebracht.

Ich muss sagen: Die Linke hat in Ihrem Antrag einige Fragen zur Erhöhung der Attraktivität der Weiterbildung für Geringverdiener zu Recht angesprochen. Darüber müssen wir im Ausschuss sprechen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nun zum Qualifizierungsgeld. Also, das ist wirklich überflüssig.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)

Es erhöht die Unübersichtlichkeit der bestehenden Förderprogramme. Dass bereits Kleinunternehmen eine Betriebsvereinbarung oder eine betriebsbezogene Tarifvereinbarung vorweisen müssen, Herr Minister, ist lebensfern.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Jetzt zur beruflichen Ausbildung. Wir unterstützen alle sinnvollen Maßnahmen. Kollegin Wulf hat das hier angesprochen: Berufsorientierungspraktikum, Flexibilisierung bei der Einstiegsqualifizierung, eventuell auch die Mobilitätsgarantie, wobei das auch im Kontext mit dem Deutschlandticket sowieso noch mal neu besprochen werden muss. Aber, Herr Minister, was Sie jetzt hier als Ausbildungsgarantie anbieten, das ist, ehrlich gesagt, etwa genauso viel wert, als wenn Herr Minister Wissing eine Pünktlichkeitsgarantie der Deutschen Bahn geben würde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer gegenwärtig eine Ausbildungsstelle sucht, findet sie auch. Bei den folgenden Berufen liegen enorme Engpässe vor – das ist nur beispielhaft –: Restaurantfachmann/-fachfrau, Fleischer, Klempner, Beton- und Stahlbetonbauer. Zusätzliche Möglichkeiten für außerbetriebliche Ausbildung machen doch den bestehenden Ausbildungsplätzen eher Konkurrenz. Und außerdem glauben Sie, ehrlich gesagt, anscheinend selbst nicht so richtig an den Sinn Ihrer Maßnahme, sonst würden Sie in der Gesetzesbegründung nicht mit so geringen Nachfragezahlen arbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viel wichtiger als Ihre Ausbildungsgarantie wäre, dass alle Länder endlich die Möglichkeit zur Weitergabe der Daten von Jugendlichen ohne Folgeperspektive an die BA umsetzen. Da sind die Länder gefordert; da bin ich bei Ihnen. Aber da müssen Sie auch regelmäßig Druck machen.

Außerdem will ich auch sagen: Es wäre gut, wenn wir mehr auf die Vorstellungen aus der Praxis hören. Zum Beispiel die Neuordnung der Ausbildung zum Fachverkäufer im Nahrungsmittelgewerbe – nur als ein Beispiel – wurde aus der Praxis erarbeitet und liegt seit einem Jahr zur Bestätigung vor, und das Ministerium kriegt es nicht hin, sie zu bestätigen. Das geht so nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN)

Lassen Sie mich noch einige Worte zur Teilhabe sagen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass eine Reihe von Verbesserungen aus teilhabepolitischer Sicht in das Gesetz aufgenommen wurde. Aber wir müssen auch über die Hürden für inklusive Ausbildung in den kleineren und mittelständischen Unternehmen sprechen. Da geht es vor allem um die Frage, welche Zusatzqualifikationen unter welchen Bedingungen man dort haben wird, also das Thema ReZa. Darüber müssen wir im Ausschuss sprechen.

Zusammenfassend will ich sagen: Das Gesetz geht nicht ausreichend auf die Herausforderungen bei kleinen und mittleren Unternehmen ein. Vereinfachung bei der betrieblichen Weiterbildung begrüßen wir natürlich. Aber das Qualifizierungsgeld ist überflüssig. Bei der Berufsbildung gibt es einige gute Regelungen, aber die Ausbildungsgarantie gibt Fehlanreize. Wir freuen uns auf die weiteren Beratungen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553322
Wahlperiode 20
Sitzung 101
Tagesordnungspunkt Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung
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