Peggy SchierenbeckSPD - Kommunalgipfel, Asyl- und Migrationspolitik
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Tagesordnungspunkt für heute gesehen habe, habe ich gedacht: Dazu möchte ich etwas sagen. Als ich dann den Antrag vorliegen hatte, habe ich gedacht: Dazu muss ich auch etwas sagen. – Als ich mit dem Lesen des Antrags fertig war, habe ich gedacht:
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Da muss ich zustimmen!)
O Gott, habe ich was verpasst? – Denn wer diesen Antrag der Union liest, der bekommt den Eindruck, dass wir hier überall in unhaltbaren Zuständen leben würden.
(Josef Oster [CDU/CSU]: Ja!)
Wenn ich nur das Deutschland aus Ihrem Antrag kennen würde, dann würde ich hier auch nicht unbedingt leben wollen.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Aha!)
Nun bin ich ja nicht nur Bundestagsabgeordnete; ich bin auch Kreistagsabgeordnete, und ich bin Ratsfrau.
(Enrico Komning [AfD]: So was will ich auch machen!)
Tatsächlich mache ich andere Erfahrungen als das, was in diesem Antrag beschrieben wird. In meinem Wahlkreis ist die Lage nämlich insgesamt eher entspannt.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Aha! Sehr gut!)
Wir bringen alle Geflüchteten unter und haben sogar vereinzelt Kapazitäten frei.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ich sage meiner Landrätin Bescheid!)
Aber um sicherzugehen, dass mein Wahlkreis nicht nur ein glücklicher Einzelfall ist, habe ich noch ein paar Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hohen Hause gefragt:
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ah! Hätten Sie einfach mal einen Bürgermeister gefragt!)
Wie sieht es denn bei euch aktuell aus?
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Jetzt kommen belastbare Zahlen!)
Die einen sagten: „Entspannt“ oder: „Alles ist so weit gut.“ Die anderen sagten: „An manchen Stellen ist es schon ein bisschen eng.“
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ach Gottchen, Sie hat gar keinen Wahlkreis!)
Das Deutschland aus dem Antrag der Union, in dem es überall so eng ist wie in einer Sardinenbüchse, ist übertrieben.
Nun will ich die Situation nicht bagatellisieren. Wir stehen an manchen Stellen vor sehr, sehr großen Herausforderungen. Da dürfen wir die Kommunen nicht alleinlassen, und – welche Überraschung, liebe Union! – das tun wir auch nicht. Wir unterstützen die Länder und Kommunen, finanziell zum Beispiel. Vergangenes Jahr gab es 4,4 Milliarden Euro – diese Summe haben Sie heute schon häufiger gehört –, in diesem Jahr sind es 2,75 Milliarden Euro bis jetzt. Dieses Geld wird vom Bund an die Länder gegeben. Von den Ländern soll es an die Landkreise weitergegeben werden, und die sollen und werden es an die Kommunen weitergeben.
(Beifall bei der SPD)
Auf Wunsch der Kommunen haben wir sogar einen Rechtskreiswechsel vollzogen – das haben auch Sie bestimmt schon mal gehört –: weg von den Asylbewerberleistungen, die von den Kommunen getragen werden, und hin zu den Leistungen nach Sozialgesetzbuch. Diese Kosten trägt zum größten Teil der Bund, zum Beispiel das Bürgergeld und zu einem großen Teil eben auch die Unterkunftskosten.
Wir kümmern uns auch, wenn es um mehr als nur Geld geht. Es gab am 16. Februar dieses Jahres einen Flüchtlingsgipfel
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ein Gipfelchen!)
mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Dort konnten die Beteiligten ihre Belange vortragen. Am 10. Mai wird es einen weiteren Gipfel geben; auch das wissen Sie, liebe Union.
(Beifall bei der SPD)
Den Vorwurf, dass wir uns nicht um unsere Kommunen kümmern, weise ich also entschieden zurück.
In Ihrem Antrag wünschen Sie sich, dass die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, begrenzt wird. Sie wünschen sich eine Obergrenze.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das wollen auch grüne Landräte!)
Dann frage ich Sie: Wie stellen Sie sich das vor? Steht da jemand, wie wir das von Veranstaltungen kennen, am Eingang und zählt, und, wenn die Obergrenze, die Sie nicht definiert haben, erreicht ist, wird gesagt: „Sorry, ist voll jetzt, geht nicht mehr“? Was sagen Sie dann zu den Menschen, die Schutz suchen, die nicht mehr reinkommen? Ich sage Ihnen ganz klar: Mit uns wird es keine Obergrenze geben. Denn Menschlichkeit hat keine Obergrenze.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In Ihrem Antrag stellen Sie fest, dass es zu wenig Wohnraum, Kinderbetreuung und Lehrkräfte, medizinisches Personal und behördliche Kapazitäten gibt. Liebe Union, das haben wir auch schon festgestellt. Deswegen arbeiten wir daran. Wir versuchen aber nicht, alle Probleme des Landes mit einem Antrag zu lösen. Wir gehen wohlbedachte Schritte, zum Beispiel im Bereich der Planungsbeschleunigung oder der Fachkräfteeinwanderung. Jede und jeder in dieser Fraktion, in dieser Regierung gibt sein Bestes, um die aktuellen Probleme zu lösen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das reicht aber nicht!)
An dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen Menschen bedanken, die jeden Tag ihr Möglichstes tun, um die Auswirkungen dieses Krieges und dieser Fluchtbewegung abzufedern, so gut es eben geht, sei es in den Kitas oder in den Schulen, sei es in den Ämtern und Behörden. Dank gilt allen, die ihren Wohnraum teilen, die Deutschnachhilfe geben und ihren Beitrag leisten, sei es nun hauptamtlich oder ehrenamtlich, damit sich die Menschen, die hierher fliehen, willkommen fühlen.
Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Schierenbeck. – Nun hören wir die Ausführungen des Kollegen Thorsten Frei, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553348 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 101 |
Tagesordnungspunkt | Kommunalgipfel, Asyl- und Migrationspolitik |