Thorsten FreiCDU/CSU - Kommunalgipfel, Asyl- und Migrationspolitik
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Demokraten brauchen Lösungen, sonst schaffen sie andere, die Blauen und die Braunen, in einigen Jahren. Das will ich nicht. – Das ist eine Äußerung, die nicht von mir stammt, sondern vom Bürgermeister von Gernsbach in Baden-Württemberg, übrigens ein SPD-Mitglied.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Aha!)
Er hat diese Äußerung bei unserem Kommunalgipfel am 30. März dieses Jahres im Paul-Löbe-Haus gemacht. Er weist damit auf die Konsequenzen hin, die es geben kann, wenn die Kommunen in der Migrationskrise mit ihren Belastungen alleine gelassen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Dort ist sehr deutlich geworden: Wir hatten 400 Teilnehmer, Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landräte, Fachleute aus diesem Bereich, und zwar über die Parteigrenzen hinweg. Eine Botschaft war, dass wir auch in Zukunft den Menschen, die schutzsuchend nach Deutschland kommen, Sicherheit und Schutz bieten möchten. Aber es ist eben auch ein Fakt, dass Ressourcen begrenzt sind, dass viele Kommunen an ihren Belastungsgrenzen sind, dass auch viele Kommunen bereits über die Belastungsgrenzen hinausgegangen sind.
Wenn Sie sich das einmal anschauen, dann muss man doch sagen: Die Probleme sind vielfältiger. Es geht darum, dass genügend Kitaplätze da sind. Es geht um Schulen. Es geht um fehlendes Personal. Es geht um fehlenden Wohnraum. Die Ressourcen sind begrenzt. Deshalb müssen wir konstatieren, dass Deutschlands Infrastruktur in der Breite auf einen Zustrom dieses Ausmaßes nicht vorbereitet ist. Das Einzige, was der Bundesinnenministerin dazu einfällt, ist: Humanität kennt keine Obergrenze. – Sie haben das ebenfalls zitiert, verehrte Frau Schierenbeck.
(Zuruf der Abg. Peggy Schierenbeck [SPD])
Ich muss sagen: Das ist eine Banalisierung der Herausforderungen der Kommunen. Sie moderieren etwas weg, was da ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will das jetzt gar nicht bewerten, sondern ich will die Bewertung einem anderen Kommunalpolitiker überlassen, übrigens auch von der SPD; vor wenigen Tagen stand es in der „Welt“. Es ist die Bewertung des Landrats von Märkisch-Oderland hier in Brandenburg. Er hat diesen Hinweis als das bezeichnet, was er ist, nämlich als eine moralisierende Scheinheiligkeit, und sonst gar nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Jetzt mal die Lösung! – Weitere Zurufe)
– Ich zitiere nur einen SPD-Politiker.
Ich will auf einen zweiten Punkt hinweisen. Die Bundesinnenministerin tut so, als könne sie bei diesen Problemen gar nicht helfen. Sie hat in einem Interview mit der Funke Mediengruppe noch Anfang dieses Monats gesagt, acht von zehn Geflüchteten seien aus der Ukraine. Diese Zahl ist nachweislich falsch.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Aha! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: 2022!)
Richtig ist, dass von denen, die zwischen März letzten Jahres und März dieses Jahres zu uns gekommen sind, 80 Prozent in den ersten sechs Monaten, also bis August letzten Jahres, zu uns gekommen sind.
(Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Richtig ist, dass in den ersten drei Monaten dieses Jahres fast 90 000 Asylanträge gestellt worden sind. Dazu kommen 81 000 Schutzsuchende aus der Ukraine.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist ein ganz anderer Zeitraum!)
Das bedeutet: Die Wahrheit ist, die Mehrheit der Menschen, die schutzsuchend zu uns kommen, kommt nicht aus der Ukraine, sondern aus anderen Regionen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Carolin Bachmann [AfD])
Die kommen aus dem arabischen Raum. Die kommen aus Afrika. Die kommen aus Asien.
Was will ich jetzt damit sagen? Erstens. Es ist bedenklich, wenn die Innenministerin die Zahlen ihres eigenen Hauses nicht kennt.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Anders als Sie hat sie es verstanden!)
Es ist aber wahrscheinlicher, dass Sie ganz bewusst mit der Verzerrung dieser Zahlen die Öffentlichkeit irreführen und täuschen möchten. Das ist die Realität.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Die Wahrheit ist, verehrte Frau Innenministerin, Sie haben qua Amt alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, eine Migrationspolitik zu machen, die den Herausforderungen wirklich gerecht wird.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ist es!)
Herr Kollege Frei, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Ja, gerne.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Sie beziehen sich ja bei Ihren Aussagen auf einen Zeitraum, der jetzt gerade ist. Wir reden eigentlich von dem Zeitraum letzten Jahres. Das heißt für Sie, wir erzählen nicht die Wahrheit. Aber ein Punkt ist mir dann schon noch mal wichtig.
Wer erzählt nicht die Wahrheit?
Ich komme sofort dazu. – Sie haben von den Gruppen gesprochen, die jetzt gerade einwandern: Syrer, Afghanen. Erklären Sie uns doch mal, wie wir diese Menschen ablehnen sollen und wohin diese Menschen dann zurück abgeschoben werden sollen, wenn es nach Ihrer Vorstellung ginge. Erklären Sie mir bitte, wie das gehen soll.
Frau Kollegin, das erkläre ich Ihnen gerne. Ich möchte sagen, dass wir trennen müssen zwischen denen, die schutzsuchend zu uns kommen, und denen, die vorgeben, asylberechtigt zu sein, obwohl eine Verwaltungsentscheidung oder auch zusätzlich eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung das Gegenteil festgestellt hat.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)
Ihre Asyl- und Migrationspolitik läuft darauf hinaus, dass jeder Mensch, der es nach Deutschland geschafft hat, auch hierbleibt.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das war bei der CDU leider genauso 16 Jahre lang!)
Das ist etwas, was nicht akzeptabel ist, was zu diesen Problemen führt. Tatsächlich – meine Vorredner haben das ausgeführt – kann man diese Probleme nicht allein mit Geld lösen.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ist es!)
Die Kommunen brauchen Geld und Unterstützung; André Berghegger hat es sehr deutlich formuliert. Aber sie brauchen vor allen Dingen auch, dass nicht nur an den Symptomen herumgedoktert wird, sondern auch die Ursachen beseitigt werden. Deshalb müssen wir eine konsequente Migrationspolitik machen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Jürgen Coße [SPD] – Carolin Bachmann [AfD]: Sie glauben doch selber nicht, was Sie da sagen, oder?)
Ich darf Ihnen sagen: Wir haben in unserem Antrag niedergelegt, was wir für richtig halten. Aber wir brauchen gar nicht so weit zu gehen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die von der Frau Bundesinnenministerin eingesetzt wurde, hat am 19. April ihren Ergebnisbericht vorgelegt. Der Kollege Throm hat vieles davon erwähnt. Ich kann noch mal stichwortartig sagen: Es geht um sofort wirksamen Grenzschutz.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)
Es geht darum, auch die Möglichkeit von Zurückweisungen zu eröffnen. Es geht um die Revitalisierung von AnkERzentren.
(Zurufe von der SPD)
Es geht um die Verlängerung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. All das sind Punkte, die man umsetzen kann.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Antwort auf meine Frage!)
– Ja, natürlich, selbstverständlich.
Frau Kollegin, wir machen hier keine Dialoge.
Ich möchte nur noch einen Satz sagen, wenn ich darf.
(Zurufe von der SPD)
Sie dürfen den Satz noch sagen, Herr Kollege Frei. Es gibt auch noch weitere Nachfragen, und Sie können Ihre Redezeit verdreifachen, wenn das so weitergeht.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will diesen Satz noch sagen. Sie sind von der grünen Fraktion. Im Deutschen Bundestag haben wir in der letzten Legislaturperiode in der Großen Koalition beschlossen, dass wir Algerien, Tunesien, Marokko und Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten machen.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)
Wir haben das hier im Deutschen Bundestag beschlossen. Sie und Ihre Partei haben es im Bundesrat aufgehalten und verhindert.
(Beifall bei der CDU/CSU – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Im Bundesrat! Genau! – Zurufe der Abg. Tobias B. Bacherle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Allein letztes Jahr sind 10 000 Menschen aus Georgien nach Deutschland gekommen, mit einer Schutzquote von 0,4 Prozent. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Verfahren so lange dauern. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Rückführungen dann kaum mehr funktionieren können.
(Enrico Komning [AfD]: Dann machen Sie es doch mit uns!)
Sie sind dafür verantwortlich, dass alle, die hierherkommen, auch hierbleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie haben meine Frage nicht verstanden!)
Bitte, Frau Kollegin, noch mal: Wir sind hier nicht im Ausschuss oder im Dialog, sondern: Sie haben gefragt; er hat geantwortet.
Herr Kollege Frei, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Bünger aus der Fraktion Die Linke zu?
Gerne.
Bitte. Danach lasse ich aber keine weiteren Zwischenfragen zu.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Frei, weil Sie es jetzt selber angesprochen haben: Ich habe noch einmal in Ihren Antrag geschaut. Darin haben Sie gesagt: Die meisten haben offensichtlich keinen Anspruch auf Schutz in Deutschland. – Da wollte ich Sie noch mal fragen: Wie geht das überein mit der Realität – heute wird ganz wenig über Realität gesprochen –, dass die bereinigte Schutzquote bei über 70 Prozent liegt?
(Tino Chrupalla [AfD]: Jetzt geht das wieder los!)
Wie können Sie dann vertreten, dass die meisten keinen Schutzanspruch haben? Ich verstehe es nicht.
(Zuruf von der AfD: Sehen Sie den Tatsachen ins Auge! – Weitere Zurufe von der AfD)
Also, Frau Bünger, es kommt natürlich immer darauf an, woher genau die Menschen kommen.
(Daniel Baldy [SPD]: Hört! Hört! – Weitere Zurufe von der SPD)
Tatsächlich ist es so, dass die Schutzquote für viele verschiedene Länder in den letzten Wochen gestiegen ist.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In den letzten Wochen? Im letzten Jahr!)
Wir haben zunehmend Asylanträge aus Syrien, aus Afghanistan, aus der Türkei, die auch tatsächlich berechtigt sind.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Aha! – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zunehmend? Sie sind berechtigt!)
Wir möchten, dass diejenigen, die schutzberechtigt nach Deutschland kommen, auch aufgenommen werden. Wir möchten, dass sie auch integriert werden können.
(Zurufe der Abg. Gülistan Yüksel [SPD] und Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Um genau das zu erreichen, müssen wir es schaffen, dass diejenigen, die nicht schutzberechtigt sind, schnell wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Ich lasse keine weitere Zwischenfrage zu. – Herr Kollege Frei, Sie können Ihre Rede jetzt beenden.
(Zuruf der Abg. Peggy Schierenbeck [SPD])
Ich will zusammenfassend sagen: Frau Bundesministerin, die Vorschläge, die diese Expertengruppe am 19. April vorgelegt hat, werfen eigentlich ein grelles Licht auf den politischen Bankrott Ihrer Migrationspolitik.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist ja lächerlich! Peinlich!)
Sie könnten diese Dinge umsetzen. Sie haben die Instrumente, Sie haben die Mehrheit dazu, Sie haben die Potenziale.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ist es! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist Seehofers und Merkels Erbe!)
Eines muss man doch ganz deutlich sagen: Es geht darum, die Akzeptanz für das Asylrecht auch in der Zukunft aufrechtzuerhalten.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist reiner Wahlkampf! Peinlich!)
Wenn man es nicht schafft, mit dem Asylrecht die irreguläre Migration zu beenden, dann besteht die Gefahr, dass die irreguläre Migration das Asylrecht beendet, und dafür haben Sie dann die Verantwortung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Peggy Schierenbeck [SPD]: Wir übernehmen Verantwortung!)
Vielen Dank, Herr Kollege Frei. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Brian Nickholz, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553349 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 101 |
Tagesordnungspunkt | Kommunalgipfel, Asyl- und Migrationspolitik |