28.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 101 / Tagesordnungspunkt 22

Jürgen HardtCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Niger (EUMPM Niger)

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Danke schön, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sahel ist eine der Schlüsselregionen für die Weltpolitik, eine der Schlüsselregionen für die Entwicklung Afrikas. Die Entwicklungen in Afrika sind eben auch maßgeblich und entscheidend nicht nur für die Menschen auf diesem Kontinent, sondern auch für uns in Europa.

Wenn es in der Region Staaten gibt, die schwach sind oder sogar als Failed States zu bezeichnen sind, dann wächst die Terrorgefahr, dann leiden die Menschen in diesen Ländern. Das löst möglicherweise Flucht aus, und es wird auch keinen Nährboden für gute Wirtschaftsbeziehungen oder wirksame Entwicklungshilfe geben. Und im Übrigen: Wenn wir die afrikanischen Staaten in ihrer Entwicklung und mit ihren Herausforderungen alleinlassen, gibt es mindestens zwei andere Staaten, nämlich China und Russland, die gerne bereit sind, ihnen militärisch – wie Russland mit den Wagner-Söldnern – zur Seite zu springen. Das kann nicht in unserem Interesse sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es spricht also aus meiner Sicht, aus Sicht meiner Fraktion alles dafür, dass wir im Sahel präsent bleiben. Der Staat Niger ist dafür geeignet – ich würde auch sagen: besonders geeignet –, weil er erstens möchte, dass wir das tun, anders als der Nachbarstaat Mali, wo wir nicht mehr willkommen sind. Er ist zweitens geeignet dafür, weil er als demokratischer Staat zu bezeichnen ist – es hat in diesem Land einen demokratischen Machtwechsel gegeben –, und er ist erprobt, weil wir bereits sowohl mandatierte als auch nicht mandatierte gemeinsame Projekte mit der Regierung von Niger durchgeführt haben.

Die Entscheidung, in Niger Präsenz zu zeigen, ist richtig, und es ist insbesondere richtig, das gemeinsam mit der Europäischen Union zu tun, weil wir ja ein Zeichen setzen wollen und müssen, dass die Europäische Union auch in außen- und sicherheitspolitischen Fragen entscheidungsbereit ist.

Wenn wir uns das Mandat vornehmen, so haben wir als CDU/CSU-Fraktion mit unserer Entscheidung allerdings ringen müssen. Es gibt in diesem Mandat eine ganze Reihe von Ungereimtheiten, von denen ich hier kursorisch nur einige wenige nennen möchte.

Erstens stellt sich die Frage: Wie ist eigentlich dieser Einsatz in Niger in eine Sahelstrategie eingebettet? Wir haben nach wie vor keine Sahel- oder Afrika-Strategie der Bundesregierung vorliegen. Wir werden vertröstet, das hinge auch von der Nationalen Sicherheitsstrategie ab. Sie liegt auch noch nicht vor, obwohl sie schon seit Monaten erwartet wird. Wir sind der Meinung, es wäre besser gewesen, ein solches Mandat und einen solchen Einsatz in eine solche Strategie einzubetten. Dann würde es vielleicht nicht nur für uns im Parlament, sondern auch für die Öffentlichkeit leichter sein, zu verstehen, welche Zwecke die Regierung mit diesem Mandat verfolgt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die zweite Frage, die uns beschwert, ist, ob diese Phase eins, in der sich das Mandat befindet oder in die das Mandat eintreten soll, überhaupt mandatspflichtig ist. Denn das, was in der Phase eins bis Ende des Jahres gemacht werden soll, nämlich die Erarbeitung eines gemeinsamen Konzeptes mit der Regierung von Niger, findet bereits jetzt statt. Das hat die Europäische Union schon seit Anfang des Jahres eingeleitet. Und dafür haben wir auch kein Mandat. Also hinter der Frage, warum die Phase eins jetzt plötzlich mandatspflichtig ist, stand eines der Fragezeichen, die wir hatten.

Außerdem ist offen, was wir dort tun wollen. Wir haben verstanden, dass es sich zunächst um die Erkundung und die Entwicklung von gemeinsamen Projekten handelt. An anderer Stelle jedoch ist der Antrag sehr konkret. Wir wollen zum Beispiel eine Schule zur technischen Ausbildung der Armee in Niamey bauen. Wenn wir noch nicht sagen können, was wir tun, aber zu präzisen, konkreten Projekten bereit sind, dann stellt sich die Frage, ob dieses Argument wirklich trägt.

Zur Frage der Rettungskette, der Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Wir haben verstanden, dass die durch das MINUSMA-Mandat gegenwärtig gewährleistet sein wird. Aber das MINUSMA-Mandat wird auslaufen. Wir haben dazu die militärische Führung befragt und gehört: Sie kann die militärische Rettungskette im Falle eines Anschlags oder eines Unfalls gewährleisten. Wir müssen und wollen uns darauf verlassen, dass diese Aussage der militärischen Spitze des Verteidigungsministeriums zutrifft.

Wir haben ein weiteres Fragezeichen dahinter, ob man, wenn man in einem Land, das viermal so groß ist wie Deutschland, ein solch ambitioniertes Projekt hat, dann mit 60 deutschen Soldaten und einigen mehr EU-Soldaten wirklich etwas erreichen kann.

Insofern haben wir eine ganze Reihe von Fragen an dieses Mandat, die in den Gesprächen leider nicht voll und ganz beantwortet werden konnten. Wir haben uns dennoch entschlossen, dem Mandat zuzustimmen, weil wir das als Zeichen sehen, dass wir eine aktive Rolle Deutschlands im Sahel wünschen. Das sollte von der breiten demokratischen Mitte dieses Hauses getragen werden. Wir sehen es auch als Zeichen gegenüber der Regierung von Niamey, dass wir die Anstrengungen, die dieses Land unternimmt, unterstützen und honorieren, und deswegen wollen wir mit dabei sein. Und wir sehen es natürlich als Zeichen gegenüber den Soldaten und den sonstigen zivilen Helfern und Diplomaten im Einsatz, dass sie eine breite Unterstützung im Deutschen Bundestag haben, unabhängig von den aktuellen Mehrheitsverhältnissen.

Der Einsatz verdient die Unterstützung des gesamten Hauses. Sie bekommen von diesem Parlament als Regierung das, was Sie aus Ihrer Sicht brauchen, um den Einsatz zu erfüllen. Wir haben unser Fragezeichen, ob das ausreicht. Aber es ist Ihre Sache, auf der Basis dieses Mandates den hohen Ansprüchen gerecht zu werden.

„Es geht darum, dass Kinder zur Schule, Frauen zum Markt und Männer auf ihre Weide gehen können.“ Das ist ein Zitat aus der Rede der Außenministerin bei der Einbringung des Mandats. Es ist an Ihnen, das zu belegen.

Herr Kollege kommen Sie bitte zum Schluss.

Deswegen sage ich für die CDU/CSU-Fraktion: Mandatserteilung auf Probe.

In diesem Sinne herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553355
Wahlperiode 20
Sitzung 101
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Niger (EUMPM Niger)
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