Sebastian RoloffSPD - Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es ein bisschen schade, dass ich meinen Bingoschein heute nicht dabeihabe.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ach, witzig!)
Denn man hätte ja wirklich auf die ganzen neoliberalen Phrasen,
(Maximilian Mordhorst [FDP]: Neoliberalismus ist super!)
die hier immer wieder kommen – ich muss es vorsichtig formulieren, damit ich mir keinen Ordnungsruf einfange –, wetten können. Ich war schon bei der Lektüre des Antrags nicht begeistert. Aber die Redebeiträge sind noch mal ein neues Tief; das finde ich, ehrlicherweise gesagt, bemerkenswert. Unter „konstruktiver Opposition“ stelle ich mir etwas anderes vor.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Abgerechnet wird am Schluss!)
– Ich erkläre es Ihnen gleich.
Der Antrag beginnt schon mit einem Fehler im Titel: „Stillstand überwinden“. Klar ist, dass Deutschland besser durch die mannigfaltigen, gleichzeitig wirkenden Krisen gekommen ist, als das viele Expertinnen und Experten vorher erwartet haben. Wir haben statt einer Rezession ein leichtes Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent. Reinhard Houben hat völlig recht: Das reicht uns nicht. Aber es ist keine Rezession.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ach so? Bei 7,2 Prozent Inflation? – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Die Arbeitslosigkeit steigt!)
Und für nächstes Jahr sagen die Prognosen 1,6 Prozent voraus. Von „Stillstand“ kann also keine Rede sein. Es wäre schön, wenn Sie das Land nicht schlechtreden würden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das reicht uns nicht, aber es ist klar, dass die Folgen der Coronapandemie, die Folgen des russischen Angriffskrieges, die doppelten Angebotsschocks und die entsprechenden wirtschaftspolitischen Auswirkungen entsprechend abgefedert werden müssen. Ihr Vorwurf einer „zu eng angelegten“ Wirtschaftspolitik, über den ich länger nachgedacht habe, geht zumindest ins Leere. Nachdem Sie Ihren Besinnungsaufsatz mit haltloser Grundsatzkritik im Antrag beendet haben, kommt wieder ein Sammelsurium an Forderungen. Das wirkt immer so ein bisschen wie Copy-and-paste. Ich frage mich ganz ernsthaft, ob da nicht vielleicht noch mal jemand drüberlesen könnte, um zu prüfen, ob das aus sich heraus schlüssig ist oder ob es nicht vielleicht schon überholt ist.
Ein Beispiel. Sie wollen zur Gewinnung von Arbeits- und Fachkräften die Fachkräftezuwanderung fördern. Ja, genau richtig! Das haben wir gestern gemacht und das entsprechende Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Das wird nicht wirken! Das ist doch das Problem! Zählen Sie mal die Fachkräfte, die Sie damit bekommen werden! – Daniel Föst [FDP]: Gegen die Stimmen der Union!)
– Genau: Gegen die Stimmen der Union, lieber Daniel Föst. – Da Sie jetzt in der Opposition sind, gibt es da nun endlich mal richtige Entscheidungen; diese hat der Kollege Houben ganz hervorragend zusammengestellt, finde ich, auch wenn wir uns nicht abgesprochen haben. Es ist so, dass Sie in diesen Debatten immer Ressentiments schüren, sich aber dann hinstellen und sagen: Die Fachkräfteeinwanderungsstrategie ist zu langsam. – Sie sollten sich mal entscheiden, was korrekt ist oder welchen Weg Sie gehen wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Außerdem wollen Sie den inklusiven Arbeitsmarkt stärken. Wir haben letzte Woche das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes beschlossen; das scheint bei der Endredaktion des Antrags irgendwie durchgerutscht zu sein.
Wozu Sie nichts sagen, ist die Qualifikation von Geringqualifizierten oder Jugendlichen, die wir aber Gott sei Dank im Blick haben. Ich freue mich, dass wir heute das Weiterbildungsgesetz eingebracht haben, und ich freue mich sehr über die Ausbildungsplatzgarantie. Wir werden Weiterbildung weiter aktiv fördern.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Daniel Föst [FDP])
Darüber hinaus werden wir weiter eine aktive Wirtschafts- und Industriepolitik machen, die eine solide Grundlage für den Standort mit entsprechenden Standortfaktoren ist. Wir werden gute Perspektiven für gute Beschäftigung schaffen, zum Beispiel mit einem Industriestrompreis; das sage ich an der Stelle regelmäßig.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Senken Sie die Steuern wenigstens auf das europäische Niveau!)
Da setzt sich die Erkenntnis ja langsam durch. Dementsprechend freue ich mich, dass wir da bald Fortschritte machen.
Über das Thema Bürokratieabbau haben wir letzte Woche ausführlich diskutiert: Das Bürokratieentlastungsgesetz IV ist auf dem Weg, die Verbändebefragung und die entsprechenden Ergebnisse, die jetzt in die Umsetzung kommen, sind Ihnen bekannt. Wir sorgen dafür, dass wir wiederbelebte Rohstoffpartnerschaften haben, um einen verlässlichen Zugang zu Ressourcen zu sichern; die Reisen von Frau Dr. Brantner und des Bundeskanzlers sind da ebenfalls bekannt. Das – das wissen Sie – machen wir. Wir werden auch mit einem Bundestariftreuegesetz dafür sorgen, dass der Wettbewerb über Qualität und Innovation und nicht über Dumpingangebote geführt wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schließlich gehört aber auch zur Wahrheit, dass es Begrüßenswertes in Ihrem Antrag gibt. Ich habe mich tatsächlich sehr über die Formulierung gefreut, Arbeit müsse attraktiver bleiben als der Sozialleistungsbezug. Damit räumen Sie endlich mit der Mär auf, dass sich Arbeit nicht mehr lohnt; damit sind Sie ja bei der Einführung des Bürgergeldes hausieren gegangen.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Das ist ja auch so!)
Dementsprechend würde ich Ihre Forderung, dass das Lohnabstandsgebot gewahrt bleiben muss, so interpretieren, dass Sie auch dem Gedanken an einen höheren Mindestlohn nähertreten.
(Beifall des Abg. Erik von Malottki [SPD] – Gabriele Katzmarek [SPD]: Das glaube ich aber nicht! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Aber nicht durch die Politik!)
Das wäre übrigens wirtschaftspolitisch richtig wegen der Wohlstandsverluste, die wir jetzt durch die Inflation haben – Reallohnverlust 2022: 4,1 Prozent –, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Binnennachfrage. Wir können das gerne diskutieren. Sollten Sie damit meinen, dass es eher darum geht, Sozialleistungen zu kürzen, wäre es schön, wenn Sie dann auch das Rückgrat hätten, diese neoliberale Fratze, die da durchscheinen würde, öffentlich zu benennen und nicht zu verklausulieren.
(Maximilian Mordhorst [FDP]: He! Wir tragen sie ganz offen, die „neoliberale Fratze“!)
Abschließend darf ich an der Stelle noch sagen, dass ich eigentlich kritisieren würde, dass Sie alles, was Sie fordern – egal ob das schlüssig ist oder nicht –, wie immer im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel fordern.
(Maximilian Mordhorst [FDP]: So ist es! Sehr richtig!)
So auch dieses Mal. Da weiß man dann wieder nicht, wo Ihre Prioritäten liegen. Aber da wir ja Ihrer derzeitigen Grundsatzprogrammdiskussion entnehmen, dass Sie sich einen Spitzensteuersatz von bis zu 57 Prozent vorstellen können, freue ich mich, dass Sie sich jetzt auch über die Gegenfinanzierung Gedanken machen.
(Maximilian Mordhorst [FDP]: So ist es!)
Ich darf allen, die es betrifft, einen schönen Geburtstag wünschen und allen anderen ein schönes Wochenende.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt das Wort Dr. Sebastian Schäfer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553403 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 101 |
Tagesordnungspunkt | Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands |