Uli GrötschSPD - Organisation "Letzte Generation"
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei manchen würde man sich wünschen, dass sie hin und wieder irgendwo kleben bleiben, um nicht solche Dinge von sich geben zu können, wie Sie das eben getan haben, Herr Brandner.
(Beifall der Abg. Esther Dilcher [SPD] und Nicole Gohlke [DIE LINKE])
Kein Wunder, dass uns die „Letzte Generation“ auch hier im Bundestag beschäftigt; denn sie polarisiert das ganze Land. Ich glaube, das darf man durchaus sagen. Ich bin der Meinung, dass Protest laut sein muss – sonst ist es keiner – und dass bei besonders krassen Herausforderungen Protest auch ganz besonders krass sein darf, liebe Kolleginnen und Kollegen, erst recht, wenn es um die Zukunft dieses Planeten geht, erst recht, wenn es um die wohl zentrale Herausforderung für die ganze Menschheit in diesen Zeiten geht.
Aber: Alles hat natürlich seine Grenzen. Es hat die Grenzen von Anstand und Moral, oder es hat die Grenzen des deutschen Strafrechts, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube, es ist ein absolut legitimes Unterfangen, für mehr Klimaschutz und eine schnellere Umsetzung all dessen zu demonstrieren, was wir hier im Bundestag beschlossen haben und was sich diese Koalition vorgenommen hat. Und das sind nicht weniger als die ehrgeizigsten Klimaziele in der Geschichte dieses Landes und des ganzen Kontinents. Das bedeutet nicht weniger als den Umbau der viertgrößten Industrienation der Welt: weg von fossilen Brennstoffen hin zu einer klimaneutralen Industrienation.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])
Aber bei aller Legitimität von Protest muss dem meiner Meinung nach auch etwas folgen. Protestieren alleine reicht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, und schon gar nicht, es auf diese Art und Weise zu tun, durch die die „Letzte Generation“ in Deutschland öffentliche Bekanntheit erlangt hat. Ich halte es – das möchte ich ganz deutlich sagen – für schändlich, die Glaswände mit Artikeln des Grundgesetzes nahe des Reichstages zu besudeln.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist auch nichts anderes als eine Straftat, sich auf der Straße festzukleben und damit auf gefährliche Weise in den Straßenverkehr einzugreifen.
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)
Hier wird eine Grenze überschritten und meiner Meinung nach das richtige und berechtigte Anliegen völlig ad absurdum geführt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Denn es ist keine Frage der Beweggründe – erst recht nicht mit Blick auf die „Letzte Generation“ –, es ist vielmehr eine Frage des Vorgehens. Das Vorgehen ist falsch und hat Spaltpotenzial – so glaube ich – für die ganze Klimabewegung. Wir erinnern uns: Fridays for Future hat den politischen Scheinwerfer auf das Thema gerichtet. Die „Letzte Generation“ sorgt dafür, dass sich die Menschen von diesem Thema wieder abwenden.
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)
Ich möchte aber auch auf den Antrag eingehen und zwei Dinge an die Adresse der Antragstellenden sagen.
Erstens. In Ihrem Antrag, Herr Brandner, schreiben Sie davon, dass die Aktivisten der „Letzten Generation“ schuld am Tod der Radfahrerin sind, die am 31. Oktober letzten Jahres in Berlin zu Schaden gekommen war und zu der der Rüstwagen der Feuerwehr nicht vordringen konnte, weil er durch Klimaaktivisten blockiert wurde. Wie Sie hoffentlich wissen, ist inzwischen klar belegt, dass diese Aussage in Ihrem Antrag schlicht und ergreifend falsch ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Lukas Benner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Stephan Brandner [AfD]: Wer hat das denn widerlegt?)
– Das war die Staatsanwaltschaft Berlin. Das war der Rechtsstaat in seiner dafür zuständigen Instanz.
Und zweitens. Ich habe schon gesagt, dass ich die Aktionen der „Letzten Generation“ in ihrer Art und Weise für schändlich halte und dass ich in vielen öffentlich bekanntgewordenen Fällen eine Grenze für überschritten halte. Aber die grundsätzliche inhaltliche Zielrichtung, nämlich mehr Klimaschutz, teile ich, gemeinsam mit beinahe allen hier in diesem Haus; denn mehr Klimaschutz ist ein zentrales Anliegen der Koalition und darüber hinaus.
Herr Brandner, Sie haben eben betont, wie sich in unserem Land die Dinge schon einmal hochgeschaukelt haben, und als Beispiel haben Sie die Rote-Armee-Fraktion herangezogen. Zum einen wissen Sie, so glaube ich, dass historische Vergleiche fast immer hinken.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Zum anderen sind Sie, wenn Sie über politisches Engagement junger Menschen sprechen möchten, sehr gut beraten, zuallererst bei Ihrer Jugendorganisation anzufangen, Herr Brandner.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Der große Austausch, Verschwörungstheorien, blanker Antisemitismus, offener Rechtsextremismus –
(Stephan Brandner [AfD]: Die blockieren keine Straßen! Die kleben sich nicht fest! – Weitere Zurufe von der AfD)
Sie haben es jetzt sogar schriftlich. Wenn Sie über junge Menschen in Zusammenhang mit politischen Themen schreiben oder reden möchten, dann reden Sie über Ihre eigene Jugendorganisation.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zurufe von der AfD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Ende. Die „Letzte Generation“ hat das Thema Klimaschutz bei vielen Menschen negativ „gebrandet“; ich glaube, das muss man so sagen. Das halte ich für hoch problematisch, da Klimaschutz – ich habe es eben schon gesagt – die zentrale Herausforderung dieses Jahrhunderts ist. All denjenigen, die deshalb vielleicht nervös werden, sage ich: Entspannen Sie sich! Die Ampelkoalition bekommt das wieder hin,
(Konstantin Kuhle [FDP]: Natürlich!)
und zwar mit einer wirksamen und nachhaltigen Klimapolitik, die die Menschen mitnimmt
(Stephan Brandner [AfD]: Dann müssen Sie eine 180-Grad-Wende machen!)
und sie wieder für das Thema begeistert und sie nicht abschreckt. Erste Urteile gegen Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ sprechen eine deutliche Sprache. Also: Klimaschutz extrem: Ja. Straftaten mit allen Konsequenzen des Rechtsstaates ahnden: Leider auch ja.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Extremismus aber, der sich gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet: Nein. Und auch deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr unruhig. Man kann der Debatte wirklich kaum folgen. Denken Sie auch an die Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich glaube, auf den Tribünen ist nur das ganze Gemurmel zu hören. Also, bitte etwas ruhiger und Gespräche gerne nach draußen verlagern.
Als Nächstes hat das Wort Philipp Amthor für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553629 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 102 |
Tagesordnungspunkt | Organisation "Letzte Generation" |