Marianne SchiederSPD - 175 Jahre Nationalversammlung in der Paulskirche
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, wie mühevoll, opferreich, verschlungen und voller Rückschläge die Wege zu Freiheit und Demokratie einst gewesen sind. Dieses Wissen lässt uns den Wert des Erreichten besser erkennen, und zugleich sind die faszinierenden Männer und Frauen, in deren Fußstapfen wir heute stehen, Vorbilder und machen Mut, auch in Zukunft für ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung einzutreten.
Mit diesen Worten beschreibt unser Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, die Geschichte unserer Demokratie und den Auftrag, der daraus für uns erwächst.
So ist es gut, dass wir heute an den 18. Mai 1848 erinnern, also an den Tag, an dem vor 175 Jahren in Frankfurt am Main in der Paulskirche das erste gesamtdeutsche Parlament, die deutsche Nationalversammlung, zusammentrat. Dort wurde über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaats diskutiert. Dort wurde aber auch zum ersten Mal in Deutschland ein Gesetz verabschiedet, das Menschen- und Bürgerrechte festschrieb. Gerade die in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden hatten große Hoffnung in die Nationalversammlung; denn durch ihre Religionszugehörigkeit waren sie vielerorts rechtlich benachteiligt. Die in der Verfassung vorgesehene Glaubensfreiheit hätte dies geändert und ihre bürgerlichen und politischen Rechte von der Religion unabhängig gemacht. An diesem Kampf um Gleichberechtigung waren eben auch sieben jüdische Abgeordnete beteiligt.
Doch die Paulskirchenverfassung – wir wissen es – scheiterte an antidemokratischen Widerständen und konnte so niemals in Kraft treten. Aber auch dieses Scheitern gehört zur Geschichte der Demokratie in Deutschland. Es lehrt uns eindrücklich, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit von Anfang an hart erkämpft werden mussten und dass wir sie heute genauso hart gegen ihre Feinde und Verächter verteidigen müssen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Es erscheint wie ein Symbol, dass die Paulskirche im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde und erst 1948 zum 100-jährigen Jubiläum der Revolution wieder aufgebaut wurde. Die Paulskirche ist also fraglos ein maßgeblicher Ort deutscher Demokratiegeschichte. Von den dort entwickelten Ideen lebt auch unsere Demokratie heute.
Wir haben als Koalition vereinbart, der Geschichte der Demokratie in Deutschland und ihren Orten mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Damit knüpfen wir an die Arbeit der letzten Jahre an. Am 9. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag die Errichtung einer Stiftung mit dem Namen „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ beschlossen, die auch in Frankfurt ansässig ist und sich momentan im Aufbau befindet. Es gibt eben nicht nur die Paulskirche, die sicherlich einer der wichtigsten Orte der deutschen Demokratiegeschichte ist, sondern viele Orte mehr, die auch mit Leben gefüllt werden müssen und wo wir den Menschen, unseren Kindern und Kindeskindern zeigen müssen, wie Demokratie entstanden ist und wie wir sie erhalten können.
Ebenfalls im Sommer 2021 wurde von der Stadt Frankfurt, dem Land Hessen und dem Bund eine Kommission unter Vorsitz von Volker Kauder berufen mit dem Ziel, Empfehlungen zu erarbeiten und zusammen mit den notwendigen baulichen Sanierungen die Paulskirche zu einem zeitgemäßen Erinnerungs-, Gedenk- und Lernort weiterzuentwickeln und in direkter räumlicher Nähe ein Haus der Demokratie umzusetzen. Der Abschlussbericht liegt nun vor. Ich hoffe, dass in Zusammenarbeit von Bund, Land und der Stadt Frankfurt nun zügig die erforderlichen Projektschritte in die Wege geleitet werden und die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden.
In diesem Sinne finde ich es sehr gut, dass wir heute an dieses Jubiläum erinnern. Ich hoffe aber, dass wir daraus auch den Schluss ziehen, dass wir diese hart erkämpfte Demokratie verteidigen müssen und dass wir die Orte, an denen sie entstanden ist, an denen sie erkämpft worden ist, besser sichtbar machen müssen, als wir es bis heute getan haben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE])
Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Yvonne Magwas.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553649 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 103 |
Tagesordnungspunkt | 175 Jahre Nationalversammlung in der Paulskirche |