11.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 9

Dirk WieseSPD - 175 Jahre Nationalversammlung in der Paulskirche

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn des Februar 1848 überschlugen sich in Europa die revolutionären Ereignisse, ausgehend von Paris. Es ist richtig, dass wir dieses Jahr heute hier in dieser Vereinbarten Debatte in den Fokus nehmen und den Fokus auf den 18. Mai 1848 richten, als das erste deutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche die Arbeit aufgenommen hat. Mit dieser Einberufung der deutschen Nationalversammlung damals in Frankfurt am Main erfüllte sich eine der zentralen Forderungen der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegungen, wofür viele jahrelang gestritten hatten.

Aber – und das muss man ansprechen – diese Frankfurter Nationalversammlung währte nicht lange. Dennoch ist es richtig, heute in dieser Debatte deutlich zu machen, was sie für einen tragenden Einfluss auf die Verfassungsgeschichte und auf die demokratische Entwicklung bei uns im Land gehabt hat. Diese Revolutionszeit 1848 erwies sich als Wendepunkt des politischen Lebens, und ohne sie hätte es Parlamente und Verfassungen der heutigen Zeit sicherlich nicht gegeben.

Viele Parteien, aber auch die Arbeiterbewegung nahmen damals ihren Anfang. Es war die Geburtsstunde von demokratischen Grundlagen, wie wir sie heute, hier und jetzt auch bei uns im Deutschen Bundestag, leben. Sich mit Gleichgesinnten in Parteien zusammenschließen, Meinungen zu öffentlichen Themen bilden und verschiedene Standpunkte austauschen: Ja, das ist heute unser parlamentarischer Alltag. Diese Wurzeln der deutschen Demokratiebewegung gebieten es, mit Dankbarkeit auf das Jahr 1848 zurückzugucken.

Ich will einen Blick auf diejenigen richten, die damals dabei gewesen sind: Einer der über 800 Menschen, der damals Mitglied der Paulskirchenversammlung gewesen ist, war Carl Johann Ludwig Dham. Er stammt wie ich aus dem Sauerland, er wurde in Schmallenberg geboren, er vertrat damals den Wahlkreis Meschede in der Frankfurter Paulskirchenversammlung. Wenn man schaut, dass er für seine Teilnahme am Hambacher Fest, für seinen Einsatz für die Demokratie damals in Magdeburg von 1833 bis 1840 in Festungshaft genommen worden ist, dass er aber trotzdem Mut gezeigt und nicht nachgelassen hat und danach Mitglied dieser Paulskirchenversammlung geworden ist, dann zeigt das einfach, mit wie viel Einsatz damals die Teilnehmer der Paulskirchenversammlung für diese demokratische Entwicklung gestritten haben, und davor kann man heute nur den Hut ziehen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Zu einer der herausragendsten Leistungen der Frankfurter Nationalversammlung gehört aber aus meiner Sicht das „Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes“; denn zum ersten Mal bekamen Menschen- und Bürgerrechte in Deutschland Gesetzeskraft. Es war auch eine Entwicklung, die sich abgezeichnet hat. Ich will an das Offenburger Programm vom 12. September 1847 erinnern, wo sich erstmals in Artikel 1 eine Berufung auf die unveräußerlichen Menschenrechte wiedergefunden hat.

Diese Vorarbeiten waren entscheidend dafür, dass dann in der Nationalversammlung am 3. Juli eine Grundrechtsdebatte stattfinden konnte, die letztendlich in der demokratischen Tradition des Verfassungsdenkens bis in die Weimarer Reichsverfassung nachgewirkt hat, ja bis in unser heutiges Grundgesetz hinein. Ohne diese Debatte, die damals angestoßen worden ist, wäre vieles so nicht möglich gewesen. Auch dafür müssen wir, glaube ich, mit Ehrfurcht auf die damalige Situation zurückblicken.

Ich will aber auch sagen und deutlich machen, dass dann der Kampf für mehr Demokratie, für Bürgerrechte gescheitert ist. Es gab erbitterte Gegner dieser Ideen, die sich dem Kampf für Volkssouveränität entgegengestellt haben. Es war ein Kampf der Volkssouveränität gegen das monarchische Prinzip. Ihre Gegner haben sich gegen die Versammlung gestellt. Nicht zu Unrecht wurde leider damals immer wieder der Satz gesagt: Gegen Demokraten helfen nur Soldaten. 175 Jahre später sind Freiheit und Demokratie noch immer mächtige Ideen, die aber nicht selbstverständlich sind, für die wir gemeinsam eintreten und für die wir jeden Tag streiten müssen.

Herr Dr. Frömming, ich will eine Bemerkung zu der Nadel an Ihrem Sakko machen: Ihre Farben sind nicht Schwarz-Rot-Gold.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Doch!)

Ihre Farben sind nicht die Farben der demokratischen Revolution.

(Enrico Komning [AfD]: Sehr wohl!)

Ihre Farben sind die Farben der Restauration, der Reaktion. Ihre Farben wären in der damaligen Zeit Schwarz-Weiß-Rot gewesen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Welche sind denn Ihre Farben? Ich sehe keine Farben!)

Dem stellen wir Demokraten uns damals und heute entschieden entgegen. Gegen die Feinde der Demokratie halten wir zusammen und kämpfen für eine starke Demokratie in unserem Land.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Götz Frömming [AfD]: Regenbogenfarben hissen Sie hier auf dem Reichstag! Regenbogenfarben, das sind Ihre Farben! – Gegenruf des Abg. Thomas Hacker [FDP]: Vielfalt statt Einfalt!)

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Dorothee Bär.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553656
Wahlperiode 20
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt 175 Jahre Nationalversammlung in der Paulskirche
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