11.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 9

Stefan Seidlerfraktionslos - 175 Jahre Nationalversammlung in der Paulskirche

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Moin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir einen etwas differenzierteren Blick auf den heutigen Tag, und erlauben Sie mir, Frau Präsidentin, aus Artikel I § 1 der Paulskirchenverfassung zu zitieren:

Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiete des bisherigen deutschen Bundes. Die Festsetzung der Verhältnisse des Herzogthums Schleswig bleibt vorbehalten.

Seit dem 9. April 1848 herrschte in Schleswig ein blutiger Krieg um kulturelle Identität, ein blutiger Krieg, der Menschen und Familien zerriss, ein Krieg, der 16 Jahre später wiederholt werden sollte. Nun verstehen Sie vielleicht, dass ich als Vertreter des Südschleswigschen Wählerverbandes heute ein vielleicht etwas ambivalentes Verhältnis zu diesem Tage habe

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wir haben Verständnis! Natürlich!)

und mir nicht so feierlich zumute ist. Gerade in diesen Zeiten, wo wieder Kriege in Europa um Territorien und kulturelle Zugehörigkeit herrschen, finde ich, dass es wichtig ist, dass wir uns auch vor Augen halten, was in Deutschland bzw. in unserem deutsch-dänischen Grenzland vor 175 Jahren geschehen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Umso freudiger stimmt es mich, dass ein Vertreter der dänischen Minderheit und des Landesteils Schleswig heute, 175 Jahre später, eine sehr gute Zusammenarbeit mit allen demokratischen Fraktionen hier im Deutschen Bundestag hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Erlauben Sie mir einen weiteren Verweis auf einen weiteren Paragrafen in der Paulskirchenverfassung. Er enthält nämlich einen wirksamen und selbst für moderne Verhältnisse weitreichenden Schutz der nichtdeutschen Minderheiten. Er gab den Minderheiten das Recht, sich kulturell eigenständig zu entwickeln, ihre Kinder in ihrer Sprache zu unterrichten und so ein kulturelles Erbe für die Zukunft zu bewahren. Auch in den Gerichten und in der Verwaltung sollte ihre Sprache gleichberechtigt sein. § 188 der Paulskirchenverfassung war mehr als eine Ansammlung von Rechten für Minderheiten, es war ein Symbol dafür, dass Deutschland schon immer ein Land vieler Kulturen und Sprachen war, auch wenn einige Kolleginnen und Kollegen dies hier heute immer noch nicht gerne hören wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Kommen Sie zum Schluss.

Eine solche Bestimmung wird heute von den nationalen Minderheiten schmerzlich im Grundgesetz vermisst. Von daher meine Aufforderung: Lassen Sie uns daran arbeiten, dass sich so eine Bestimmung auch im Grundgesetz wiederfinden kann – heutzutage.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Natalie Pawlik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553668
Wahlperiode 20
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt 175 Jahre Nationalversammlung in der Paulskirche
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