11.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 103 / Zusatzpunkt 2

Helge LindhSPD - Durchsetzung des Asyl- und Aufenthaltsrechts

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fügt sich ja ganz gut, dass wir jetzt nach der Debatte zur Paulskirchenverfassung zu diesem Thema sprechen. Denn manche erwecken in den letzten Wochen – und manche schon seit vielen Jahren – in diesem Plenum den Eindruck, dass Fragen von Migration, Asyl, Flucht, Rückführung, Fragen der Grundrechte, des Rechtsstaates, auch der unverbrüchlichen Rechte von Geflüchteten – auch von solchen, die kein Aufenthalts- und Bleiberecht genießen – keine Rolle spielten. Ich denke, das ist auch nach dem Abend des Flüchtlingsgipfels aber ein Moment, in dem man sagen muss: Diese Ampelkoalition steht in aller Konsequenz zum Rechtsstaat. Rechtsstaat bedeutet Durchsetzung von Regeln und Prinzipien

(Zuruf von der AfD: Wo denn?)

– die ganzen Stichworte kennen wir –, Rückführung, Beschleunigung von Verfahren usw.; ich werde darauf eingehen. Aber das bedeutet eben auch, dass die Prinzipien des Rechtsstaats an Außengrenzen gelten müssen und dass Pushbacks und Gewalt keine Quantité négligeable sind, keine Petitesse, über die man einfach mal hinwegsehen kann. Wir sprechen hier – erlauben Sie mir diesen Hinweis – immer noch über Menschen. Das kommt aber auch in den Anträgen der CDU/CSU-Fraktion – verzeihen Sie mir das – etwas zu kurz. Man hat manchmal den Eindruck, als ginge es nur noch um Gegenstände.

(Beifall der Abg. Leni Breymaier [SPD] – Detlef Seif [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!)

Sie können in einem Satz von mir aus auch 15-mal irreguläre Migration, Rückführung und Zurückweisung erwähnen. Es ändert nichts daran, dass wir es mit handelnden Menschen zu tun haben. Und so sollten wir auch sprachlich mit ihnen umgehen, denke ich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das wird dringender und notwendiger, weil wir uns, wie ich mit höchster Irritation feststelle, angewöhnen, nur noch technokratisch zu sprechen, als ob es um Gegenstände ginge. Aspekte wie Integration, Pluralität, Vielfalt – auch in Bezug auf Geflüchtete – werden nicht mehr berücksichtigt. Das ist nicht die Linie der Koalition, und wir werden das auch in der nächsten Zeit deutlich machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden auch nicht auf Ihr Spiel eingehen und so tun, als wären Humanität und Ordnung ein Widerspruch. Vorhin saß hier Eva Högl; vor mir sitzt Dirk Wiese. Sie beide und viele andere haben in unterschiedlichen Verhandlungen – wir haben ja auch die Zeiten mit Ihnen in der Großen Koalition erlebt – immer deutlich gemacht, dass das keine Floskel ist, sondern dass Humanität und Ordnung und das Zusammenspiel von Menschlichkeit und Pragmatismus ernst gemeint sind und dass das nicht zu einer Seite hin aufgelöst werden darf. Wenn, dann konsequent Rechtsstaat, und zwar in allen Dimensionen!

Es fügt sich ja auch wunderbar, dass wir heute ein Ergebnis des Flüchtlingsgipfels vorliegen haben.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Hahaha!)

Auch die Ministerpräsidenten der Union haben, soweit ich weiß, diesen Flüchtlingsgipfel besucht und waren an der Kompromissfindung beteiligt, mit einzelnen Protokollerklärungen, zum Beispiel von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern, aber zum Beispiel nicht von Nordrhein-Westfalen. Sie bekennen sich damit zu dem Kurs der Ampelfraktion;

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

denn genau dieser Kurs findet sich in dem Beschlusspapier in allen Facetten wieder.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die Bundesregierung stellen Sie! Machen Sie mal Gesetzentwürfe, und reden Sie nicht so viel!)

Das Konzept für die Reduktion irregulärer Migration – und ich weise, um das noch mal deutlich zu machen, darauf hin, dass es um Menschen geht – ist deutlich. Nur machen wir auch deutlich: Es ist doch, anders als Sie es suggerieren, nicht so, dass wir einfach nur abschieben müssen und das Problem damit gelöst ist oder dass Grenzkontrollen bedeuten, dass es keine Asylanträge mehr gibt.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein, das sagen wir doch nicht! Nur, Sie tun nichts!)

Das ist die Erweckung eines falschen Anscheins, die Sie betreiben.

(Zuruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])

Grenzkontrollen sind ein Aspekt von Sicherheit, weil einzelne Personen zurückgewiesen werden können. Das ändert aber nichts daran, dass die Betroffenen noch das Recht haben, einen Antrag zu stellen.

Wir stehen zu den Flüchtlingsrechten und zum Asylrecht. Das bedeutet auch, dass Abschiebungen ein Baustein sind, aber mit der Fokussierung – auch das steht in dem Beschluss ganz ausdrücklich – auf Gefährder und Straftäter, nicht mit der Suggestion, wir könnten jetzt Hunderttausende abschieben.

(Mike Moncsek [AfD]: Müssen wir!)

Wir denken perspektivisch und wollen nicht, dass sich künftig erneut so viele Menschen auf den Weg machen. Gleichzeitig wollen wir aber denjenigen, die da sind, die seit vielen Jahren in deutschen Unternehmen arbeiten,

(Marc Bernhard [AfD]: Wer arbeitet denn?)

die Teil dieser Gesellschaft geworden sind, Chancen und ein Bleiberecht geben.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie biegen es sich zurecht, und dann wundern Sie sich über die Ergebnisse!)

Das ist das Zusammenspiel, für das wir stehen.

Dieses Prinzip von „Maß und Mitte“, das Sie doch unterstützen wollen, zeigen wir auch bei dem Thema „sichere Herkunftsstaaten“ – schauen Sie in den Beschluss! –: Wir entscheiden nicht einfach nach dem Rasenmäherprinzip, sondern bezogen auf EU-Beitrittskandidaten,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Rasenmäher? Was ist denn das für ein Blödsinn!)

nicht einfach bezogen auf nordafrikanische Staaten, weil wir eben nicht blind für die Menschenrechtssituationen sind.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie haben selber zugestimmt bei den Maghreb-Staaten!)

Bei uns gilt: Rechtsstaat ist das Prinzip. Rechtsstaat gilt bei der Durchsetzung unseres Rechtes, aber Rechtsstaat gilt auch für geflüchtete Menschen an Binnengrenzen und an Außengrenzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Andrea Lindholz.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553683
Wahlperiode 20
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Durchsetzung des Asyl- und Aufenthaltsrechts
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