Stephan ThomaeFDP - Durchsetzung des Asyl- und Aufenthaltsrechts
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir führen die heutige Debatte am Tag nach einer Ministerpräsidentenkonferenz, die zum Teil neue Ziele festgelegt und vereinbart hat, zum Teil auch nur noch einmal deutlich gemacht hat, dass diese Regierung sich bereits mitten in einem Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik und der Migrationspolitik befindet. Die Koalition will erstens mehr gesteuerte reguläre Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt. Sie will zweitens mehr Kontrolle und, ja, auch Begrenzung irregulärer Migration in unser Asyl- und Sozialsystem. Sie will drittens als Ziel einen gerechteren Verteilmechanismus innerhalb Europas. Und viertens halten wir natürlich – das ist ja auch unbestritten – an den humanitären, völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen fest.
Das alles ist keine Aufgabe von Wochen oder Monaten. Es ist auch nicht mit ein oder zwei Gesetzesänderungen zu erreichen und auch nicht, indem der Finanzminister sein Füllhorn auskippt, als wäre der Bundeshaushalt eine unerschöpfliche Geldquelle.
(Beifall bei der FDP)
Der Antrag der Union vom 28. März enthält einige Punkte, die ohnehin schon auf der Agenda der Koalition stehen, einige Punkte, die sich mit der gestrigen Einigung erledigt haben – gut, das war vor sechs Wochen für Sie noch nicht vorherzusehen –, aber auch einige Punkte, bei denen wir eine andere Auffassung vertreten. Deswegen will ich an der Stelle zwei Punkte herausgreifen, um zu zeigen, weshalb Ihr Antrag am Ende für uns nicht zustimmungsfähig ist.
Das sind einmal Ihre Punkte 7 und 8 zur Identitätsklärung: Es geht um die Duldung für Personen mit ungeklärter Identität und vor allem um das Thema „Identitätsfeststellung mittels eidesstattlicher Versicherung“. Welche Fälle sind denn da gemeint? Natürlich besteht keine freie Wahl, ob man die Identität durch Dokumentenvorlage oder durch eine eidesstattliche Versicherung feststellt. Es geht um die Fälle, in denen die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen, einer rechtlichen, einer sprachlichen Integration eigentlich gegeben sind, aber die Feststellung der Identität deswegen misslingt, weil Gründe oder Hindernisse vorliegen, die der Ausländer nicht selber zu vertreten hat. Das sind Fälle der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, zum Beispiel weil für die Passbeschaffung in der Botschaft hohe Gebühren oder auch Schmiergelder erforderlich werden, die einem Diktator die Tasche füllen, oder weil neue Erklärungen verlangt werden, die eine Gefahr für Angehörige im Heimatland darstellen können. In solchen Ausnahmefällen muss man die Identitätsfeststellung doch irgendwie zu einem Ende bringen können, und das kann durch eine eidesstattliche Versicherung geschehen.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Jeder kann machen, was er will!)
Das ist der eine Punkt.
Ein zweites Beispiel, weshalb wir Ihren Antrag ablehnen werden, ist Punkt 9 Ihres Antrags zum Thema Sicherungshaft. Sie wollen, dass der sogenannte Prognosezeitraum generell von drei auf sechs Monate erweitert wird. Ganz kurz zur Erklärung: Worum geht es? Es geht um § 62 Aufenthaltsgesetz, der die Abschiebungshaft regelt. Demnach kann eine sogenannte Sicherungshaft dann verhängt werden, wenn die Befürchtung besteht, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will, indem er zum Beispiel untertaucht. Es gibt aber eine Ausnahme, nämlich in den Fällen, in denen feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung in den nächsten drei Monaten nicht vollzogen werden kann. Für diese Ausnahme haben wir als Koalition den Zeitraum auf sechs Monate verlängert, und zwar in den Fällen, in denen es um Straftäter und Gefährder geht. Warum wollen wir das? Wir wollen einen Schwerpunkt setzen auf die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern, und das ist doch etwas, was uns alle hier im Haus eint.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein! Wir wollen das Asylrecht durchsetzen! Komplett!)
Es ist nicht sinnvoll, den Prognosezeitraum generell für alle von drei auf sechs Monate zu verlängern, weil es bei den Abschiebungen oft daran hapert, dass wir bundesweit nicht einmal 700 Abschiebungshaftplätze haben.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das kann man ändern!)
Die betreiben die Länder, weil die Länder für die Abschiebungen zuständig sind.
Abschiebehaftplätze sind also knapp, und deswegen wollen wir, dass sie vor allem dort genutzt werden, wo wir wirklich einen Schwerpunkt setzen wollen, nämlich bei der Rückführung von Straftätern und Gefährdern; und für diesen Fall haben wir die Verlängerung auf sechs Monate ohnehin schon vorgenommen.
Deswegen stimmen wir im Endeffekt Ihrem Antrag nicht zu, obwohl es eine ganze Reihe von Punkten gibt, wo Sie mit uns d’accord gehen, wo Sie Dinge übernehmen, die ohnehin im Koalitionsvertrag stehen oder die auch gestern vereinbart worden sind. Aber es gibt Punkte, wo Sie eine andere Haltung einnehmen oder die Dinge falsch verstehen. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Ich danke Ihnen schön.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Clara Bünger.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553688 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 103 |
Tagesordnungspunkt | Durchsetzung des Asyl- und Aufenthaltsrechts |