11.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 103 / Zusatzpunkt 5

Armin LaschetCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Gipfeltreffen Europarat in Island

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist der Gipfel in Reykjavík, der vor uns liegt, ein wichtiger Gipfel. Die grüne Fraktion hat diese Aktuelle Stunde beantragt, wodurch wir überhaupt erst die Chance haben, über den Europarat und diesen Gipfel zu sprechen.

(Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ampel hat sie beantragt!)

– Eine Aktuelle Stunde kann nur, soweit ich weiß, eine Fraktion beantragen; Sie waren jedenfalls der erste Redner. Wer auch immer sie beantragt hat, das war gut.

Schlecht ist, dass Sie, lieber Herr Lucks – das würde ich kritisieren –, als allerersten Punkt als Beispiel für Menschenrechtsverletzungen in 46 Mitgliedstaaten des Europarates den gestrigen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz und des Bundeskanzlers benennen. Das ist nicht das, womit wir uns in Straßburg schwerpunktmäßig beschäftigen. Ich würde Winfried Kretschmann, anderen Ministerpräsidenten und erst recht nicht dem Bundeskanzler unterstellen, dass sie das Grundrecht auf Asyl einschränken wollen. Das war kein guter Einstieg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es geht bei diesem vierten Gipfel, vor dem wir jetzt stehen, um die wichtige Frage, welche Rolle der Europarat spielen soll. Er spielt mit Ausnahme der Menschenrechtsfrage, wo er ein sehr starkes Instrumentarium hat, nicht die Rolle, die er spielen könnte. Er ist eigentlich die älteste europäische Institution. Er wurde am 5. Mai 1949 gegründet. Da gab es noch nicht mal die Bundesrepublik Deutschland, da haben schon in London die Briten und andere gesagt: Wir wollen – nach dem Ersten Weltkrieg hat man sich eigentlich nur auf den Völkerbund konzentriert – für Europa ein Gremium schaffen, in dem wir enger für Demokratie und Menschenrechte zusammenarbeiten. – Deutschland ist 1950 beigetreten. Die NATO gab es erst ab 1955. Wir haben hier also eine wirklich sehr pionierhafte Institution.

Jetzt steht der vierte Gipfel an. Nun werden die Zuschauer vielleicht fragen: Warum findet denn erst jetzt der vierte Gipfel statt? Warum fand denn der erste Gipfel erst 1993 statt? Was haben die denn in den 40 Jahren davor gemacht? – Man hat sich auf den europäischen Einigungsprozess in der EU konzentriert. Der Europarat hat sich ab und an getroffen. Die Staaten Mittel- und Osteuropas konnten nicht Mitglied sein, weil sie bestimmte Menschenrechte vor 1989 nicht eingehalten hatten. 1993 fand in Wien der erste Gipfel statt mit dem Ziel, die Teilung Europas zu beenden, die historische Chance zu nutzen, Frieden und Stabilität auf dem Kontinent zu konsolidieren und zu einem großen Gebiet demokratischer Sicherheit zu kommen, gegen Gebietsansprüche, gegen aggressiven Nationalismus. Das ist heute so aktuell wie vor 30 Jahren. Russland trat 1996 bei. Dann machte man den zweiten Gipfel zusammen mit Russland.

In den 90er-Jahren bestanden alle Chancen, dass dieser Kontinent sich anders entwickelt, als wir es nun nach dem aggressiven Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine erleben müssen. Dieser Angriffskrieg wird in Reykjavík natürlich eine wichtige Rolle spielen müssen. Die 46 Länder des Europarats müssen da noch einmal zusammenstehen und als Hüter der Menschenrechte deutlich machen, dass es nicht akzeptabel ist, dass ein Land ein anderes in Europa überfällt und ihm die Existenzberechtigung abspricht. Deshalb war es richtig, dass wir im letzten Jahr Russland aus dieser Organisation ausgeschlossen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Konstantin Kuhle [FDP]: Das wurde auch Zeit!)

Der Europarat unterstützt ein Sondertribunal, vor dem die Aggressoren dieses Krieges zur Verantwortung gezogen werden. Aber es gibt nicht nur den Ukrainekrieg. Wenn man sich mal die Situation in ein paar Ländern des Europarats vor Augen führt, merkt man, dass der Frieden auch woanders instabil ist: Armenien ist Mitglied, Aserbaidschan ist Mitglied, die Türkei ist Mitglied, Serbien und Nordmazedonien sind Mitglieder. Kosovo ist dabei, Mitglied zu werden.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Sehr gut!)

Das heißt, das Aufgabenfeld ist breiter, es ist nicht nur dieser Krieg.

Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Der französische Präsident Macron, den ich ansonsten schätze, hat 2022 gesagt: Wir brauchen eine Europäische Politische Gemeinschaft. – Dahinter steht die Idee, dass die Länder, die noch nicht EU-Mitglied sind, durch zwei Gipfel im Jahr an die EU herangeführt werden. Da lautet meine Frage: Warum hat er das nicht im Rahmen des Europarats vorgeschlagen? Er bezieht sich auf Mitterrand, der das 1989 vorgeschlagen hat. Ich glaube, wir brauchen keine neuen Gremien. Aus den nächsten Gipfeltreffen, die zweimal im Jahr stattfinden – am 1. Juni in Moldau, nur wenige Tage nach dem Gipfel in Reykjavík, dann am 5. Oktober in Spanien, anschließend in Großbritannien –, sollte man Gipfeltreffen des Europarats machen, damit wir in diesem Rahmen öfter zusammenkommen und nicht in immer mehr verschiedenen Formaten arbeiten. Darauf könnte man sich in Reykjavík verständigen. Das in die Diskussion einzubringen, könnte auch ein deutscher Beitrag sein. Das würde den Europarat in dieser wichtigen Zeit stärken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Karl Bär [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Frank Schwabe.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553841
Wahlperiode 20
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Gipfeltreffen Europarat in Island
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