11.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 103 / Zusatzpunkt 6

Johann Saathoff - Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung

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Moin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Demokratie ist stark und wehrhaft, und zwar auch deshalb, weil die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes jeden Tag für sie einstehen. All diesen Menschen möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich für ihren Einsatz danken.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich ein Stück weit auch auf meine eigene Laufbahn als Beamter des gehobenen Dienstes zurückblicken. Ich hätte, als ich 1987 bei der Bezirksregierung Lüneburg meine Urkunde zur Ernennung zum Regierungsinspektoranwärter bekommen habe – der Titel hat mir damals gefallen –, niemals gedacht, dass ich später mal ein Büro im Bundesinnenministerium haben würde.

Was war diese Arbeit im öffentlichen Dienst für ein großes Abenteuer! Und was war es auch für ein großes Vergnügen, in den unterschiedlichen Bereichen eingesetzt zu sein, also zum Beispiel in der Bezirksregierung mitarbeiten zu dürfen, in einer Fachhochschule arbeiten zu dürfen, dort Personalverantwortung zu tragen, als hauptamtlicher Bürgermeister in einer Gemeinde zu arbeiten, in der Gemeinde Krummhörn im Zentrum Europas! Was habe ich in dieser Zeit für tolle Menschen kennengelernt! Was habe ich für Menschen kennengelernt, die supergute Arbeit geleistet haben, die nicht jeden Tag nach Boni gefragt haben, sondern die um ihre Verantwortung für den Staat und für die Demokratie wussten

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

und die sich auch Gedanken um die Weiterentwicklung des Staates gemacht haben und natürlich immer auch mit einem Blick auf die Politik und darauf geschaut haben, ob es da auch richtig weitergeht!

Jetzt darf ich im Bundesinnenministerium arbeiten und finde ein Team vor, das hochprofessionell und ernsthaft an den Themen und an den Herausforderungen unserer Zeit arbeitet. Wir sind ja das Ministerium des Innern und für Heimat. Lassen Sie es mich deswegen in meiner Heimatsprache sagen: Man mutt sük up sien Lüü verlaaten könen – anners büst verlaaten genuch.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wissen aber, dass es neben den vielen tollen Menschen im öffentlichen Dienst auch Menschen gibt, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung den Rücken gekehrt haben und trotzdem weiter im Staatsdienst tätig sind. Zwar sind es sehr wenige, die auffallen; aber diese Einzelfälle schädigen das Vertrauen in die Integrität des öffentlichen Dienstes. Wenn Extremisten jahrelang im Beamtenverhältnis bleiben und während dieser Zeit weiter aus Steuergeldern alimentiert werden, dann ist das nicht vermittelbar. Gut ist deswegen, dass Bundesministerin Faeser den Aktionsplan gegen Rechtsextremismus erstellt hat, und diese Maßnahme ist eine der Maßnahmen aus diesem Aktionsplan.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Hier muss der Staat handlungsfähig und glaubwürdig sein und es auch bleiben.

Diese Glaubwürdigkeit ist auch eine Frage der Zeit. Ich habe es als Personalleiter der Fachhochschule Ostfriesland und als Bürgermeister der Gemeinde Krummhörn als Personalverantwortlicher selber erlebt: Wenn etwas vorkommt, versuchen natürlich alle Personalverantwortlichen, die Entfernung aus dem Dienst erst mal zu vermeiden, die Bediensteten auf den Weg der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zurückzuführen und ihnen zu helfen, dort wieder anzukommen. Aber manchmal hilft das eben alles nichts, und dann kommt es zu einer Disziplinarklage. Disziplinarklagen in der Bundesverwaltung dauern im Moment durchschnittlich vier Jahre,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Wahnsinn!)

in Einzelfällen sogar sehr viel länger. Das wollen wir mit der Reform des Bundesdisziplinargesetzes angehen. Mit der Entfernung durch den Dienstherrn – und eben nicht erst durch ein Gericht – werden wir Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung beschleunigen; denn es vergeht deutlich weniger Zeit zwischen festgestelltem Fehlverhalten und dessen Ahndung, wenn die Behörde die Entfernung aussprechen kann. Und anders als bisher braucht die Kontrolle der behördlichen Entscheidung nur eine Gerichtsinstanz statt wie bisher zwei. Auch das Gerichtsverfahren wird jetzt also deutlich schneller.

Und weil das gern falsch dargestellt wird: Das Verfahren ist verfassungskonform; das hat das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt. Kein Beamter verliert seinen Status, ohne dass er Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Die rechtsstaatlichen Grundsätze des Disziplinarrechtes, die Unschuldsvermutung, die behördliche Beweislast für das Dienstvergehen, rechtliches Gehör und effektiver Rechtsschutz werden durch die Reform nicht angetastet. Und – auch das möchte ich betonen – die Entfernung durch den Verwaltungsakt ist kein Misstrauensvotum gegen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Im Gegenteil: Wir schützen hierdurch gerade die vielen rechtstreuen und integren Beamtinnen und Beamten im öffentlichen Dienst, die jeden Tag tolle Arbeit für die Menschen leisten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ebenfalls zum Gesetzespaket der Bundesregierung gehört die leichtere Beendigung des Beamtenverhältnisses bei Volksverhetzung. Wer im Dienst dieses Staates Hass schürt, wer gegen Menschen hetzt, hat im Dienst dieses Staates einfach nichts zu suchen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Initiative der Innenministerkonferenz dazu haben wir gerne aufgegriffen.

Wir müssen uns künftig, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch mehr damit beschäftigen und darüber nachdenken, wie wir Menschen für den öffentlichen Dienst gewinnen, sodass sie am Ende ihrer Laufbahn sagen können: Was ist das für ein großartiges Abenteuer gewesen, im öffentlichen Dienst arbeiten zu dürfen an den jeweiligen Möglichkeiten, die es eben gibt! Es geht um Attraktivität, es geht um Diversität des öffentlichen Dienstes. Es geht auch um Durchlässigkeit von Laufbahnen, zum Beispiel um Möglichkeiten für IT-Experten, auch bei Durchbrechung des Laufbahnrechtes im öffentlichen Dienst eingestellt zu werden.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Sehr gut!)

Auch dafür muss klar sein – damit der öffentliche Dienst attraktiv ist –, dass Extremisten sich nicht im öffentlichen Dienst befinden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Dazu an anderer Stelle mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Reform des Bundesdisziplinarrechts ist ein wichtiger Baustein, um unseren Rechtsstaat widerstandsfähiger gegen Extremisten zu machen. Ich bitte um Ihre Unterstützung des Gesetzentwurfes. Ich freue mich auf den Dialog im parlamentarischen Verfahren und bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die Unionsfraktion hat das Wort Petra Nicolaisen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553915
Wahlperiode 20
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung
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