Hakan DemirSPD - Finanzierung von Grenzschutzzäunen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war, wie einige hier im Haus auch, vor ein bis zwei Wochen bei den Beschäftigten der Post und habe dort natürlich mit den Menschen gesprochen. Es waren auch einige da, die einen Fluchthintergrund hatten. Ein Kollege kam auf mich zu und hat gesagt: Herr Demir, die sind genau wie wir. Die sind genauso fleißig wie wir; die machen ihre Arbeit. Die gehören hier dazu. – Das ist ein Gedanke, den es hier in diesem Land, bei den Beschäftigten vor Ort, auch gibt. Sie brauchen diese Menschen als Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
In der jüngsten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird auch noch mal ganz klar gesagt: Wenn es den Zuzug aus dem Ausland nicht geben würde, wäre die Beschäftigtenzahl in Deutschland rückläufig. – Da funktioniert es also auch. Die Zahlen zeigen deutlich, dass, anders als hier behauptet, auch viele, viele Menschen, die einen Fluchthintergrund und eine Migrationsgeschichte haben, hier in diesem Land sozialversicherungspflichtige Jobs haben.
Jetzt konkret zu Ihrem Antrag. Sie wollen Mauern und Zäune aufbauen. Ich glaube, wenn man sich die Geschichte anguckt, auch unsere Geschichte, merkt man, dass eine Mauer nie Sinn gemacht hat. Wenn ich mir weiterhin andere Länder in der Europäischen Union anschaue, zum Beispiel Spanien mit Melilla, wo letztes Jahr 37 Menschen gestorben sind, als sie über den Zaun geklettert sind oder am Zaun waren, dann glaube ich, dass es keine Politik der Welt wert ist, so etwas aufzubauen, in dem Wissen, dass dann am Ende Menschen sterben können.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Wir brauchen keine Mauern, keine Zäune, sondern wir brauchen clevere, kluge Politik. Ein Ansatz, was ich auch bei uns in der Ampel sehe, ist, dass wir Abkommen schließen mit Ländern, zum Beispiel Georgien. Warum machen wir nicht ein Abkommen mit Georgien und sagen den Menschen vor Ort: „Ihr könnt mit Arbeitsvisa nach Deutschland kommen und hier arbeiten“, da wir ja die ganze Zeit sagen, wir brauchen 400 000 Fach- und Arbeitskräfte? Also, das würde Sinn machen.
Aber was machen wir gerade? Wir schicken jedes Jahr etwa 1 000 Menschen aus Georgien von Deutschland wieder zurück. Das macht eigentlich nicht so viel Sinn; deshalb wäre es ein Ansatz, dass wir diese Abkommen mit den Ländern schließen und ganz deutlich machen: Es gibt diesen sicheren Weg nach Deutschland oder nach Europa. Meinetwegen können wir auch sagen: Wir brauchen euch hier.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und weil auch das zu kurz kommt – ich sage das jetzt nicht voller Stolz, sondern deskriptiv und einfach mal klar, weil immer wieder gesagt wird, in Deutschland wird nicht abgeschoben –: Wir haben letztes Jahr 13 000 Menschen abgeschoben, und 26 000 Menschen sind freiwillig gegangen. Das sind die Fakten. Wir haben da auch einen Anstieg, aber ich will hier noch mal klar sagen: Mir wäre es eigentlich viel lieber, wenn wir von Grund auf diese Abkommen mit den Ländern hätten, sodass die Menschen von Grund auf über Arbeitsvisa zu uns kommen, statt dass wir am Ende sagen: Ihr habt einen geringeren Schutzstatus oder eine geringere Schutzquote.
Der letzte Punkt. Was wir hier im Parlament, glaube ich, dieses Jahr sehr wenig angesprochen haben, und was ich, ganz offen gesagt, auch in dem Beschluss der MPK vermisst habe, ist, dass wir – –
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wir haben da mehr vermisst!)
– Ja, es gab einige Sachen.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ja, da war doch was!)
Ein Punkt, den ich vermisst habe – darauf wollen Sie vielleicht nicht eingehen –: Wir haben letztes Jahr über 121 Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte gehabt. 121! Niemand spricht darüber – nicht die MPK, nicht die Ministerpräsidenten, wir jetzt gerade auch nicht –; deshalb will ich es einmal gesagt haben. Wir müssen auch diese Frage in unsere Politik einbetten: Wie können wir eigentlich die Menschen schützen, die hier sind, die hier Schutz brauchen; denn deren Unversehrtheit ist natürlich genauso wichtig wie die Unversehrtheit von allen anderen Menschen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Auch dafür werden wir uns einsetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion Michael Brand.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553970 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 103 |
Tagesordnungspunkt | Finanzierung von Grenzschutzzäunen |