12.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 104 / Tagesordnungspunkt 22

Gabriela HeinrichSPD - 75. Jahrestag Gründung des Staates Israel

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Herr Bundespräsident! Sehr geehrter Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und nicht zuletzt: Liebe Gäste! Zum 75. Jubiläum wünsche ich allen Menschen in Israel von ganzem Herzen alles Gute, Frieden und eine erfolgreiche Zukunft.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Israel ist vor allem eines: Es ist einmalig. Dieses Land blickt auf eine jahrtausendealte Geschichte zurück. Das heutige Israel ist aus Hoffnung, aber auch aus Schmerz entstanden. Die Staatsgründung war die Antwort auf den von Deutschen verübten Holocaust, dem Jahrhunderte von Antisemitismus vorausgingen.

Juden und Jüdinnen haben jahrhundertelang die Kultur in Europa mitgeprägt. Dabei wurden sie entrechtet, verfolgt, sie wurden vertrieben und umgebracht. Im 20. Jahrhundert stellte der Holocaust, von Deutschen verantwortet, den eigentlich undenkbaren Abgrund des Antisemitismus dar. Nach diesem unfassbaren und beispiellosen Verbrechen wurde Israel zum Zufluchtsort.

Das Land wurde aufgebaut, aber auch geprägt durch Kriege und Terror. Yitzhak Rabin, Schimon Peres und Jassir Arafat erhielten den Friedensnobelpreis, weil sie glaubten, dass Israel und Palästinenser friedlich zusammenleben können. Dass indes Rabin von einem jüdischen Extremisten ermordet wurde, zeigte die tiefen Risse innerhalb der israelischen Gesellschaft. Trotzdem wurde weiter ein demokratischer Staat aufgebaut – bis heute der einzige demokratische Staat in der Region.

Israel und Deutschland sind heute freundschaftlich verbunden, und diese Beziehung ist unendlich kostbar. Die Versöhnung zwischen Deutschland und den Jüdinnen und Juden erfüllt mich, erfüllt uns mit großer Dankbarkeit. Erscheint es nicht nach dem Holocaust wie ein Wunder, dass die Jugend und die Menschen der Zivilgesellschaft sich so rege austauschen?

Aber klar ist auch: Deutschland ist alles andere als frei von Antisemitismus. Synagogen und jüdische Schulen müssen bewacht werden. Wir haben uns mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass es im letzten Jahr in Deutschland 2 641 antisemitische Straftaten gab, darunter 88 Gewaltdelikte. Das ist unerträglich, und unsere Aufgabe als Politiker und Politikerinnen ist es, dass sich Jüdinnen und Juden in unserem Land sicher fühlen können.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der LINKEN)

Für die SPD-Bundestagsfraktion kann ich sagen: In den Fußstapfen von Ollenhauer, Brandt und Rau wollen wir die deutsch-israelische Freundschaft leben. Deshalb war es uns auch besonders wichtig und unsere erste Priorität, die Deutsch-Israelische Parlamentariergruppe, die ich leiten darf, zu besetzen. Diese Parlamentariergruppe, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf niemals in undemokratische Hände fallen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Erst vergangene Woche war ich wieder in Israel, und ich möchte meine Eindrücke so zusammenfassen: Wenn man mit einer Gruppe Menschen aus Israel spricht, dann entsteht in der Regel sofort eine lebhafte Debatte – auch der Israelis untereinander. Israel ist nicht nur die einzige Demokratie in der Region; Israel ist eine unglaublich lebendige Demokratie mit einer sehr starken Zivilgesellschaft.

Sie, Herr Botschafter, haben neulich im deutschen Fernsehen gesagt, Sie seien stolz auf diese Demokratie. Und wir Deutsche, wir sind stolz, dass wir uns Freunde des Staates Israel nennen dürfen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Und wie in jeder echten Freundschaft sind Ehrlichkeit und Offenheit im gegenseitigen Umgang ganz grundlegende Werte. Deshalb sollte man auch Sorgen über Aspekte des Regierungshandelns in Israel äußern dürfen. Zum Beispiel sprechen wir den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten an. Und viele Israelis sagen mir, die Justizreform gefährde ihre Demokratie. Entsprechend engagieren sie sich in der gesellschaftlichen Debatte und gehen auf die Straße.

Ich höre aus Israel auch mahnende Worte hinsichtlich des Konflikts mit den Palästinensern: Das Leid auf beiden Seiten sei unendlich groß; es stehe viel auf dem Spiel, und der Konflikt sei eine große Gefahr für das jüdische Volk. Für sie liegt ein Ausgleich mit den Palästinensern in zentralem Sicherheitsinteresse. Das ist es, was ich aus Israel höre und sehe.

Wie stark die Sicherheit bedroht ist, sieht man an den Raketen, die diese Woche auf Tel Aviv abgeschossen wurden. Ich möchte es ganz klar sagen: Israel hat jedes Recht, sich zu verteidigen, und die aktuellen Angriffe sind aufs Schärfste zu verurteilen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)

Die verhandelte Zweistaatenlösung scheint jetzt unendlich weit entfernt. Letztlich können nur Israelis und Palästinenser gemeinsam zum Frieden finden. Was uns Mut machen sollte, das sind die vielen engagierten, politisch interessierten und weltoffenen Menschen, die sich mit der jetzigen Situation nicht abfinden wollen. Masel tov, Israel!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Matthias Moosdorf.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554039
Wahlperiode 20
Sitzung 104
Tagesordnungspunkt 75. Jahrestag Gründung des Staates Israel
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta