Dietmar NietanSPD - 75. Jahrestag Gründung des Staates Israel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
(Stephan Brandner [AfD]: Der ist nicht mehr da!)
Sehr geehrter Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht einmal drei Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, dem unauslöschlichen Kainsmal des von Deutschen begangenen präzedenzlosen Menschheitsverbrechen der Shoah, an jenem 14. Mai 1948 tanzen junge Jüdinnen und Juden überall in Europa und der ganzen Welt auf den Straßen und Plätzen. Sie feiern ein Wunder: die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel. Was für eine starke Antwort auf den Judenhass der Nazis und den Antisemitismus überall auf der Welt! Jüdinnen und Juden aus der ganzen Welt sollen endlich eine sichere Heimat haben. Nie wieder sollen Jüdinnen und Juden entmenschlicht und massenweise umgebracht werden.
Diese Lehre aus der Geschichte prägt bis heute die DNA des Staates Israel. Umso mehr muss es uns Deutsche mit Demut und Dankbarkeit erfüllen, dass sich ausgerechnet für uns die Türen und Herzen so vieler Israelis öffneten und wir uns heute Freunde Israels nennen dürfen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deshalb sei es dem Iran und allen anderen Feinden Israels noch einmal in aller Klarheit gesagt: Deutschland steht unverbrüchlich und unwiderruflich zum Existenzrecht Israels.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Israel ist ein Land, das wohl jeden, der es erlebt, in seinen Bann zieht, ein Land, das so viel Geschichte und Aufbruch in sich vereint und das bewohnt ist von großartigen Menschen mit Wurzeln in der ganzen Welt. Deshalb sage ich heute von ganzem Herzen: Herzlichen Glückwunsch und alles Gute, Israel!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Doch seit dem Anfang seiner Existenz sah sich Israel der Feindschaft und den daraus resultierenden militärischen Angriffen und Terrorattacken seiner arabischen Nachbarn ausgesetzt. Israel hat sich nicht nur erfolgreich verteidigt, sondern hat schließlich die Kontrolle über den Konflikt erlangen können. Doch der Preis dafür war und bleibt hoch; denn der Schmerz, den im Laufe der Jahrzehnte Kriege, Gewalt, Besatzung, Tod, Hass über zahllose Israelis, aber auch über zahllose Palästinenserinnen und Palästinenser gebracht haben, ist unermesslich. Angst, Hass und Demütigung haben sich auf beiden Seiten tief und unheilvoll in das tägliche Leben und Erleben des anderen eingefressen.
Der zunehmende politische Einfluss radikaler Kräfte auch in der jetzigen israelischen Regierung oder auch der immer weitere Ausbau völkerrechtswidriger Siedlungen im Westjordanland lässt gerade auch uns, die Freunde Israels, regelrecht verzweifeln. In den besetzten palästinensischen Gebieten fühlen sich die radikalen jüdischen Siedler angesichts der jetzigen Regierungskonstellation erst recht ermutigt, gegen Palästinenserinnen und Palästinenser in deren eigenem Heimatland schonungslos und auch mit brutaler Gewalt vorzugehen. So blicken wir als Freunde Israels heute mit Sorge auf ein Land, welches seinen inneren Zusammenhalt zu verlieren droht, welches möglicherweise die großartige Fähigkeit, nicht nur seine Sicherheit, sondern auch seine Stellung als derzeit einziger freier demokratischer Staat in der Region zu erhalten, auf eine harte Probe gestellt sieht. Ich wünsche allen Menschen in Israel von ganzem Herzen eine glückliche Zukunft. Doch die kann es am Ende nur mit innerem und äußerem Frieden geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, all die vielen engagierten Menschen in Israel, die derzeit in landesweiten Protesten die liberale Demokratie in ihrem Land verteidigen, setzen auch auf Signale von außen. Sie empfinden von echter Sorge geprägte Kritik an der derzeitigen israelischen Regierung nicht als unangebracht.
Auch was den Nahostkonflikt angeht, dürfen wir uns nicht in die Reihe derer einreihen, die meinen, man müsse einfach nur den Status quo managen. Die Zweistaatenlösung muss das Ziel bleiben, hinter dem sich die Freunde Israels weiter versammeln sollten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber mit gebetsmühlenartigem Beschwören dieser Zweistaatenlösung allein ist es nicht getan. Ich bin froh, wenn es neue Initiativen gibt, mitzuhelfen, dass Israelis und Palästinenser wieder zusammen über den Frieden reden und so kleine Schritte gemacht werden, die uns dem Frieden in der Region näherbringen. Dazu braucht es auch neue Impulse. Ich denke da beispielsweise an die israelisch-palästinensische Idee einer Holy Land Confederation von Dr. Yossi Beilin, ehemaliger Minister und Architekt vieler Friedensprozesse, und Dr. Hiba Husseini, die beide zuletzt auch hier in Berlin vorgestellt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch mal betonen: Wir haben die Verantwortung, überall in Israel und Palästina diejenigen zu stärken, die die Eskalationsspirale durchbrechen und für den Frieden hart arbeiten wollen; denn die Aussicht auf Frieden ist wohl das, was wir Israel zum Geburtstag am meisten wünschen. Den Glauben, dass das möglich ist, dürfen wir niemals verlieren. Halten wir es mit David Ben-Gurion, der sagte: Wer in Israel nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Jürgen Braun.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554048 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 104 |
Tagesordnungspunkt | 75. Jahrestag Gründung des Staates Israel |