12.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 104 / Tagesordnungspunkt 22

Kerstin GrieseSPD - 75. Jahrestag Gründung des Staates Israel

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Botschafter Ron Prosor! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel, das ist ein Feiertag. Ich denke, das ist Konsens unter den demokratischen Fraktionen hier im Haus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Als David Ben-Gurion am 14. Mai vor 75 Jahren in Tel Aviv die israelische Unabhängigkeitserklärung verlesen hat, war das, so wörtlich in der Erklärung, „die Gründung eines freien, unabhängigen und demokratischen jüdischen Staates“.

Die Freundschaft zwischen Deutschland und dem jüdischen und demokratischen Staat Israel bleibt für uns nach den Verbrechen der Shoah für immer ein großes Geschenk.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN und der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Freundschaft erfüllt uns mit Demut und Dankbarkeit. Sie war und ist nicht selbstverständlich; denn wir sollten nicht vergessen, dass die deutsch-israelischen Beziehungen in den ersten Jahrzehnten wahrlich kein Ruhmesblatt waren. Die Bundesrepublik Deutschland war auf vielen Ebenen von alten Nazis durchsetzt. Das in Luxemburg unterzeichnete Wiedergutmachungsabkommen von 1952 fand nur deshalb eine Mehrheit im Deutschen Bundestag, weil die SPD-Fraktion geschlossen zustimmte. Viele Abgeordnete der damaligen Regierungskoalition verweigerten ihre Zustimmung.

Die ersten Kontakte und Reisen in den neugegründeten Staat Israel gingen in den 50er-Jahren von sozialdemokratischen Studierendengruppen, von den Falken, von der Gewerkschaftsjugend und von christlichen Jugendgruppen aus. 1958 wurde auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland die Aktion Sühnezeichen gegründet, die seitdem Freiwilligendienste weltweit organisiert mit dem Ziel, aus den Verbrechen des Nationalsozialismus zu lernen und daraus konkretes Handeln für den Frieden in der Gegenwart abzuleiten. Und es war 1957 der damalige SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer, der der erste Deutsche war, der eine öffentliche Rede als offizieller Gast des israelischen Staates halten konnte. 1960 reiste Willy Brandt nach Israel. Die Gründung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft 1966 – die Vizepräsidentin Michelle Müntefering ist auch hier – wurde von der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten und von SPD-Bundestagsabgeordneten vorangetrieben. Ich sage das, um deutlich zu machen, dass für die deutsche Sozialdemokratie die Freundschaft mit Israel von ganz besonderer Bedeutung ist, als Lehre aus der Geschichte und als Aufgabe für die Zukunft.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Torsten Herbst [FDP])

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können stolz darauf sein, welche Rolle gerade junge Menschen in den Beziehungen spielen, sowohl in den Anfangsjahren als auch heute. Deshalb von hier aus ein herzlicher Dank an das Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch, an ConAct, das so viele Kontakte ermöglicht. Sie brauchen unsere Unterstützung, übrigens auch finanziell. Es gibt inzwischen 400 Partnerschaften zwischen Jugendverbänden, Sportvereinen, kirchlichen und kommunalen Jugendeinrichtungen. Circa 10 000 junge Deutsche haben jedes Jahr die Möglichkeit, über Austauschprogramme, über Schulpartnerschaften, den Freiwilligendienst oder im Rahmen der beruflichen Bildung in Kontakt mit Israelis zu kommen. Das ist ganz wichtig für die Verständigung. Das wollen wir ausbauen. Der Deutsche Bundestag hat schon 2018 beschlossen, ein deutsch-israelisches Jugendwerk aufzubauen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie mir geht es sicherlich vielen hier in den demokratischen Fraktionen: Die persönliche Begegnung mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die die Shoah überlebt haben, der Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, die Begegnung mit Freundinnen und Freunden in Israel sind mir sehr wichtig. Das deutliche Eintreten gegen jede Form des Antisemitismus und die Verantwortung vor unserer, der deutschen Geschichte prägen ganze Generationen.

Zur Freundschaft mit Israel gehört für mich auch das Engagement für eine Zweistaatenlösung, für eine Verständigung mit den Palästinenserinnen und Palästinensern, die auch eine friedliche und sichere Zukunft benötigen. Denn ein demokratisches und weiterhin mehrheitlich jüdisches Israel ist für einen dauerhaften Frieden darauf angewiesen, mit seinen Nachbarn in Frieden zu leben. Und den wünschen wir ihm doch so sehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank an all die Projekte, die sich dafür einsetzen! Als Beispiel will ich das Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem nennen, einen der wenigen Orte dort, wo sich palästinensische, israelische und deutsche Jugendliche begegnen, miteinander austauschen und kennenlernen können. Das ist ganz wichtig.

75 Jahre Israel sind ein Grund zur Freude. Aber ich denke gleichzeitig an die vielen Menschen, die in mehreren Kriegen um die Existenz dieses Staates gestorben sind, und diejenigen, die heute wieder in Angst leben: vor den Raketen des Islamischen Dschihads, der Hamas und der Hisbollah, vor antisemitischen Hassparolen und der Aufrüstung des Terrorregimes im Iran. Und deshalb sage ich ganz klar: Das demokratische Deutschland steht auf der Seite Israels; denn das ist mit Israels Sicherheit als deutscher Staatsräson gemeint.

Lieber Herr Botschafter, Sie haben vor ein paar Tagen – ich glaube, am Sonntagabend – in einem Interview gesagt, dass Sie stolz auf die Demonstrationen für die Demokratie sind, die wir zurzeit erleben. Auch ich bin beeindruckt: Alle meine Freundinnen und Freunde in Israel gehen auf die Straße und demonstrieren dafür, dass ihr Land, die einzige Demokratie im Nahen Osten, demokratisch bleibt. Das ist ein starkes Zeichen.

Auch von mir herzlichen Glückwunsch zum 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel! Masel tov und alles Gute für eine friedliche Zukunft!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Michael Roth.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554052
Wahlperiode 20
Sitzung 104
Tagesordnungspunkt 75. Jahrestag Gründung des Staates Israel
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