12.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 104 / Tagesordnungspunkt 27

Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Recht auf Wohnungstausch

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Frau Präsidentin! Vielen Dank für die Anrede „Don“ – ich glaube, da haben Sie mich wahrscheinlich mit Robert Habeck verwechselt.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden in der Tat über ein ernstes Thema. Es gibt wenige Momente, wo ich meinem Kollegen Bernhard Daldrup zustimmen kann, aber hier hat er tatsächlich die wesentlichen Punkte schon richtig ausgearbeitet. Natürlich ist die Analyse, die Die Linke hier vornimmt, zutreffend: Wir haben steigende Mieten. Das ist in der Tat eine soziale Herausforderung, und weil es eine soziale Herausforderung ist, ist es natürlich auch eine Herausforderung, die der Politik ins Stammbuch geschrieben ist und der wir uns annehmen müssen.

Die Frage ist nur: Wie nehmen wir uns dieser Herausforderung an? Bei der Linken, allerdings auch bei der Ampel, ist das wesentliche Konzept, das man immer hört: Mehr regulieren; wir müssen stärker in das Mietrecht eingreifen. – Wir haben das gerade bei der Kollegin Caren Lay gehört, die schon wieder das Hohelied auf den Mietendeckel gesungen hat. Das wird am Ende die Probleme, die wir auf dem Wohnungsmarkt haben, nicht lösen. Das Einzige, was die Probleme tatsächlich löst, was gegen steigende Mieten nachhaltig hilft, ist, wenn wir das Wohnungsangebot verbreitern, wenn wir den Rahmen so setzen, dass mehr, schneller und kostengünstiger gebaut werden kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wollen nun mit einem Recht auf Wohnungstausch die Probleme lösen. In der Tat muss man sich fragen: Ist das ein geeignetes Instrument? Ist die Art und Weise der Umsetzung Ihres Vorschlags richtig? Die Zahlen aus Berlin sind zum Teil schon angesprochen worden. Hier gibt es bereits kommunale Tauschplattformen. Ich weiß von den Berliner Wohnungsgesellschaften – immerhin sechs an der Zahl –, die 350 000 Wohnungen in ihrem Portfolio haben, dass darüber in den letzten fünf Jahren gerade einmal 450 Wohnungstausche abgewickelt wurden, also nicht einmal 100 Wohnungstausche pro Jahr.

Das zeigt sehr deutlich: Es gibt zwar Menschen, die aus Sicht der Linken in zu großen Wohnungen wohnen.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist doch Quatsch! Das habe ich nie gesagt! Das weißt du doch!)

Aber das sind Menschen, die dort schon seit 10, 20 oder 30 Jahren wohnen. Sie sind tief verwurzelt in ihrem Kiez. Wir wollen sie nicht mit Instrumenten,

(Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch niemand gesagt! – Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll denn das?)

die am Ende einen sozialen Druck auf sie ausüben, herausbekommen. Angebot und Nachfrage passen an der Stelle nicht zusammen. Deswegen ist das Recht auf Wohnungstausch ein falsches Instrument, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage von der Kollegin Lay?

Immer gerne.

Verehrter Herr Kollege Luczak, wir beide arbeiten schon seit vielen Jahren gemeinsam an diesem Themengebiet. Sie haben jetzt suggeriert, wir würden auf Seniorinnen und Senioren Druck ausüben und ihnen einreden, dass sie ausziehen müssen. Ich will Sie fragen, ob Sie sich daran erinnern – wir haben beide hier im Plenum und im gleichen Ausschuss gesessen –, dass wir als Linke dreimal eine Verbesserung des Kündigungsschutzes gefordert haben, sowohl bei der Eigenbedarfskündigung als auch bei der Schonfristzahlung, und explizit gefordert haben: „Keine Kündigung von Menschen über 70 Jahren!“.

(Beifall bei der LINKEN)

All diese Vorschläge haben Sie abgelehnt. Deswegen finde ich es wirklich wohlfeil – das ist einfach nicht sachlich und nicht korrekt –, hier so zu tun, als wollten wir das Gegenteil. Sind Sie bereit, die Kritik anzunehmen, dass Sie es waren, die einen besseren Kündigungsschutz auch für Seniorinnen und Senioren immer wieder abgelehnt haben?

(Beifall bei der LINKEN – Bernhard Daldrup [SPD]: Da hat sie recht!)

Ich bin nicht bereit, das zu akzeptieren; denn es sind zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe gerade davon geredet, dass durch ein Recht auf Wohnungstausch natürlich ein sozialer Druck entsteht. Wenn die 90-jährige Dame in einer 150-Quadratmeter-Stuck-Altbauwohnung mit fünf Zimmern wohnt,

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch unrealistisch!)

während eine Familie keine Wohnung bekommt,

(Hanna Steinmüller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das besteht doch momentan auch!)

dann werden im Umfeld der Dame natürlich Fragen laut: Mensch! Was machst du denn mit den fünf Zimmern? Kannst du dir nicht vorstellen, dich zu verkleinern? – Natürlich gibt es da sozialen Druck.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man doch gar nicht mehr putzen!)

Das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob man die mietrechtlichen Regelungen zum Schutz vor Kündigungen für Menschen im Alter anpasst.

Ich kann mich noch sehr gut an die Debatte erinnern. Sie haben vorgeschlagen, dass Eigenbedarfskündigungen für Menschen über 70 Jahre ausgeschlossen werden.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig! Der ist auch gut! Guter Vorschlag!)

Das war Ihr Vorschlag. Den haben wir als Union in der Tat abgelehnt, und zwar aus einem guten Grund. Denn was passiert? Ältere Menschen werden heute richtigerweise – das sage ich ganz ausdrücklich – von der Rechtsprechung geschützt, weil sie in ihrem Kiez verwurzelt sind, nach dem Motto: „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“.

(Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Bei der Abwägung der Interessen hinsichtlich einer Eigenbedarfskündigung ist das Alter des Menschen immer ein richtiges Argument. Aber was passiert, wenn man eine starre Grenze setzen und sagen würde: „70 Jahre ist die Grenze; danach kann wegen Eigenbedarf nicht mehr gekündigt werden“? Diese alten Menschen bekommen nie wieder einen Mietvertrag.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Am Ende tun Sie diesen Menschen einen Tort an. Deswegen haben wir das abgelehnt, und zwar zu Recht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage von Frau Menge von Bündnis 90/Die Grünen?

Ja, bitte.

Danke schön, Herr Luczak, dass Sie die Frage zulassen. – Der von mir sehr geschätzte Kollege Daniel Fuhrhop ist in der Republik für solche Konzepte bekannt. In einigen Städten mit genau diesem Angebot ist es gelungen, Folgendes zu erreichen: Zum Beispiel hat eine Familie mit mehreren Kindern eine größere Wohnung gefunden, und ein älteres Ehepaar, eine alleinstehende Frau, ein alleinstehender Mann waren froh, durch einen Wohnungstausch in eine kleinere Wohnung zu ziehen – völlig freiwillig und ohne Zwang. Warum unterstellen Sie, dass man Menschen zwanghaft auffordern will, diesen Tausch vorzunehmen? Warum reden Sie nicht positiv über die Möglichkeit, dass es in Zeiten von Wohnungsnot dieses unbürokratische Angebot gibt?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich bin gleich auf das Abstimmungsverhalten der Grünen gespannt. – Aber, Frau Kollegin, ich rede überhaupt nicht dagegen. Ich sage ja gerade: Es gibt diese Angebote auf freiwilliger Basis durch die kommunalen Gesellschaften. Es ist auch richtig, dass man ein solches Angebot schafft. Nur leider zeigt ein Blick auf die Realität, dass das am Ende nicht ausreichen wird, um die Probleme, die wir auf dem Wohnungsmarkt haben, zu lösen.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Das hat doch keiner gesagt! – Hanna Steinmüller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bestreitet auch keiner!)

Der Punkt, den ich gerade deutlich machen wollte – der Kollege Daldrup hat durchaus in die gleiche Richtung argumentiert –, ist: Wenn man ein solches Recht schafft, dann wird es am Ende so sein, dass durch die Fragen an die älteren Menschen, die aus Sicht der Linken in vermeintlich viel zu großen Wohnungen leben,

(Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist doch wirklich eine Lüge! Unterstell uns das doch nicht!)

eine Drucksituation entstehen kann und sich die Menschen dafür rechtfertigen müssen, dass sie eben nicht aus ihrer Wohnung ausziehen, mit der sie viele Erinnerungen aus jahrzehntelangem Leben und Wohnen verbinden.

(Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Glauben Sie das wirklich? – Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ja wirklich böswillig!)

Das war der Punkt, wo ich sage: Wir müssen sehr aufpassen, dass die Gesellschaft an dieser Stelle nicht auseinanderdriftet.

(Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird sie nicht tun! Sie wird zusammenwachsen!)

Deswegen finde ich das Recht auf Wohnungstausch, das uns Die Linke hier vorschlägt, verfehlt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich finde dieses Recht aber auch aus einem anderen Grunde verfehlt. Denn am Ende ist das, was Sie hier als schnelle und pragmatische Lösung lobpreisen, etwas ganz anderes. Es ist ein tiefgreifender Eingriff in die Rechte von Eigentümern.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Ja, klar!)

Es ist ein tiefgreifender Eingriff in die Privatautonomie; denn am Ende drängen Sie den Vermieterinnen und Vermietern, den Eigentümern einen anderen Vertragspartner auf. Sie konstatieren am Ende einen Kontrahierungszwang.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Eigentum verpflichtet!)

Man muss sich immer vor Augen halten: Ein Mietverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis, das insbesondere auf gegenseitiges Vertrauen ausgelegt ist. Man muss den Partner kennen.

(Hanna Steinmüller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber man kennt die Mieter meistens nicht, wenn man einzieht!)

Wir reden jetzt nicht nur über die großen Wohnungsgesellschaften, sondern zum Beispiel über eine Einliegerwohnung in einem Einfamilienhaus, über kleine Wohneinheiten, wo der Eigentümer selbst mit im Haus wohnt. Dem sagen Sie jetzt: Wenn du nicht einen besonders triftigen Grund hast – Sie haben gesagt, Sie wollen das eng definieren –, dann kriegst du einen anderen Mieter, den du überhaupt nicht kennst, als Nachbarn in dein Haus. Da muss ich wirklich sagen: Das ist eine Entkernung des Eigentumsrechts, was Sie hier machen. Sie nehmen die Eigentümerrechte an dieser Stelle überhaupt nicht ernst. Das werden wir als Union nicht mitmachen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Ich will einen weiteren Punkt nennen, warum das in der Praxis am Ende nicht geht. Wir sehen doch, dass gerade die privaten Kleinvermieter, die – noch mal – den Großteil der Mietwohnungen in unserem Land stellen, richtigerweise und dankbarerweise sozial mit ihren Mieterinnen und Mietern umgehen. Da passiert über viele Jahre, zum Teil über Jahrzehnte überhaupt nichts hinsichtlich einer Mieterhöhung. Eine Investition in die Modernisierung der Wohnung und damit eine Mieterhöhung wird vorgenommen, wenn es einen Mieterwechsel gibt. Wenn Sie jetzt ein Recht auf Wohnungstausch etablieren, dann gibt es überhaupt keinen Zeitraum mehr, in dem eine solche Investition vorgenommen werden kann, in dem man in die Wohnung investieren kann, sie auf den neuesten Stand bringen kann, sie energetisch modernisieren kann. Das funktioniert dann einfach nicht mehr. Das heißt, Ihr Recht auf Wohnungstausch würde am Ende auch investitionshemmend wirken. Sie würden all die hehren Ziele, die wir richtigerweise in Bezug auf den Klimaschutz haben, ad absurdum führen. Es könnte kein barrieregerechter Umbau mehr erfolgen. All das wäre nicht möglich. Das heißt, die Substanz unseres Wohnungsbestandes würde durch eine solche Regelung leiden. Deswegen ist dies ein verfehlter Antrag.

Ich kann Ihnen nur sehr empfehlen – das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen der Ampel –: Kommen Sie nicht nur mit immer mehr Regulierungen! Kommen Sie nicht nur mit immer mehr Verboten! Es geht darum, dass wir einen gesetzlichen Rahmen schaffen, um mehr, schneller und kostengünstiger bauen zu können. Dann werden wir die Probleme, die wir auf dem Wohnungsmarkt haben, besser lösen können. Das muss das Ziel sein statt solcher verqueren Anträge, die Sie uns hier vorlegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Nächste Rednerin in dieser Debatte ist Hanna Steinmüller für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554166
Wahlperiode 20
Sitzung 104
Tagesordnungspunkt Recht auf Wohnungstausch
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