Anikó Glogowski-MertenFDP - Aktuelle Stunde - Scheitern bei der Restitution der Benin-Bronzen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sehr die AfD-Fraktion den kolonialen Strukturen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts nachhängt und nachtrauert, beweist diese Aktuelle Stunde. „ Restitution“ heißt bildungssprachlich „Wiederherstellung“. Im völkerrechtlichen Sinne heißt es sogar „Wiedergutmachung“. Es bedeutet, für einen Schaden aufzukommen, den ein Land einem anderen angetan hat. Im Falle der Benin-Bronzen bedeutet es aber sogar den Versuch der Wiedergutmachung für etwas, für das es eigentlich kaum eine Wiedergutmachung geben kann. Wir sprechen über die Rückgabe geraubten Kulturguts, meine Damen und Herren, und dies kann man nicht oft genug betonen.
Kunst und Kultur sind gemeinschaftsbildend. Die in einer Zeit und einer Gesellschaft geschaffenen Kunstschätze und Kulturgüter sind Ausdruck ihrer Identität. Im Zuge der Kolonialisierung sind solche identitätsstiftenden Kulturgüter aus den Ländern Afrikas entnommen worden. Der Wettlauf der kolonialen Großmächte kulminierte in der Afrika-Konferenz 1894 und führt uns heute dazu, dass wir das Geschehene auch aus der Sicht der Kulturpolitiker aufarbeiten müssen.
(Beifall des Abg. Johannes Schraps [SPD])
Die Rückgabe geraubter Kunstschätze und Kulturgüter ist nur ein kleiner Schritt, um das von den europäischen Kolonialmächten verursachte Unrecht aufzuarbeiten. Es ist nur der Anfang eines wichtigen Prozesses, der auch für andere Länder beispielhaft sein kann, die ein solches koloniales Erbe haben. Restitution schafft Vertrauen und legt eine Grundlage für langfristige außenpolitische Partnerschaften.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Partnerschaften zwischen unseren Nationen müssen jedoch auf Augenhöhe geschlossen werden, um neuen neokolonialen Strukturen vorzubeugen.
Umso mehr freue ich mich, dass wir in dieser Legislaturperiode die Restitution von Kulturgütern endlich nachhaltig voranbringen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es war und ist richtig, die Benin-Bronzen an Nigeria zurückzugeben, und es war wichtig und richtig, diese Rückgaben an keinerlei Bedingungen zu knüpfen. Denn noch einmal: „Restitution“ bedeutet „Wiedergutmachung“.
Dass die Unionsfraktion nun in das gleiche neokoloniale Horn wie die AfD stößt, enttäuscht maßlos,
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Martina Renner [DIE LINKE] – Dr. Christiane Schenderlein [CDU/CSU]: Oh!)
war es in der letzten Legislaturperiode doch Ihre Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die den Grundstein für die Restitution der Bronzen und sogar weiterer geraubter Kulturgüter legte
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Keinen Vertrag unterschrieben! Das hat sie nicht gemacht!)
und die Aufarbeitung der kolonialen Ereignisse als – Zitat – „blinden Fleck in unserer Erinnerungskultur“ bezeichnete.
Die Rückgabe ist erst wenige Monate her, schon schreien die Ewiggestrigen in neokolonialer Manier auf.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ist das die FDP? – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Dazu würde ich gerne mal Kubickis Meinung hören!)
Es sind dieselben Abgeordneten, die sonst darauf pochen, dass Deutschland sich aus den innenpolitischen Angelegenheiten anderer Länder raushalten solle,
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut! Völlig richtig! – Jörn König [AfD]: Eure Liberalen haben damals beim Kolonialismus mitgemacht! Eure Liberalen waren dabei!)
und die nun sogar von Fiasko und einem großen Scheitern sprechen.
Natürlich freuen wir uns, wenn die Öffentlichkeit Zugang zu den Benin-Bronzen bekommt.
(Jörg Schneider [AfD]: Wird sie aber nicht! Wenn sie sie nicht bekommt, ist es auch okay!)
Jedoch wurden bewusst keinerlei Bedingungen bei der Restitution der Benin-Bronzen gestellt, da es anmaßend ist, Eigentümern vorschreiben zu wollen, wie sie mit ihrem Eigentum umzugehen haben.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist ein Herrscherclan! Das ist nicht das Volk! Das Volk sieht davon nichts! Unglaublich! – Gegenruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Clan!)
An dieser Stelle erlaube ich mir einen Exkurs. Das Königreich Benin lag innerhalb der Staatsgrenzen des heutigen Nigeria. Zu dem Zeitpunkt, als die Bronzen 1897 durch die Kolonialherren des Vereinigten Königreichs geraubt wurden, waren sie Eigentum des Oberhaupts des Königreichs Benin, des Oba.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Der seine eigenen Leute als Sklaven verkauft hat!)
Dass nun der Staat Nigeria entschieden hat, dass die Bronzen an einen Nachfahren des Königshauses zurückgehen, ist allein die Entscheidung Nigerias.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wer ist denn Nigeria?)
Nun können wir, da die Redezeit es zulässt – ich habe noch eine Minute –,
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Gefühlt sind es zehn!)
auch noch einen Blick auf eine große Aufgabe der Museen werfen; das ist das Erforschen kulturellen Erbes. Ein großer Bestandteil dieser Forschung ist die Provenienzforschung, die wir in Zukunft dringend ausbauen und internationaler aufstellen müssen.
(Beifall des Abg. Helge Lindh [SPD])
Im vergangenen Oktober haben wir im Rahmen unseres Ausschusses für Kulturen und Medien erfahren dürfen, mit wie vielen Emotionen die Rückgabe von Kulturgütern verbunden ist. Dr. Peter Joch, der Leiter des Städtischen Museums in Braunschweig – mein Wahlkreis –, berichtete eindrücklich, wie wissensnährend und verbindend Restitutionsprozesse wirken können. Im Städtischen Museum Braunschweig befinden sich Gegenstände des Bangwa-Königreichs Lebang, die während der deutschen Kolonialherrschaft geraubt wurden und so in das Museum gelangten. Dr. Joch beschrieb sehr eindrücklich die bereichernde Zusammenarbeit zwischen dem Städtischen Museum, den Expertinnen und Experten aus Kamerun und den Repräsentanten des heutigen Bangwa-Königreichs, den Eigentümern der Objekte.
Darum wird es in Zukunft verstärkt gehen, meine Damen und Herren: die gemeinsame Aufarbeitung des kulturellen Erbes und die damit verbundene Restitution. Aber die Entscheidung, wie Eigentümer mit ihren Kulturgütern umgehen, obliegt allein den Eigentümern. Sobald aufgrund von geschehenem Unrecht und dessen Aufarbeitung Eigentumsübertragungen stattgefunden haben, ist es nicht an uns, Vorschriften zu machen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wir haben keinen Anspruch auf die Benin-Bronzen oder ihren Verbleib, und neokoloniale Zuckungen sollten wir tunlichst vermeiden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Vielen Dank, FDP! – Gegenruf der Abg. Anikó Glogowski-Merten [FDP]: Gern geschehen!)
Nächster Redner ist für die AfD Matthias Moosdorf.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554186 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 104 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Scheitern bei der Restitution der Benin-Bronzen |