Oliver KaczmarekSPD - Berufsbildungsbericht 2023
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht tatsächlich darum, berufliche Bildung nicht, wie so oft in manchen Debatten hier, nur zu beschwören, sondern die sich anbahnenden Strukturprobleme, die sich zeigen, gerade wenn man länger auf den Berufsbildungsbericht guckt, in den Griff zu bekommen. Herr Albani, es ist schon mutig, sich nach all den Jahren in Regierungsverantwortung hier in die Bütt zu stellen und so eine Rede zu halten; denn viele Strukturprobleme sind einfach lange ausgesessen worden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Albani [CDU/CSU]: Ich habe über das gesprochen, was hier und jetzt passiert! Und hier und jetzt passiert, dass die Ministerin nicht erscheint!)
Diese Probleme müssen wir in den Griff bekommen; denn es sind teilweise bedenkliche Befunde.
Es gibt viel zu viele unbesetzte Ausbildungsplätze, eine sinkende Nachfrage nach Ausbildungsplätzen, kombiniert mit einer weiterhin sinkenden Zahl von Schulabgängerinnen und Schulabgängern, mindestens noch bis 2026. Und wir stellen fest, dass sich der Ausbildungsmarkt seit Corona nicht erholt hat. Es gibt heute etwa 34 000 Ausbildungsplätze weniger als vor Beginn der Coronapandemie. Wir erinnern uns: Nach der Finanzmarktkrise war es ganz ähnlich: Der Ausbildungsmarkt ist abgesackt und hat sich nie wieder erholt, ist nie wieder auf den alten Stand zurückgekommen. Das sind Strukturprobleme, die dazu führen, dass wir, glaube ich, insbesondere drei Strategien verfolgen müssen. Diese hinterlegen wir auch ganz konkret, und wir haben sie teilweise schon – der Herr Staatssekretär hat das gerade ausgeführt – mit den Maßnahmen der Ampelkoalition hinterlegt:
Wir müssen erstens dafür sorgen, dass der Ausbildungsmarkt resilient bleibt. Dazu gehört ein anhaltend hohes Angebot an Ausbildungsplätzen, am liebsten natürlich betriebliche Ausbildungsplätze, dass wir den Ausbildungsmarkt resilient gegen Krisen machen, dass wir Unternehmen motivieren, auszubilden, und dass wir in den Regionen, wo es notwendig ist, außerbetrieblich ausbilden. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, den die Ausbildungsgarantie mit sich bringt: dass wir dort, wo das Angebot nicht ausreicht, auch außerbetrieblich ausbilden werden.
(Beifall bei der SPD – Stephan Albani [CDU/CSU]: Damit macht ihr das System kaputt!)
Zweite Strategie. Wir müssen alle Potenziale für Ausbildung heben. Es ist ja richtig, dass, wenn es einen Trend zu höherer Schulbildung gibt, wir die Berufsorientierung an Gymnasien verstärken und dafür sorgen, dass sich mehr Abiturientinnen und Abiturienten für eine berufliche Ausbildung interessieren. Die Exzellenzinitiative ist da ein richtiger und wichtiger Baustein. Aber wir dürfen nicht übersehen – das ist hier schon gesagt worden –: 2,6 Millionen junge Erwachsene ohne Berufsabschluss; 240 000 Jugendliche, die im letzten Jahr nicht in die Ausbildung gestartet, sondern im Übergangssystem gelandet sind. Wir müssen endlich in unseren Reden darüber zum Ausdruck bringen: Das sind keine Probleme, sondern Potenziale für den Ausbildungsmarkt. Die wollen wir heben, und dabei wollen wir niemanden aus dem Blick verlieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das Ergebnis der SPD-Bildungspolitik seit vielen Jahren!)
Zum Dritten. Wir müssen dafür sorgen, dass Jugendliche und Ausbildungsplätze besser zueinanderfinden. Das Matching-Thema ist ja in vielen Berufsbildungsberichten angesprochen worden. Ich glaube nur, dass die Zahl der unbesetzten Stellen und unversorgten Bewerber mittlerweile erfordert, dass wir eine regelrechte Matching-Offensive brauchen, damit mehr Jugendliche und Ausbildungsplätze zueinanderfinden.
(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
Das heißt konkret: frühere Berufsorientierung.
(Stephan Albani [CDU/CSU]: Am besten schon pränatal!)
Hubertus Heil hat in dieser Woche vorgeschlagen: Berufsorientierung ab der 5. Klasse. Richtig so! Das heißt darüber hinaus: mehr Mobilität und mehr bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende schaffen; das Programm „Junges Wohnen“ von Bauministerin Klara Geywitz ist angesprochen worden. Richtig so!
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen die Eltern mitnehmen, das ist richtig; denn auch am Küchentisch wird über die beste Zukunftsentscheidung von jungen Menschen diskutiert. Wir müssen sie für eine Ausbildung in Zukunftsberufen motivieren.
Und wir müssen in den Regionen, in denen es besondere Bedarfe gibt, die Sozialpartner ertüchtigen, ihnen Instrumente an die Seite stellen, das Matching in der Region zu verbessern. Die Einstiegsqualifizierung ist hier angesprochen worden. Die assistierte Ausbildung muss noch viel besser abgerufen werden; denn das zur Verfügung stehende Angebot wird gar nicht angenommen. Das sind Instrumente aus dem Werkzeugkasten der Ausbildungsgarantie, die dafür sorgen, dass wir vor Ort das Matching verbessern.
Insofern: Mehr Wertschätzung für berufliche Bildung – gerne. Das müssen wir immer zum Ausdruck bringen. Wohlstand, Transformation, Innovation, all das bedarf gut ausgebildeter Fachkräfte.
Aber es geht eben nicht nur um warme Worte; es geht darum, dass berufliche Bildung uns auch etwas wert sein muss, damit Jugendliche und ihre Eltern sich überzeugt und zuversichtlich für eine betriebliche Ausbildung entscheiden können und damit Betriebe und Auszubildende besser zueinanderfinden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächste erhält das Wort Katrin Staffler für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554277 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 105 |
Tagesordnungspunkt | Berufsbildungsbericht 2023 |