Linda TeutebergFDP - Tag des Grundgesetzes am 23. Mai als Gedenktag
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Anmut sparet nicht noch Mühe Leidenschaft nicht noch Verstand Daß ein gutes Deutschland blühe Wie ein andres gutes Land. … Und weil wir dies Land verbessern Lieben und beschirmen wir’s Und das liebste mag’s uns scheinen So wie andern Völkern ihrs.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bertolt Brecht, der wusste jedenfalls noch, dass man Patriot sein kann, ohne andere auszugrenzen. Auch Sie sollten ruhig mal darüber nachdenken.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der AfD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dass es eine Liebe zum eigenen Land geben kann, die man genauso anderen Völkern zugesteht und mit der man niemanden herabsetzen will, ich finde, das sollte uns leiten, diese Debatte durchaus ernst zu nehmen.
Eine auch emotionale Hinwendung zur Gemeinschaft, zum Staat, zu einer liberalen Republik des Grundgesetzes, die ist durchaus wichtig. Sie ist für eine Einwanderungsgesellschaft übrigens nicht minder wichtig. Man muss nämlich auch sagen: Selbsthass ist kein Identifikationsangebot. Auch nicht, wenn er in seiner verklemmten Version daherkommt, ein gestörtes Verhältnis zur eigenen Nation zu haben.
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Da ist was dran!)
Vielmehr geht es darum, die deutsche Geschichte in all ihrer Vielfalt – mit der Revolution von 1848, über die wir vor Kurzem gesprochen haben, genauso wie mit ihren dunklen Seiten – in aller Verantwortung anzunehmen und an sie zu erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Diese Republik des Grundgesetzes, die wird nicht allein von den gerichtlich durchsetzbaren Regeln getragen. Sie lebt auch von einer politischen Kultur, die rechtlich nicht erzwungen werden kann, sondern die wir mit Leben füllen müssen und die im Alltag stattfinden muss. Das meinte auch Böckenförde mit seinem berühmten Diktum. Gemeint sind alle Symbole und Praktiken, mit denen sich ein Land und eine Gesellschaft ihrer Werte versichert. Darüber lohnt eine Debatte, aber wir müssen sie, glaube ich, im Ausschuss führen. Deshalb werden wir einer Überweisung Ihres Antrags zustimmen.
Dass das nicht so selbstverständlich ist, zeigen manche Ereignisse der letzten Jahre. Wer etwa mit dem Slogan „Unteilbar“ demonstriert, aber sagt: „Wer mit Schwarz-Rot-Gold zur Demonstration kommt, ist unerwünscht“, der hat nicht ganz begriffen, dass diese Flagge zu unserem Grundgesetz gehört.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der AfD)
Und deshalb lohnt die Debatte.
Ein ernstgemeinter Verfassungspatriotismus, der ist allerdings anspruchsvoller, als es scheint. Er erfordert die Bereitschaft zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Bei vielen strittigen politischen Themen berufen sich nämlich Vertreter verschiedener Meinungen gleichermaßen auf die Grundrechte: bei der Ehe für alle zum Beispiel die einen auf den Schutz von Ehe und Familie und die anderen auf die Gleichheit aller Menschen, und beides hat seine Berechtigung. Es muss gerungen werden und immer wieder um die zeitgemäße Deutung des Grundgesetzes gerungen werden.
Das sei übrigens auch all denjenigen gesagt, die meinen, mit dem Verweis auf eine Bestimmung des Grundgesetzes sei ihre Meinung schon die allein richtige und sie könnten ihre Meinung mit Gewalt durchsetzen. Artikel 20a des Grundgesetzes, er gehört zum Grundgesetz, der ist aber mit anderen Anliegen und Grundrechten abzuwägen.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Das gilt auch für die sogenannte Letzte Generation, die meint, unser Grundgesetz beschädigen zu können.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ich finde es schade, dass gestern hier die Grundgesetztafeln durch die Polizei bewacht werden mussten. Das war in früheren Jahren dieser Bundesrepublik nicht so; denn man hat zum Ausdruck seiner politischen Meinung nicht unsere Verfassung besudelt, auch nicht symbolisch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das sind die Freunde von denen da drüben!)
Es lohnt sich, auch über die Verfassungswirklichkeit zu debattieren. Dafür werden wir in den weiteren Debatten Gelegenheit haben. Dieses Grundgesetz ist gerade in seiner Klarheit und Schnörkellosigkeit gut. Es betont die Rolle von Parlamenten und Parteien – auch etwas, was heute nicht von allen geachtet und als selbstverständlich gesehen wird. Es setzt übrigens die Freiheit ganz hoch. Es sieht vor, dass die Freiheit eingeschränkt werden kann, aber dass das immer gerechtfertigt werden muss.
Wir Freien Demokraten, wir finden, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt und auch eine emotionale Beziehung zum eigenen Land und zu dieser wunderbaren liberalen Verfassung wichtig sind, und deshalb lohnt die Debatte.
In einem einzigen Punkt kann ich Ihnen aber gleich eine Absage erteilen: Für ein allgemeine Dienstpflicht sind wir nicht zu haben. Unser Grundgesetz gibt uns den Auftrag, ohne eine allgemeine Dienstpflicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu organisieren. Da sollte man auch nicht schnell mit Allgemeinplätzen kommen wie „Freiheit ist nicht grenzenlos“. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben diese Wertentscheidung zugunsten der freien Persönlichkeitsentfaltung und Lebensgestaltung gerade im Angesicht von materieller Not, von Wiederaufbau und der direkten Kriegserfahrung getroffen. Sie haben die Notwendigkeit einer Wehrpflicht zur Landesverteidigung als einzige Möglichkeit einer Dienstpflicht vorgesehen. Das sollte uns zu denken geben, wenn das heute auf Kosten der jungen Generation als billige Profilierungsmöglichkeit genutzt werden soll.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Unionsfraktion hat das Wort der Kollege Philipp Amthor.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554290 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 105 |
Tagesordnungspunkt | Tag des Grundgesetzes am 23. Mai als Gedenktag |