24.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 105 / Tagesordnungspunkt 6

Karl Lauterbach - Bekämpfung von Arzneimittellieferengpässen

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute erneut ein wichtiges Gesetz in der Gesundheitsversorgung, ein Gesetz, das sich wie folgt zusammenfassen lässt: Das Problem ist schon lange bekannt, aber wir haben zu lange gewartet, um eine Lösung herbeizuführen.

Wir sind mittlerweile mit Lieferengpässen für mehr als 450 Arzneimittel konfrontiert. Bei diesen Arzneimitteln handelt es sich nicht nur um Arzneimittel, bei denen es nicht darauf ankommt, ob ich diese Arzneimittel oder eine Alternative bekomme, sondern es sind oft auch Arzneimittel, für die es keine gleichwertige Alternative gibt. Es können sogar Arzneimittel sein, die die Krebsbehandlung oder andere schwere chronische Erkrankungen betreffen. Das ist ein nicht akzeptabler Zustand, den wir viel zu lange haben gewähren lassen. Für diesen Zustand gibt es im Wesentlichen drei Gründe, die man unterteilen kann:

Zum Ersten. In der Nachfolge der Pandemie gab es einen ausgesprochen schweren Befall von Kindern, aber auch Erwachsenen mit Infektionskrankheiten, die nachgeholt werden. Das hat die Antibiotikaversorgung fast unmöglich gemacht; denn in der Pandemie ist weniger produziert worden. Es gab weniger Vorrat; dann ist mehr abgebaut worden, als nachkam. Von daher haben wir dort einen Engpass, der mit der Pandemie zusammenhängt.

Wir haben darüber hinaus Lieferketten in der Pandemie verloren, die nicht mehr da sind.

Zum Dritten. Wir haben ein Systemproblem. Viele generische Arzneimittel sind in Deutschland durch Rabattverträge und andere Preismoratorien, die wir verhängt haben, so billig auf dem Markt, dass sie, wenn ein Engpass auftritt, zuerst in Deutschland nicht mehr verfügbar sind. Denn dort, wo der Preis am niedrigsten ist, wird man zuerst nicht mehr beliefert.

Das ist das Problem, und wir wollen dieses Problem in drei Stufen angehen:

Die wichtigste Stufe ist die langfristige Stufe: Wir müssen einen Teil der Produktion wieder nach Europa zurückholen. Es wird langfristig nicht möglich sein, bei wichtigen Generika allein auf Lieferungen aus Asien oder anderen Ländern angewiesen zu sein. Das heißt, eine Rückführung der Produktion nach Europa ist ein ganz wichtiges Ziel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist die ursächliche Therapie. Damit beginnen wir bei den Antibiotika; dort werden dann die Ausschreibungen so verknüpft, dass es ein europäisches Los und ein außereuropäisches Los geben muss. Wenn das dann eingespielt ist, werden wir das auf andere Bereiche ausdehnen. Das kann über den Verordnungsweg geschehen. Wir planen, das dann zum Beispiel auch bei den Onkologika einzuführen, sodass wir ein rollierendes System bekommen.

Zum Zweiten. Wir brauchen eine bessere Früherkennung. Daher werden wir die Früherkennung mit dem BfArM zusammen noch verstärken. Wir werden auch die Arzneimittelfirmen verpflichten, uns präziser und früher drohende Lieferengpässe mitzuteilen, sodass wir entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen können.

Zum Dritten. Wir werden – das ist sehr bedeutsam – einfach die Lagerhaltung verbessern. Drei Monate Lagerhaltung sind für die meisten Arzneimittel, die hier angesprochen werden, ein Zeitraum, mit dem man einen Lieferengpass auch langfristig umgehen kann, weil Lieferengpässe in der Regel nicht über einen längeren Zeitraum anhalten. Und wenn die Lieferkette dann tatsächlich zusammenkracht, sehen wir den Lieferengpass früh.

Wir holen die Produktion zurück nach Europa. Wir haben eine lange Lagerhaltung. Und dazu noch rollierend. Damit ist das System einfach besser.

Die Ökonomisierung haben wir in diesem Bereich zu stark vorangetrieben. Wir haben die Ökonomieschraube überdreht, wenn man so will. Unsere Rabattverträge haben uns geholfen, die Preise zu halten; das ist auch richtig. Aber die Rabattverträge dürfen nicht so funktionieren, dass es einfach unmöglich ist, noch in Europa zu produzieren; das wäre falsch. Daher werden wir auch die Art und Weise, wie Rabattverträge funktionieren, noch einmal überprüfen. In unserem Entwurf ist vorgesehen, dass zum Beispiel die Zuzahlungsbefreiung schon erreicht werden kann, wenn der Festbetrag nur um 20 Prozent unterschritten wird. Das ist eine Bewegung in die richtige Richtung.

Insgesamt ist das also ein sehr wichtiges Gesetz. Wir werden insbesondere bei den Kindern Sofortmaßnahmen ergreifen, sodass die Festbeträge und die Rabattverträge bei Kinderarzneimitteln ausgesetzt werden. Es ist ein Gesetz, das lange überfällig ist. Ich bin dankbar, dass wir es jetzt beraten können.

Ich freue mich auf eine gute Beratung und danke Ihnen für die Unterstützung, aber auch für die vorzügliche Aufmerksamkeit heute.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die Unionsfraktion hat das Wort Dr. Georg Kippels.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554301
Wahlperiode 20
Sitzung 105
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von Arzneimittellieferengpässen
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