25.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 106 / Tagesordnungspunkt 10

Bengt BergtSPD - Energieeffizienz und Energiedienstleistungen

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Moin, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Erst mal vielen Dank, Herr Gebhart, dass Ihre Rede unaufgeregt ruhig war. Ich mahne im Prozess der parlamentarischen Entwicklung dieses Gesetzes insgesamt zu Ruhe und Sachlichkeit. Hier wird nicht geplant, Heizungen rauszureißen. Hier ist auch kein Platz für Polemik, sondern wir sollten wirklich in der Sache diskutieren. Es geht um Transparenz, und es geht um Ziele.

Es ist richtig, dass wir uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt haben. 2045 soll Deutschland so viel CO2 beseitigen oder einsparen, wie es produziert. Das werden wir nicht allein dadurch schaffen, dass wir deutlich mehr Energie nachhaltig erzeugen, als wir verbrauchen. Wir müssen auch den Verbrauch als solchen senken,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ja, indem immer mehr Firmen abwandern!)

und das werden wir – so will es die EU – auch gesetzlich regeln. Dazu müssen alle ihren Beitrag leisten, auch die Wirtschaft; denn CO2, das gar nicht erst entsteht, schadet nicht, und Energie, die gar nicht erst verbraucht wird, kostet nichts.

Um das zu erreichen, muss man als Erstes wissen, was man verbraucht. Deswegen braucht man ein Energie- und Umweltmanagementsystem; das ist kein Hexenwerk. Viele Aktiengesellschaften haben eine Nachhaltigkeitsstrategie, Stichwort „ISO 14001“. Das machen die meisten Firmen schon, um überhaupt am Weltmarkt bestehen zu können. Das ist kein Hexenwerk und schon da, und das betrifft auch nicht die kleinen Krauter von nebenan, sondern die Firmen, die 3 Gigawattstunden und mehr im Jahr verbrauchen, meine Damen und Herren.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ziemlich despektierliche Rede!)

Man muss als Nächstes wissen, worum es geht und wohin es gehen soll. Das heißt, man braucht Ziele. Man muss eine klare Definition haben, wie es laufen soll – das haben wir in den Gesetzentwurf geschrieben –, und man muss wissen, wie viel wovon eingespart werden soll. Da haben wir einen sehr, sehr starken Fokus auf die Wärme.

Wir wollen auch wissen, wer einsparen muss; das ist klar. Das heißt, Länder, Kommunen, Rechenzentren bzw. die Wirtschaft als solche müssen einsparen. Und im Endeffekt gilt: Wer A sagt, muss auch B sagen. Was passiert, wenn man nicht einspart? Natürlich muss es Konsequenzen geben, wenn man das Ziel reißt. Man kann auch nicht einfach seinen Ölwechsel im Garten machen; das ist ein Umweltverbrechen, ein Klimaverbrechen. So etwas kann man nicht ohne Strafe machen. Dementsprechend muss es natürlich auch pönalisiert sein, und die Pönalen sind durchaus vertretbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Energieeffizienz nutzt dem Klima. Sie stärkt die Energiesicherheit, und sie lohnt sich auch für Unternehmen. Investitionen in mehr Effizienz kosten heute und zahlen sich morgen aus. Sie steigern auch die Wettbewerbsfähigkeit.

Liebe Opposition, ich rate noch mal: Bleiben Sie konstruktiv und bei den Fakten, damit Ihnen nicht das Gleiche passiert wie bei der Abschaltung der Atomkraftwerke! Dort haben Sie ein riesiges Buhei gemacht: Um Gottes willen, der Strompreis wird uns ausreißen. Wir werden Blackouts haben. – Strom ist billiger geworden,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, aber nicht deswegen!)

und wir haben höhere Verfügbarkeiten von erneuerbaren Energien. Schöne Grüße an die Union, die hier gerade so laut lamentiert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist ja eine ganz eigene Logik!)

Mehr Energieeffizienz wird uns nicht schaden. Sie wird mehr Wertschöpfung bringen. Statt Abwehrkämpfe zu betreiben, sollten Sie mithelfen, die Energietransformation zu einem Erfolg zu machen. Denn seien wir ehrlich: Die Energieproduktivität der deutschen Wirtschaft, also das BIP pro Energieeinsatz, ist ziemlich mau. Da habe ich, ehrlich gesagt, andere Daten als Herr Gebhart. Die Produktivität bei uns ist in den letzten Jahren im Schnitt nur um 1,4 Prozent gestiegen; selbst Irland hat 4 Prozent geschafft. Aus der Wirtschaft hört man mit Blick auf das Energieeffizienzgesetz immer wieder das Wort „Wettbewerbskiller“. Ich sage Ihnen, was wirklich ein Wettbewerbskiller ist: Das sind diese 1,4 Prozent. Das ist mangelnde Effizienz im System, und das bei uns Deutschen, die weltweit den Ruf haben, super effizient zu sein. Das kann es wirklich nicht sein, liebe Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Viele clevere Unternehmerinnen und Unternehmer haben längst vorgesorgt und innovative Maßnahmen ergriffen, um weniger Energie zu verbrauchen. In Norderstedt, in meinem Wahlkreis, haben Unternehmen aus reinem Eigeninteresse ein Effizienznetzwerk gegründet; denn Stadtwerke, kommunale Akteure und Unternehmen müssen zusammenarbeiten. Man braucht systemische Lösungen und muss die Fragen ganzheitlich angehen. Das wird in diesem Netzwerk sehr erfolgreich gemacht.

Viele Unternehmen haben das, wie gesagt, erkannt; viele aber eben noch nicht. Diese warten ab. Ermuntern und Bitten hilft nicht mehr. Mit dem Energieeffizienzgesetz schaffen wir jetzt klare Vorgaben, und klare Vorgaben bedeuten Planbarkeit.

Sie merken an meinen Ausführungen: Ich halte es für richtig, dass die Wirtschaft ihren Teil auf dem Weg zur Klimaneutralität beiträgt. Aber es ist genauso richtig – so ehrlich müssen wir uns machen –, dass die öffentliche Hand, also der Staat, vorangeht. Mit dem Energieeffizienzgesetz werden wir dafür sorgen, dass Bund, Länder und Kommunen eine Vorbildfunktion einnehmen.

Bis zum Jahr 2030 soll der Staat 50 Terawattstunden Endenergie einsparen. Das ist übrigens fast genau die Menge, die man braucht, um 6 Millionen Wärmepumpen zu betreiben. Wer weiß, wie eine Wärmepumpe funktioniert, also Kühlschrank, Klimaanlage oder Stromheizung, der weiß, dass aktuelle Geräte mit einem Energiehebel von drei bis vier arbeiten. Das heißt, ich gebe 1 Kilowattstunde rein und bekomme 4 Kilowattstunden an Wärme raus. Das ist kein Hexenwerk, sondern Physik.

Wo ist Sanieren am sinnvollsten? Wo hauen wir Energie raus ohne Ende? Da muss man leider sagen: Durch den Investitionsstau der letzten Jahre sind es die Schulen. Das sind riesige Energieschleudern, weil wir hier seit Jahren nichts gemacht haben. Eine durchschnittliche Schule verbraucht 1 Million Kilowattstunden Wärmeenergie pro Jahr. 1 Million, das ist eine Menge. Wenn wir dort Fernwärme und Wärmepumpen einsetzen, haben wir ruckzuck das Ziel erreicht. 50 Terawattstunden, das sind 5 000 Schulen. Das klingt jetzt nach super viel, aber wir haben über 32 000 allgemeinbildende Schulen in Deutschland. Das heißt, wir müssten theoretisch nur 15 Prozent der Schulen sanieren, um auf den richtigen Weg zu kommen. Das ist immer noch viel, aber es ist machbar. Das ist ein großes Beispiel.

Ein vermeintlich kleines Beispiel kann ich Ihnen aus dem Kreis Stormarn aus meinem Wahlkreis bieten. Hier hat die Kreisverwaltung schon vor zehn Jahren angepackt: Bürodrucker raus, Netzwerkdrucker rein. Ergebnis: 13 000 Kilowattstunden Strom jedes Jahr gespart. Das sind 4 Tonnen CO2. Die Menge der eingesparten Asche entspricht dem Gewicht von zwei SUVs. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Das ist eine Maßnahme einer Kreisverwaltung. Man kann sich also vorstellen, welche Wirkung solche großen und kleinen Maßnahmen von Segeberg und Stormarn bis Freising im Gesamtergebnis haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören wir auf zu warten, und packen wir es wirklich endlich an – für Klimaschutz, für Energiesicherheit und Wertschöpfung; denn – so ehrlich müssen wir sein – wir haben nur einen Planeten!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Rainer Kraft.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554339
Wahlperiode 20
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Energieeffizienz und Energiedienstleistungen
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