Alexander ThromCDU/CSU - Ausreisegewahrsam u. Änderung d. Aufenthaltsgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir machen heute den Lackmustest, ob die Koalition ihrem Bundeskanzler noch folgt. Der heute von uns vorgelegte Gesetzentwurf entspricht eins zu eins dem Vorschlag von Olaf Scholz in der Ministerpräsidentenkonferenz. Der Ausreisegewahrsam, so ist dort zu lesen, soll von 10 auf 28 Tage verlängert werden. Das steht im Beschlusspapier der Ministerpräsidentenkonferenz. Das ist der Vorschlag aus dem Bundeskanzleramt. Das haben 16 Ministerpräsidenten beschlossen; da war ein grüner dabei, da war ein linker dabei. Das ist offensichtlich allgemeiner politischer Konsens, und deswegen können wir den Gesetzentwurf heute auch sofort in zweiter Lesung abstimmen. Da haben Sie die Gelegenheit, Ihrem Bundeskanzler zur Seite zu springen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein bisschen gewundert hat mich der Vorschlag schon, weil wir das schon 2017 hätten machen können, beim ersten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Nicht mitgemacht hat die SPD. Wir hätten es insbesondere aber auch 2019 haben können, beim Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Herr Kollege Lindh, wir haben es als Berichterstatter damals verhandelt. Sie haben die Verlängerung des Ausreisegewahrsams abgelehnt.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Unglaublich!)
Wir hätten es schon seit Jahren haben können und praktizieren können. Deswegen tragen Sie, insbesondere die SPD, auch die Verantwortung, dass einige Abschiebungen nicht durchgeführt werden konnten, weil die Menschen nicht rechtzeitig zum Flieger gebracht werden konnten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Karsten Hilse [AfD]: Leider wahr! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die SPD war’s!)
Der MPK-Beschluss aus dem Bundeskanzleramt ist eine wahre Fundgrube. Neben viel Blabla stehen dort auch Regelungen oder Forderungen zur Steuerung der Migration, zur Begrenzung, zur Verfahrensbeschleunigung oder zur konsequenten Rückführung. Die Vorschläge allerdings aus dem Bundeskanzleramt entsprechen weder im Wort noch im Geist dem, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag als Paradigmenwechsel beschrieben haben. Der Bundeskanzler hat offensichtlich erkannt, dass Handlungsbedarf besteht und Ihr Koalitionsvertrag in die Tonne gehört, was diesen Punkt anbelangt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im Ausländerzentralregister sollen Daten über Sozialleistungen gespeichert werden, und die sollen auch noch allenthalben ausgetauscht werden. Achtung Grüne, Achtung FDP: Datenschutz ist hier gefragt. Sie haben genau dies in der letzten Legislaturperiode abgelehnt, genauso wie die SPD. Es sollen – etwas verklausuliert – sichere Herkunftsländer kommen. Verstöße gegen Einreiseverbote sollen zukünftig ein eigenständiger Haftgrund sein. Auch das fordert die Union seit Langem.
Und man soll – oh Wunder! – bei der Abschiebung in Sammelunterkünften auch Räumlichkeiten betreten können, die nicht zum Wohnraum des Abzuschiebenden gehören – auch etwas, das wir schon seit Jahren fordern. Die Spitze – ja, der Bundeskanzler – stellt auch in Aussicht, dass schwere Straftäter in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, auch wenn ein Abschiebestopp dorthin besteht, also insbesondere Afghanistan und Syrien.
Das alles sind Forderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, deren Umsetzung wir in den nächsten Wochen und Monaten hier von Ihnen einfordern werden; wir werden sehen, ob Sie den Beschlüssen der MPK und Ihres Bundeskanzlers entsprechend folgen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber den Beweis, dass dies in der Koalition offensichtlich nicht gewollt ist, haben wir diese Woche erhalten. Denn in dem Beschlusspapier steht auch, dass man lageangepasste Binnengrenzkontrollen durchführen will. Ihre Innenministerin hat das jetzt für Polen und Tschechien abgelehnt. An der Grenze zu Polen sah es in den letzten drei Monaten so aus: 1 040 unerlaubte Einreisen im Februar, 1 584 im März und 2 427 im April – doppelt so viele wie an der Grenze zu Österreich. Die Grenzkontrollen zu Österreich hat sie richtigerweise verlängert; deswegen ist die Ablehnung in Bezug auf Polen nicht nachvollziehbar. Gerade jetzt, wo Belarus und Russland diese Migrationswege ausnutzen, um uns zu destabilisieren, ist der richtige Zeitpunkt, um an der Grenze zu Polen Binnengrenzkontrollen einzuführen. Das sagt nicht nur Innenminister Stübgen, das sagt nicht nur Innenminister Schuster; da steht inzwischen SPD gegen SPD, nicht nur Grüne gegen FDP. Auch Ministerpräsident Woidke fordert dies ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben vieles, wenn nicht alles, in der Migrationspolitik im letzten Jahr falsch gemacht. Sie spalten damit die Gesellschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU – Gülistan Yüksel [SPD]: Was haben Sie in den letzten Jahren gemacht?)
Sie treiben damit Teile der Mitte unserer Gesellschaft in die Arme der Rechtsextremen. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland gefährdet ist
(Widerspruch bei der SPD)
und damit auch die Bereitschaft, das Asylrecht anzuerkennen.
(Gülistan Yüksel [SPD]: Herr Throm, Sie haben eine Verpflichtung gegenüber allen Menschen, die in Deutschland leben!)
Deswegen geben wir Ihnen heute die Gelegenheit, wenigstens bei einer Kleinigkeit etwas richtig zu machen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Anke Hennig [SPD]: Ach du meine Güte!)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Helge Lindh.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Ausreisegewahrsam u. Änderung d. Aufenthaltsgesetzes |