25.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 106 / Zusatzpunkt 2

Ann-Veruschka JurischFDP - Ausreisegewahrsam u. Änderung d. Aufenthaltsgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Union, ich kann es euch leider nicht ersparen: Wenn die Verlängerung des Ausreisegewahrsams das Ei des Kolumbus in der Migrationspolitik sein soll – ein so tolles Ei, dass wir das hier jetzt in einem Zusatzpunkt debattieren dürfen –,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Es ist ein Baustein von vielen!)

warum habt ihr dieses Ei des Kolumbus in euren 16 Jahren

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott!)

nicht gelegt und ausgebrütet,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

warum vor allem auch nicht in den Jahren nach 2015 und 2016?

(Zuruf des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])

Geht es euch hier nur um den Beweis,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Jetzt hören Sie erst mal auf, uns zu duzen!)

dass die Kunst des Lesens beherrscht wird,

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Regeln Sie das alles! Stimmen Sie heute zu!)

und zwar am Beispiel der Beschlüsse der MPK vom 10. Mai? Dort wurde nämlich die Verlängerung des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage vereinbart.

Oder geht es um den Beweis, dass die Kunst des Schreibens beherrscht wird, genauer: die Kunst des Abschreibens von der FDP? Denn bereits vor der MPK haben meine Kollegen Konstantin Kuhle und Stephan Thomae die Verlängerung des Ausreisegewahrsams und vieles andere in einem Papier zur Migrationspolitik vorgeschlagen.

(Beifall des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Dann stimmen Sie doch jetzt zu! Uns geht’s ums Tempo! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Dann können Sie doch zustimmen! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Die haben doch bei uns abgeschrieben!)

Ja, die Verlängerung ist in der MPK-Vereinbarung enthalten; aber sie wird garantiert nicht als gesetzliche Einzelnorm kommen, sondern in Form eines Gesetzes, das auch die anderen MPK-Beschlüsse, die in Bundesgesetze gegossen werden müssen, abdecken wird.

(Beifall bei der FDP)

Also: Ja, das wird kommen, aber so nicht.

Auch die Tatsache, dass Sie hier den direkten Übergang in die zweite Lesung beantragen, hat für mich einen grob populistischen Beigeschmack, der mit einer ernsthaften Debatte nichts zu tun hat.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Dr. Jurisch?

Ja.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der CDU/CSU-Fraktion? Ich glaube, der Kollege Hoffmann war das.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ja!)

Nein.

(Lachen des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU] – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Wir werden das Thema „Ausweitung des Abschiebegewahrsams“ im Rahmen eines geordneten Gesetzgebungsverfahrens zusammen mit den anderen Punkten aus der MPK abarbeiten. Ganz ehrlich, liebe Union: Wir in der Fortschrittskoalition der Ampel sind seit über einem Jahr dabei, den Scherbenhaufen eurer Migrationspolitik,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was?)

eurer gescheiterten Migrationspolitik, aufzukehren,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Jens Zimmermann [SPD])

einer hochgradig ambivalenten Migrationspolitik, einer Migrationspolitik, die es Menschen schwergemacht hat, in unseren Arbeitsmarkt einzuwandern, einer Migrationspolitik, die es Menschen, die bei uns etwas beitragen, schwergemacht hat, Deutsche zu werden, einer Migrationspolitik, die es im Bereich der Fluchtmigration nicht gebacken bekommen hat.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Schauen Sie sich doch mal die Zahlen an! Sie kriegen es nicht gebacken! Das ist die Wahrheit!)

Wir haben durch das Chancen-Aufenthaltsrecht mit der Realitätsverweigerung bei euch nach den Jahren 2015, 2016 aufgeräumt.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Gülistan Yüksel [SPD] und Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Hören Sie erst mal auf, uns zu duzen!)

Wir arbeiten in der Ampel daran, irreguläre Migration zu verringern und reguläre Einwanderung nach Deutschland zu verstärken.

(Zuruf des Abg. Axel Müller [CDU/CSU])

Und natürlich stehen wir zu unseren humanitären Verpflichtungen.

(Zuruf von der FDP: Richtig!)

Wir arbeiten hart daran,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Stehen Sie auch zum Schutz der einheimischen Bevölkerung?)

dass Deutschland endlich ein modernes Einwanderungsland wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gülistan Yüksel [SPD])

Als Freier Demokratin sind mir faire und klare Regeln und Rechtsstaatlichkeit besonders wichtig. Ganz konkret: Wenn jemand auf dem Fluchtweg zu uns kommt und keinen Anspruch auf Schutz hat, ist diese Person ausreisepflichtig.

(Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Aber da möchte ich doch auch einmal in aller Klarheit sagen: Hier sind vor allem die Länder in der Pflicht. Sie müssen die Abschiebungen, die vollzogen werden können, auch vollziehen. Das betrifft im Übrigen auch die von der Union geführten Bundesländer.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Gülistan Yüksel [SPD] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Und die Regeln, die stehen im Aufenthaltsgesetz, im Bundesaufenthaltsgesetz!)

In den Bundesländern müssen auch genügend Plätze für den Ausreisegewahrsam bereitgestellt werden. Sonst ist doch auch die Verlängerung dieses Ausreisegewahrsams Quatsch.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ich dachte, der Herr Kuhle hätte es aufgeschrieben! Dann kann es doch kein Quatsch sein!)

In meiner Heimat Baden-Württemberg gibt es beispielsweise keinen einzigen nutzbaren Platz für Ausreisegewahrsam, obwohl 16 – 16! – geplant sind. Das sollten Sie eventuell einmal mit Frau Gentges und Herrn Strobl in Baden-Württemberg diskutieren.

(Beifall bei der FDP)

Wir alle, die wir hier sitzen, wissen, dass Abschiebungen ein steiniger Weg sind und ganz sicher nicht das Ei des Kolumbus der Migrationspolitik.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Und deswegen lassen Sie es sein, oder?)

– Nein, wir lassen es nicht sein. – Was mir deswegen im Moment der viel entscheidendere Punkt ist, ist die aktuelle Phase der GEAS-Reform, der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Denn wir werden das Thema der Fluchtmigration und der Unterscheidung zwischen Menschen, die einen Schutzanspruch haben, und denjenigen, die keinen haben, nur europäisch lösen können.

Erstens. Wir brauchen ein rechtsstaatliches, grundrechtssicheres und effektives Grenzverfahren. Und das kann und soll jetzt kommen.

(Beifall bei der FDP – Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Zweitens. Wir brauchen eine bessere Verteilung der Ankommenden in der EU. Auch da zeichnet sich eine Lösung ab. Da müssen wir geschlossen zusammenstehen.

Drittens. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass sich auch innerhalb der EU die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Geflüchtete angleichen. Auch daran wird auf europäischer Ebene gearbeitet, und das ist auch gut so.

Den Ausreisegewahrsam auf 28 Tage im Bedarfsfall und menschenrechtskonform zu verlängern, ist aus meiner Sicht in Ordnung. Aber es als isolierte und einzelne Maßnahme zu fordern, ist nicht tauglich und zeigt, wie in der Union Migrationspolitik gemacht wurde und gemacht wird, nämlich bruchstückhaft. Der Gesetzentwurf ist abzulehnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was jetzt wirklich wichtig ist: GEAS mit kompromissfähigen Beschlüssen weiter vorantreiben, gute Einwanderungswege für Arbeitskräfte aufzeigen, Migrationsabkommen abschließen, das Staatsangehörigkeitsrecht reformieren. An alldem sind wir dran. Mit der Ampel wird die deutsche Migrationspolitik endlich zukunftsfest.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Eijeijei!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Mechthilde Wittmann.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554365
Wahlperiode 20
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Ausreisegewahrsam u. Änderung d. Aufenthaltsgesetzes
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