25.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 106 / Zusatzpunkt 5

Benjamin Strasser - Aktuelle Stunde - Staatsangehörigkeitsrechtsreform

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das neue Staatsangehörigkeitsrecht, das wir heute diskutieren, ist ein echter Meilenstein hin zu einem modernen Einwanderungsland.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um einen neuen Gesamtansatz der Migrationspolitik in Deutschland, und deswegen lohnt sich durchaus auch ein kurzer Blick zurück. Jahrzehntelang hat man einfach nicht wahrhaben wollen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, dass in dieses Land Menschen einwandern und dass sie auch bleiben. Und so war dann auch die Politik: verdruckst, wegschauend, ängstlich, voller Lebenslügen.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Die neue Bundesregierung hat auch auf diesem Feld in den ersten eineinhalb Jahren einen echten Fortschritt bewirken können: Endlich unterscheidet eine Bundesregierung konsequent zwischen Arbeitskräfteeinwanderung und humanitärer Aufnahme von Geflüchteten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Unterscheidung ist die Grundvoraussetzung für eine zugleich vernünftige und humane Migrationspolitik. Wir treffen endlich diese Unterscheidung. Es wird Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Arbeitskräfteeinwanderung erleichtern wir, weil wir sie als Volkswirtschaft dringend brauchen, und zwar längst auf allen Ebenen, in allen Bereichen. Deshalb haben wir ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgelegt. Schutz von verfolgten Menschen wollen wir gewähren – nach unseren Möglichkeiten. Unmögliches kann nicht geschuldet werden. Und wir müssen Kontrolle über die humanitäre Aufnahme haben, um die Akzeptanz der Menschen zu erhalten. Deshalb gehen wir neue Wege im Kampf gegen die illegale Migration nach Deutschland, da gerade diese eine Belastung für unsere Kommunen ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und vor allem drängen wir als Bundesregierung jetzt endlich in Europa darauf, dass künftig schon an den Außengrenzen geprüft wird, ob ein Mensch überhaupt eine Chance hat, in Europa ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Endlich packt eine Bundesregierung das an, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ziel ist also insgesamt, mehr reguläre Migration zu ermöglichen, mehr Einwanderung von Arbeitskräften, aber irreguläre Migration deutlich zu reduzieren. In dieses neue Gesamtbild gehört die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts.

Denn was haben wir vor? Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird künftig schneller gehen, aber in den entscheidenden Punkten teilweise auch schwieriger werden. Wenn jemand sehr gute Sprachkenntnisse hat oder sich besonders ehrenamtlich engagiert, soll die Einbürgerung schneller als im Regelfall möglich sein, nämlich bereits nach drei Jahren. Zugleich ist es gerade uns Freien Demokraten in der Bundesregierung wichtig: Eine Einbürgerung soll künftig nur dann möglich sein, wenn die Menschen von ihrer eigenen Arbeit leben können.

(Beifall bei der FDP)

Der Bezug von Sozialleistungen wie Bürgergeld oder Grundsicherung schließt eine Einbürgerung im Regelfall aus. So sieht es nun auch der Referentenentwurf vor.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Aha!)

Liebe Frau Lindholz, das ist auch das Stichwort. Ich möchte an der Stelle mit einigen Fake News aufräumen, die gerade die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU so gerne verbreiten.

Unions-Fake-News Nummer eins ist ein Satz von Ihnen, liebe Frau Kollegin Lindholz. Ich zitiere – Zitat –:

Mit der Verkürzung der Einbürgerungsfrist auf bis zu drei Jahre hinkt die Integration der Einbürgerung hinterher.

Das ist falsch. Ich kann es gerne noch mal wiederholen. Wenn jemand sehr gute Sprachkenntnisse hat oder sich besonders ehrenamtlich engagiert, soll die Einbürgerung schneller als im Regelfall möglich sein – also gerade für die, die gut integriert sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und es gilt weiterhin: Voraussetzung für die Einbürgerung bleibt das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

Im Rahmen von würdigen Einbürgerungsfeiern werden wir dieses Bekenntnis im Gegensatz zu Ihnen sogar noch stärken, liebe Frau Kollegin Lindholz.

(Beifall bei der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ein Quatsch, Herr Strasser!)

Zugleich verschärfen wir hier die Regelungen. Denn die Behörden sollen künftig auch bei bestimmten Bagatellverurteilungen verpflichtet sein, sich in Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften das Motiv dieser Bagatelltaten anzusehen. Etwa wenn hinter einer Beleidigung ein antisemitisches oder menschenverachtendes Motiv steckt, dann schließt das die Einbürgerung aus. Wir wollen keine Antisemiten einbürgern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unions-Fake-News Nummer zwei: Ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei sagte vor einigen Tagen – Zitat –:

Welches Land vergibt die Staatsbürgerschaft auf die Schnelle an Menschen, die noch nicht einmal ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten können?

Lieber Herr Kollege Frei, welches Land ist das denn? Das ist das Deutschland, in dem die Union 16 Jahre regiert hat. Wir ändern das jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Ich frage mich ernsthaft: Ist das Ihr neuer Stil? Ist das Ihr neuer Stil, um Ihrem Nachbarn am rechten Rand ganz außen ein paar Stimmen abzunehmen, absichtlich Falschinformationen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, die Öffentlichkeit zu verunsichern? Auf dieses Niveau sollten Sie nicht sinken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Von der genannten Regel wird es wie bei jeder Regel Ausnahmen geben, etwa wenn man in Vollzeit arbeitet und trotzdem noch angewiesen ist auf zusätzliche Sozialleistungen. Aber auch das, liebe Union, ist ein wichtiges Signal, nämlich das Signal, dass sich Anstrengung lohnt – das muss man Ihnen vielleicht auch ab und zu wieder sagen –,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Gucken Sie sich doch mal die Vorschläge Ihrer eigenen Partei an!)

auch wenn das Einkommen noch nicht für eine vollständige Unabhängigkeit von staatlichen Leistungen ausreicht, und es ist ein Anreiz, dass man durch eigene Arbeitsleistung eine Einbürgerung erreichen kann.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei Gastarbeitern und DDR-Vertragsarbeitern – es wurde gesagt – bleibt es, wie es ist, und zwar aus Respekt vor der Lebensleistung dieser Generation, die unserem Land wirklich sehr geholfen hat.

Das alles zeigt: Fleißige Leute sind in Deutschland immer willkommen, aber nicht nur als Arbeitskräfte, sondern auch als deutsche Staatsbürger. Wir brauchen diese Zuwanderung von Menschen, die hier arbeiten können und wollen. Genau dafür wird das neue Staatsangehörigkeitsrecht echte Anreize setzen.

Meine Damen und Herren, wir, die Ampelkoalition, bringen mit diesem Vorhaben einen ganz neuen Ton in die deutsche Migrationsdebatte. Lange haben zwei Extreme die Debatte bestimmt. Von der einen Seite wurden Probleme bei der Integration ignoriert und schöngeredet. Von der anderen Seite wurden Ängste und Vorurteile geschürt. Wir haben uns jetzt ganz nüchtern unsere Interessen angeschaut und kluge Kriterien entwickelt, wann man wie Deutscher werden kann. Das war überfällig, und das war ein Meilenstein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und weil Sie sich gerade so schön aufregen, zum Schluss für Sie noch Unions-Fake-News Nummer drei, wir würden mit dieser Reform die falschen Signale in die Welt senden.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das Gegenteil ist richtig!)

Mit dieser Reform sollen Menschen, die hier gut integriert sind und die von ihrer Hände Arbeit leben,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Nein, das ist nicht so!)

künftig einfacher Deutsche werden können. Das ist kein falsches Signal, sondern ein echter Anreiz, Arbeit aufzunehmen, sich anzustrengen und für unser Land etwas zu leisten. Was daran falsch sein soll, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Dann gucken Sie mal in Ihr eigenes Gesetz rein!)

bleibt Ihr Geheimnis.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es stimmt, das Staatsangehörigkeitsrecht darf keine Einladung zur Einwanderung in die Sozialsicherungssysteme sein. Es ist richtig und gut, dass es ab jetzt mit diesem Entwurf dann auch nicht mehr gilt.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Also, das ist echte Fake News!)

Gökay Akbulut hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554428
Wahlperiode 20
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Staatsangehörigkeitsrechtsreform
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