25.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 106 / Zusatzpunkt 5

Hakan DemirSPD - Aktuelle Stunde - Staatsangehörigkeitsrechtsreform

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Tagen 160 Jahre Sozialdemokratie gefeiert. Ich will hier auch noch mal offen sagen, dass die Sozialdemokratie sich immer dafür eingesetzt hat, dass wir eine offene und solidarische Gesellschaft haben. Das hat vor über 20 Jahren letztendlich auch dazu geführt, dass wir – zusammen mit den Grünen – eine Staatsbürgerschaftsreform bekommen haben. Das war ein wichtiger Schritt, und diesen Weg gehen wir jetzt auch weiter.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Seitdem, seit 2000, haben sich etwa 2,7 Millionen Menschen einbürgern lassen. Das sind viele Geschichten in diesem Land, die sonst so nicht stattgefunden hätten. Ich will hier auch noch mal deutlich machen: Das sind auch Geschichten von Abgeordneten hier in diesem Parlament. Ich sehe Adis Ahmetovic aus Hannover. Ich denke an Reem Alabali-Radovan – sie ist leider noch nicht wieder zurück –, die mit am Kabinettstisch sitzt und von dieser Reform profitiert hat. Ich sehe Rasha Nasr aus Dresden, die ebenfalls davon profitiert hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Das sind also lauter Abgeordnete, die sich dafür einsetzen, dass dieses Land besser wird; und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Zu den Inhalten sage ich auch noch mal klar: Nicht erst nach acht Jahren, sondern schon nach fünf Jahren kann man sich jetzt einbürgern lassen. Das ist jetzt eine Normalisierung, was man sieht, wenn man sich die Situation in Kanada und den USA anguckt. Das ist auch gut so. Die Mehrstaatigkeit bzw. die doppelte Staatsbürgerschaft ist auch nichts, was außergewöhnlich ist; denn beispielsweise schon letztes Jahr haben wir in 69 Prozent der Fälle die Mehrstaatigkeit akzeptiert. Es geht jetzt also um die Ausnahmen, die wir abschaffen wollen. Ich glaube, das Gerechtigkeitsgefühl in der Gesellschaft ist auch so, dass man nicht versteht, warum wir bei 31 Prozent diese Ausnahme nicht machen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Für die Gastarbeiter/-innen und Vertragsarbeiter/-innen haben wir die Regelung – ich finde sie gut –, dass wir sagen, dass die Einbürgerung, was Sprachnachweise angeht, erleichtert wird. Das ist gut so; denn diese Menschen haben in den letzten 20, 30, 40, 50 Jahren gezeigt, dass sie ein Teil dieses Landes sind. Sie haben dieses Land zu dem gemacht, was es heute ist, und sie brauchen keinen Sprachtest oder Einbürgerungstest zu machen. Einen solchen Test dürfen wir nicht zulassen. Deshalb ist das Gesetz so, wie wir es gerade voranbringen wollen, sehr gut und eine nachholende Anerkennung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir müssen uns auch beeilen. Meine Großeltern gibt es zum Beispiel nicht mehr. Sie können nicht mehr davon profitieren. Also, wir müssen jetzt auf die Tube drücken. Das machen wir auch. Dieser Gesetzentwurf wird bald dem Kabinett vorliegen und dann auch hier in erster Lesung beraten.

Zwei Anmerkungen, weil wir heute schon über Fake News gesprochen haben.

Eine Unwahrheit ist etwa, dass wir – so wird behauptet – in den letzten 10, 20 Jahren Antisemiten oder Rassisten eingebürgert hätten. Schon nach der aktuellen Rechtslage ist das nicht möglich. Die Anerkennung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist eine Vorbedingung. Ich weiß, dass wir jetzt eine Konkretisierung in dem neuen Gesetz vornehmen; aber das muss auch einmal klar gesagt werden. Es ist auch unfair gegenüber den 2,7 Millionen Menschen, die sich haben einbürgern lassen, wenn wir so einen Generalverdacht hier aussprechen. – Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt. Auch da würde ich jetzt sagen: Das ist eine Unwahrheit. Ich wiederhole das noch mal und erkläre es: Momentan ist es so, dass der Lebensunterhalt im Grundsatz gesichert werden muss. Aber es gibt aktuell Ausnahmen. Es gibt beispielsweise Ausnahmen für eine Mutter, die ihr Kind betreut, oder eine Person, die ihre Eltern pflegt. Dass diese Person ihren Lebensunterhalt nicht selber sichern kann, ist doch wohl offensichtlich. Aber gleichzeitig wird doch hier im Haus niemand sagen: Du hast es nicht verdient, weil du gerade auf dein Kind aufpasst oder deine Eltern pflegst. – Das kann nicht das sein, was wir wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb müssen wir uns im parlamentarischen Verfahren die Lebensunterhaltssicherung noch mal angucken.

Ich glaube, am Ende brauchen wir, wenn wir uns stärker auf diese Ausnahmen fokussieren, auf jeden Fall ein Gesetz mit Kopf und Herz. Ich glaube, das kriegen wir hin.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für die Unionsfraktion hat das Wort Philipp Amthor.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554430
Wahlperiode 20
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Staatsangehörigkeitsrechtsreform
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