25.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 106 / Zusatzpunkt 5

Stephan ThomaeFDP - Aktuelle Stunde - Staatsangehörigkeitsrechtsreform

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Ampelkoalition leitet einen Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und Migrationspolitik ein. Wir setzen mehr Anreize für reguläre Einwanderung in den Arbeitsmarkt und dämmen die irreguläre Migration von Menschen ein,

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Aha!)

die weder vor Krieg und Gewalt fliehen

(Dr. Götz Frömming [AfD]: So weit die Theorie!)

noch als politisch Verfolgte Asylanspruch haben.

Die Union verbreitet pausenlos, dass die Ampel die falschen Anreize setzen würde.

(Zuruf von der AfD)

Aber genau das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren. Jahrzehntelang hat die Anspruchseinbürgerung es doch den Menschen leicht gemacht, eingebürgert zu werden, die gleichwohl unzureichend integriert gewesen sind. Daran hat die Union nichts geändert in all der Zeit.

Wir knüpfen jetzt die Anspruchseinbürgerung an eine gelungene sprachliche, rechtliche und wirtschaftliche Integration.

(Christoph de Vries [CDU/CSU]: So war es vorher schon!)

Da möchte ich drei Punkte aufzählen, die uns wichtig sind:

Erstens. Die Einbürgerung ist Anerkennung – Anerkennung einer Integrationsleistung, manchmal sogar einer Lebensleistung. Sie ist Anerkennung für Geleistetes – das ist ein liberales Prinzip –, ein Zeichen der Wertschätzung und zugleich Ansporn und Beispiel für viele Menschen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist die Einbürgerung auch ein Zeichen in die eigene Gesellschaft hinein, dass Einwanderung gelingen kann. Oft ist ja Migration negativ konnotiert. Aber weil wir auch gute Beispiele für gelungene Einwanderung haben, sollten Einbürgerungen nicht die Ausnahme, wenngleich aber etwas Besonderes sein. Deshalb wollen wir die Einbürgerung in festlichen Zeremonien, in Einbürgerungsfeiern, öffentlich sichtbar machen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Die Einbürgerung ist ein Anreiz. Weil die Einbürgerung die Anerkennung einer Integrationsleistung darstellt, ist sie zugleich auch ein Anreiz für andere. Sie wird ein Teil unseres Aufstiegsversprechens. Wer sich anstrengt, der soll das nicht umsonst tun. Wer durch eigene Anstrengung und Leistung bestimmte Voraussetzungen erfüllt, der erhält einen rechtlichen Anspruch auf seine Einbürgerung. Diese Voraussetzungen formulieren wir jetzt klarer und eindeutiger, als es bislang der Fall gewesen ist. Voraussetzung eines Einbürgerungsanspruchs ist – ich habe es schon aufgezählt – die sprachliche, rechtliche und wirtschaftliche Integration.

Wir werden da auch ein paar Ausnahmen zulassen, bei der sprachlichen Integration zum Beispiel. Bei den über 67-Jährigen der Gastarbeitergeneration verzichten wir auf einen förmlichen Sprachtest des Sprachniveaus B1. Für denjenigen, der als Gastarbeiter oder Vertragsarbeiter schon vor Jahrzehnten ins Land gekommen ist, aber nie ein Angebot für einen Sprachkurs erhalten hat, soll es nicht schädlich sein, wenn er keine Chance hat, den Sprachtest des Niveaus B1 zu bestehen.

Wir wollen – wirtschaftliche Integration – den Einbürgerungsanspruch auch daran knüpfen, dass jemand den eigenen Unterhalt für sich und für seine Familie mit seiner eigenen Hände Arbeit bestreiten kann. Nur dann soll eine Ausnahme gelten, wenn jemand zwar vollzeitbeschäftigt ist, aber gleichwohl aus dieser Vollzeitbeschäftigung seine Familie nicht ernähren kann; denn mehr als eine Vollzeitbeschäftigung kann man von niemandem verlangen.

Schließlich verlangen wir von jedem, der eingebürgert werden möchte, dass er im Einklang mit unserer Rechtsordnung steht und straffrei geblieben ist. Er darf zum Beispiel nicht in einer Mehrehe leben, er muss die Gleichberechtigung von Mann und Frau anerkennen. Es werden sogar Bagatelldelikte einbürgerungsschädlich, wenn sie einen antisemitischen, rassistischen oder menschenverachtenden Hintergrund haben. Deshalb werden wir künftig auch eine Sicherheitsabfrage vorschreiben, um auszuschließen, dass Menschen mit extremistischen und verfassungsfeindlichen Bestrebungen eingebürgert werden können.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Johannes Arlt [SPD] – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Da klatscht von der SPD keiner!)

Und schließlich drittens. Die Einbürgerung ist ein Bekenntnis. Einbürgerung ist in unserer Rechtsordnung keine Voraussetzung für ein Aufenthaltsrecht – dafür, arbeiten zu dürfen, ein Unternehmen zu gründen, Familie zu haben oder Grundbesitz zu haben. Man kann auch als Ausländer dauerhaft in Deutschland leben, seinem Geschäft nachgehen, eine Familie gründen oder ein Haus bauen. Man muss nicht Deutscher sein, um sich seine Existenz hier dauerhaft zu sichern. Aber der Antrag auf Einbürgerung ist eine politische Aussage, ein Bekenntnis, dass man sich als Teil dieser Gesellschaft empfindet, ein Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zu unserem Staat, unserer Form der Demokratie, unserer sozialen Marktwirtschaft, unserer Art, zu leben. Deshalb ist ein solcher Antrag auch eine politische Aussage. Es wäre selbstwidersprüchlich, Teil dieser Gesellschaft werden zu wollen und gleichzeitig den Common Ground dieser Gesellschaft abzulehnen.

Als Fazit will ich festhalten – damit komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin –: Wenn die Union von „Verramschung der deutschen Staatsbürgerschaft“ spricht, dann geht das völlig an dem Gesetzentwurf vorbei,

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Welcher Gesetzentwurf? Wir kennen ja noch keinen!)

den wir in Kürze vorlegen werden. Es reicht nicht, einfach nur lange genug in Deutschland zu leben, sondern wer die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben will, der hat sich Respekt und Würdigung seiner Lebensleistung verdient. Das ist die Quintessenz dessen, was wir uns unter einem modernen Staatsbürgerschaftsrecht vorstellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Dirk Wiese.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554436
Wahlperiode 20
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Staatsangehörigkeitsrechtsreform
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