25.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 106 / Tagesordnungspunkt 14

Peter BeyerCDU/CSU - 30 Jahre Int. Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als vor 30 Jahren der Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien gegründet wurde, da tobte der Krieg noch. Das war mitten im Kriegsgeschehen. Über die Dauer von 24 Jahren der Tätigkeit des ICTY, wie er international abgekürzt heißt – er stellte die Arbeit 2017 ein –, wurde viel unermüdliche Arbeit geleistet durch viele Experten, internationale Richter, Ermittler, Historiker, Dolmetscher, Sprachexperten usw. usf. Durch diese 24-jährige Tätigkeit ist ein beispielloses, sehr wertvolles Archiv entstanden mit vielen Belegen, Beweisen, Dokumenten. Es steht immer noch zur Verfügung und ist eine wertvolle Quelle, nicht zuletzt für die Verfahren – der Kollege hatte das gerade schon angedeutet –, die in den nationalen Staaten weiter verfolgt werden. Darauf kann man immer noch Zugriff nehmen, meine Damen und Herren.

Es gab einen Grund, weshalb der ICTY damals, im Jahr 1993, eingerichtet worden ist: Zerfallskriege, die über 100 000 Menschen das Leben gekostet haben, Zerfallskriege, die über 3 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht haben, Zerfallskriege, die verwüstete Landschaften mit zerstörter Infrastruktur zurückgelassen haben, insbesondere traumatisierte Gesellschaften in den betroffenen Ländern, meine Damen und Herren.

Man kann eine positive Bilanz ziehen der Tätigkeit des ICTY. Er ist wirklich ein Meilenstein der internationalen Rechtsprechung und eine Erfolgsgeschichte, nicht nur auf dem Balkan; denn er war Vorbild – auch das hatten wir gerade in der Rede des Kollegen schon gehört – für eine ganze Reihe anderer Gerichtsbarkeiten, beispielsweise für Ruanda, Sierra Leone und auch für den Internationalen Strafgerichtshof, der jetzt noch seinen Dienst tut, meine Damen und Herren.

Für mich persönlich und, ich denke, auch für die Geschichte ist ein wesentlicher Aspekt, dass man nicht nur sozusagen die Kleinen gefangen genommen oder der Gerichtsbarkeit zugeführt hat und die Großen hat laufen lassen. Nein, gerade die Hauptverantwortlichen für Kriegsverbrechen aus Politik und Militär hat man der Gerichtsbarkeit zugeführt. Das ist, glaube ich, wirklich ein großes Verdienst des ICTY und aller, die da Dienst getan haben. An dieser Stelle ein großes Dankeschön dafür, was hier geleistet worden ist!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, das zeigt, Krieg ist kein rechtsfreier Raum. Kriegsverbrechen werden geahndet, Kriegsverbrechen werden der Gerichtsbarkeit zugeführt. Die zahlreichen Opfer – Opfer im Sinne von: Sie mussten ihr Leben lassen – können durch die gerichtliche Aufarbeitung zwar nicht wieder zum Leben erweckt werden, aber ihnen und ihren Geschichten und ihrem Leid wurde durch die Arbeit des Gerichtshofes eine Stimme verliehen. Und das geschah auch nicht zuletzt durch die über 5 000 Zeugen, die vom ICTY angehört worden sind. Auch das ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit dieses Gerichtshofes.

Die Länder des ehemaligen Jugoslawiens wurden im Nachhinein und auch während der Verfahren dazu gezwungen, sich mit ihrer Vergangenheit zu beschäftigen. Das ist bis heute der Fall und wesentlicher Teil der Aufarbeitung des Kriegsgeschehens, wesentliches Element eines unabwendbaren Versöhnungsprozesses. Es war klug, dass die Europäische Union das zum verpflichtenden Bestandteil eines EU-Annäherungsprozesses der Staaten des ehemaligen Jugoslawiens gemacht hat. Und deswegen ist die Arbeit des ICTY zu würdigen und zu loben.

Schauen wir nach vorne: Auch bei dem Krieg, der derzeit in Europa tobt, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, wird es irgendwann zu einer juristischen, völkerrechtlichen, strafrechtlichen Aufarbeitung kommen müssen. Ich denke, hier können Lehren aus der Arbeit des ICTY gezogen werden und in die Aufarbeitung und Versöhnungsarbeit in der Ukraine einfließen. In diesem Sinne: Danke ICTY!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Derya Türk-Nachbaur.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554443
Wahlperiode 20
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt 30 Jahre Int. Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien
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