25.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 106 / Zusatzpunkt 4

Philipp AmthorCDU/CSU - Asylrecht in der Europäischen Union

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben in dieser Debatte ein sich wiederholendes Muster des heutigen Tages: ein linkes Rendezvous mit migrationspolitischer Realitätsverweigerung. Das ist doch die Realität. Ich meine, auf die Idee muss man erst mal kommen, dass in der Migrationspolitik das größte Problem sei, dass wir zu restriktiv mit Flüchtlingen umgehen, und nicht die ungezügelte Zuwanderung, die unsere Kommunen im Moment an die Grenzen bringt. Das ist nämlich das eigentliche Problem,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und darüber hätten wir heute reden müssen.

Frau Bünger, ich werde auf Ihren Antrag gleich noch eingehen; aber ich will zunächst schon sagen, dass ich die Worte der Ampelkoalition ja gern höre:

(Jürgen Lenders [FDP]: So? – Stephan Brandner [AfD]: Aha! – Jürgen Braun [AfD]: So einer sind Sie also!)

Begrenzung der Zuwanderung; irreguläre Migration begrenzen. – Aber, liebe Frau Kollegin, das löst man nur durch konkrete Taten und nicht durch lieblos abgelesene Plattitüden.

(Dunja Kreiser [SPD]: Wir machen das! Sie haben das leider 16 Jahre lang nicht gemacht! – Stephan Brandner [AfD]: Wie Angela Merkel zum Beispiel!)

In Sachen Taten haben Sie hier gar nichts vorzuweisen, und das ist das eigentliche Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Uns ist jedenfalls klar – ich finde, das muss in diesem Parlament auch ausgesprochen werden –: Wir können nicht alle Migrationsprobleme der ganzen Welt innerhalb der Staatsgrenzen der Bundesrepublik Deutschland lösen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Aha! Das sind ja ganz neue Sachen von der CDU! „AfD wirkt!“ – Weiterer Zuruf von der AfD: Hört! Hört! – Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

Wir wollen keine ungezügelte Migration, sondern Steuerung und Begrenzung.

(Stephan Brandner [AfD]: „AfD wirkt!“ Super! – Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und ich kann Sie nur noch mal auffordern, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Ich habe es vorhin in der Debatte gesagt: tausend ungesteuerte Flüchtlinge am Tag, dreißigtausend im Monat, mehrere Hunderttausend in diesem Jahr.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist ja wie 2015 und 2016! Das kennen wir doch alles! – Zurufe der Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Clara Bünger [DIE LINKE])

Das bringt uns an die Grenzen unserer Infrastruktur, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Stephan Protschka [AfD] und Clara Bünger [DIE LINKE])

Deswegen will ich Ihnen auch sagen: Natürlich spielt Humanität für uns eine große Rolle; sie ist der Ausgangspunkt.

(Jürgen Coße [SPD]: Ach!)

Aber wir dürfen dabei, liebe Frau Bünger, die Ebenen der Staatlichkeit nicht völlig durcheinandergeraten lassen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist schön, dass Sie hier so liebevoll auf die Genfer Flüchtlingskonvention abstellen. Auch wir stehen zu ihr, auch im Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes.

(Clara Bünger [DIE LINKE]: Eine rechtliche Verpflichtung!)

Aber für uns ist klar: Die Genfer Flüchtlingskonvention steht nicht oberhalb der Verfassung, sondern sie steht im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Und von der Verfassungsrealität unseres Landes – Artikel 16a Absatz 1 Grundgesetz: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ – haben wir uns doch mittlerweile kilometerweit entfernt. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit des Abg. Stephan Brandner [AfD] – Stephan Brandner [AfD]: Genau! Die Erkenntnis kommt aber sehr spät für Sie! – Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, das ist der Kern des Migrationskompromisses der 90er-Jahre, und zu diesem Kern stehen wir auch. Wir finden es gut, wenn man darüber hinaus im Rahmen der Kapazitäten, im Rahmen des Möglichen, im Rahmen internationaler Koordinierung und im Rahmen von Koordinierung innerhalb der Europäischen Union mehr tut. Aber tun Sie nicht so, als sei das gegen die Verfassung, wenn das nicht geschieht! Sie haben sich kilometerweit von dem migrations- und asylpolitischen Leitbild unseres Grundgesetzes entfernt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Sie werden doch jetzt nicht die Genfer Konvention nicht einhalten wollen! – Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

Das muss man adressieren.

Wenn Sie die Reformvorschläge der Europäischen Kommission zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem ansprechen,

(Clara Bünger [DIE LINKE]: Die kennen Sie ja gar nicht!)

dann muss man sagen: Ja, Sie gehen in eine richtige Richtung; aber Sie gehen eigentlich noch nicht weit genug. – EU-Grenzverfahren sind sicherlich richtig. Aber ich weise auch sehr deutlich darauf hin, dass für uns schon klar sein muss, dass diese Grenzverfahren nicht ohne Möglichkeiten der Rückführung von der EU-Grenze zu denken sind.

(Clara Bünger [DIE LINKE]: Sie nehmen sogar Kinder in Haft! – Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])

Denn das ist das, worum es gehen muss.

Wir wollen nicht, dass unsere Bundespolizisten oder Frontex-Beamte nur zu einer Art uniformiertem Begrüßungskomitee werden.

(Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

Wenn wir ein EU-Grenzverfahren machen, dann müssen von dort auch Abschiebungen möglich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das ist unsere klare Überzeugung.

(Jürgen Braun [AfD]: Er hat „Abschiebungen“ gesagt!)

Ich sage Ihnen auch: Wenn es um den berechtigten Ausgangspunkt von Humanität geht, der uns über Jahre in der Migrationspolitik geleitet hat und auch weiter leitet, dann muss für uns klar sein: Es entspricht doch nicht der humanitären Erwartung, dass sich Tausende und Abertausende auf den gefährlichen Fluchtweg über das Mittelmeer machen. Das kann doch nicht in unserem Interesse sein.

(Stephan Brandner [AfD]: Aha! AfD wirkt ja schon wieder!)

Deswegen: Hören Sie auf, immer weitere Anreize und Pull-Faktoren dafür zu schaffen! Das geht in die falsche Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage: Humanität und Ordnung, das gehört zusammen, und das lassen Sie leider vermissen. Ihren Antrag lehnen wir ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt das Wort Julian Pahlke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554510
Wahlperiode 20
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Asylrecht in der Europäischen Union
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