Heike BaehrensSPD - Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser ungeheuerlichen Verdrehung der Tatsachen komme ich noch mal auf das Gesetz zurück.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir beschließen hier ein wichtiges Gesetz. Denn wir stabilisieren die soziale Pflegeversicherung. Wir setzen den Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes um, und wir sorgen für mehr finanzielle Entlastung für alle, die gepflegt werden. Ja, das ist nötig, damit niemand von den Kosten der Pflege überfordert wird. Und zusätzlich – das ist jetzt mehrfach erwähnt worden von meinen Vorrednerinnen aus der Koalition – haben wir viel im parlamentarischen Verfahren dafür getan, dieses Gesetz noch besser zu machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Kritik, die ich jetzt hier von verschiedenen Seiten der Opposition gehört habe, ist völlig überzogen. Und wer heute hier für ein Entlastungsbudget wirbt, obwohl er in der Vergangenheit in der Großen Koalition nicht bereit war, dieses Entlastungsbudget mit uns gemeinsam zu beschließen, der macht der Öffentlichkeit etwas vor, und das ist scheinheilig.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Frau Baehrens, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung der Kollegin Zeulner?
Sehr gerne.
Frau Zeulner.
Sehr geschätzte Frau Kollegin Baehrens, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich war bei den Koalitionsverhandlungen damals, zu Beginn der letzten Legislatur, dabei, genauso wie der jetzige Bundesminister Karl Lauterbach. Ich möchte einfach nur klarstellen, dass es die bereits leider verstorbene Barbara Stamm war, die wie eine Löwin dafür gekämpft hat, dass ein Entlastungsbudget im Koalitionsvertrag aufgenommen wird. Das ist schon immer eine CSU-Forderung gewesen; das ist nachlesbar. Und vielleicht kann sich der Bundesminister Karl Lauterbach auch daran erinnern.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)
Frau Baehrens antwortet.
Sehr geehrte Frau Zeulner, ich war acht Jahre lang in der Großen Koalition dabei, habe acht Jahre lang Pflegepolitik gemacht und habe in der Zeit intensiv für das Entlastungsbudget gekämpft.
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Wir auch als CSU!)
Und es war nicht möglich, sich mit der CDU/CSU darauf zu verständigen. Das ist eine Tatsache.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Katja Mast [SPD]: Was wahr ist, muss ausgesprochen werden!)
Aber liebe Frau Zeulner, Sie haben vorhin ja auch in Ihrer Rede Bayern – bitte bleiben Sie stehen; ich antworte noch auf Ihre Frage – sozusagen als Vorzeigeland dargestellt. Sie haben aber versäumt, zu sagen, dass Bayern beispielsweise bei der Errichtung der Pflegestützpunkte das Schlusslicht bildet.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Nein!)
Da verpassen Sie eine ganz wesentliche Aufgabe, um die Rahmenbedingungen der Pflege zu verbessern und dafür zu sorgen, dass die Menschen wirklich durch Beratung und Unterstützung zu den Leistungen kommen, die ihnen zustehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Aber auch an anderer Stelle war die Kritik der Opposition weit verfehlt, weil mit diesem Gesetz tatsächlich entscheidende Leistungsverbesserungen verbunden sind. Und wer hier vonseiten der Opposition behauptet, das seien Leistungsverschlechterungen, dem möchte ich doch noch mal sagen: Ein gestuftes Verbesserungsverfahren, wie es jetzt hier vorgenommen wird, mit der Erhöhung der Leistungsbeträge zunächst um 5 Prozent, mit einer Erhöhung um noch einmal 5 Prozent für alle Leistungen der Pflegeversicherung schon 2025 und mit einer festgelegten Anpassung der Erhöhung der Leistungsbeträge entsprechend der Preisentwicklung ab 2028 ist ein Riesenfortschritt und darf nicht gering geachtet werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und ja, manche Regelung wirkt auf den ersten Blick vielleicht unscheinbar, bringt aber doch einen entscheidenden Fortschritt. Wir sorgen nämlich für Verwaltungsvereinfachung und weniger Bürokratie für die ambulanten Pflegedienste, für die Verhandlungspartner und die Krankenkassen. Ich nenne als Beispiel die häusliche Krankenpflege, bei der das besonders deutlich wird. Die Verträge müssen zukünftig wieder gemeinsam und einheitlich von den Krankenkassen geschlossen werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und das hat nur einen Rahmenvertrag in einem Bundesland statt vier Rahmenverträge zur Folge. Das bedeutet einheitliche Leistungsbeschreibungen, gleicher Preis für gleiche Leistung statt Streit der einzelnen Krankenkassen darum, ob es die spezialisierte ambulante Palliativversorgung tatsächlich geben darf oder nicht, ob sie bezahlt wird oder nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das wird mit diesem Gesetz abgeschafft, und das ist Verwaltungsvereinfachung pur.
Frau Baehrens, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von dem Kollegen Gürpinar?
Gerne.
Es tut mir leid, aber ich muss nachfragen. Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Frau Baehrens, Sie haben jetzt gesagt, es sei eine Verbesserung. Ich möchte aufgrund der Berechnungen, die ich angestellt habe – das ist auch nachzulesen –, fragen: Wenn es keine Leistungserhöhungen seit 2017 gab, wenn Sie nun die Leistungen 2024 um 5 und 2025 um 4,5 Prozent erhöhen werden und wenn es seit 2017 eine Inflation von circa 17 Prozent gab und wenn sich diese bis 2028 – ich gehe von der Zielmarke der EZB aus; diese wird wahrscheinlich zu niedrig sein – um jährlich 2 Prozent weiter erhöhen wird, handelt es sich dann um eine reale Leistungskürzung oder um eine reale Leistungserhöhung? Das ist eine simple und einfache Frage. Sie ist mit Ja oder Nein zu beantworten.
(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Eine Oder-Frage kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten!)
Lieber Herr Gürpinar, ich habe ja vorhin auch Ihre Rede gehört und muss sagen, dass ich viel Sympathie habe für so eine Robin-Hood-Rede, wie Sie sie vorhin gehalten haben.
(Zuruf von der LINKEN: Die war ja auch gut!)
Aber trotzdem: Man muss auch rechnen können.
(Beifall der Abg. Bettina Hagedorn [SPD], Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Nicole Westig [FDP])
Das Entscheidende ist, dass das gestufte Verfahren, das wir nun einführen, genau dem entspricht, was auch permanent von den Tarifpartnern gemacht wird, nämlich dass man Erhöhungen in Stufen vornimmt. Wir erhöhen zuerst um 5 Prozent, 2025 um 4,5 Prozent und ab 2028 entsprechend der echten Preisentwicklung. Das ist ja das, was Sie wollen. Und genau das beschließen wir hier; das ist ein echter Fortschritt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
In der ersten Lesung zu diesem Gesetz habe ich Max Weber zitiert, der Politik als starkes, langsames Bohren von harten Brettern bezeichnet hat. Angesichts von demografischer Entwicklung, Personalknappheit und einem engen Finanzkorsett geht es in der Pflegepolitik um ein besonders hartes Brett. Und darum noch eine freundschaftliche Botschaft an unseren kleineren Koalitionspartner: Wir haben in diesem Gesetzgebungsverfahren schon einiges miteinander erreicht; aber wir haben uns noch mehr miteinander vorgenommen. Und das gilt weiterhin!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])
Denn in einer alternden Gesellschaft, wo immer mehr Menschen Unterstützung aus der Pflegeversicherung benötigen, kann man nicht einfach sagen: Ihr müsst das Geld verteilen, das vorhanden ist. – Die Solidarität muss breiter angelegt werden. Darum muss gesamtgesellschaftlich getragen werden, was dem Gemeinwohl dient oder durch außerordentliche Krisen verursacht wurde. Und wenn wir das, wie vereinbart, umsetzen, gewinnen wir den Handlungsspielraum für ein weiteres wichtiges Pflegegesetz, mit dem wir besonders die Pflegesituation im häuslichen Bereich weiter entlasten, die zukunftsweisenden ambulant betreuten Wohngemeinschaften stärken und das ganze Berufespektrum rund um die Pflege weiter unterstützen.
Wir als SPD werden daran weiter beharrlich arbeiten; denn wir brauchen ein nachhaltiges und solidarisches Gesundheits- und Pflegesystem, in dem jeder die Versorgung erhält, die er tatsächlich braucht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Kristine Lütke [FDP])
Also, ich habe Zeit.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es liegt ein Antrag zu einer Kurzintervention von Herrn Müller vor.
(Leni Breymaier [SPD]: Mein Gott! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat doch schon in seiner Rede nichts gesagt! – Gegenruf der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Das wird jetzt auch nicht besser!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554576 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz |