Johannes ArltSPD - Bundeswehreinsatz in Mali (MINUSMA)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Liebe Soldatinnen und Soldaten! Wir debattieren heute voraussichtlich letztmalig die Verlängerung des Mandates für die deutsche Beteiligung am MINUSMA-Einsatz, dem derzeit gefährlichsten UN-Einsatz. Bis zu 1 400 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind hier im Einsatz.
Das ist für mich auch persönlich ein emotionaler Moment. Ich persönlich erinnere mich an meinen 35. Geburtstag in Mali, auch an ein verbrachtes Weihnachtsfest und an dieses T-Shirt, das ich mit einigen Kilos weniger in Mali getragen habe und auch hier heute anhabe.
(Heiterkeit des Abg. Marianne Schieder [SPD])
Die Beteiligung an der Vorgängermission eingerechnet sind wir bei elf Jahren Dauer angekommen, elf Jahre Debatten im Bundestag, sodass wir fast von einer guten Tradition sprechen könnten. Aber kann so ein Einsatz eigentlich eine gute Tradition begründen? Sollten wir die Debatte nicht zum Anlass nehmen, zu fragen, was erreicht und was nicht erreicht wurde? Und sollten wir nicht generell Zweifel an einer solchen Entscheidung haben? – Ich denke, die sollten wir immer haben und auch zulassen, wenn wir Soldatinnen und Soldaten in Einsätze schicken.
Schauen wir mal auf wesentliche Mandatsziele: erstens Umsetzung des Algier-Abkommens, zweitens Schutz der Zivilbevölkerung und drittens auch die Wiederherstellung der staatlichen Autorität in Zentralmali.
Zu Beginn der Mission übernahm die Bundeswehr die Bereitstellung von Transport- und Betankungsflugzeugen sowie Stabstätigkeiten. Ab 2016 haben wir im Kern Aufklärungstätigkeiten erledigt und außerdem im Stab mitgewirkt. Die heute durchweg schwierige Lage verlangt starke militärische und auch zivile Fähigkeiten, Material und Kooperation.
Im Ergebnisbericht der Bundesregierung wird hervorgehoben, dass das deutsche Kontingent mit Hochwertfähigkeiten wie Heron 1, der Fähigkeit der multinationalen Aufklärungstaskforce und MedEvac stark zur Handlungsfähigkeit der Gesamtmission beiträgt. Im Bericht wird jedoch auch kritisch angemerkt, dass die Intention des Mandats zunehmend im Widerspruch zu den tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten steht. So wurden, wie bereits angesprochen, wiederholt Fluggenehmigungen durch die malische Regierung nicht erteilt. Heron steht seit Weihnachten. Es wurden bürokratische Hindernisse für die Zusammenarbeit aufgebaut, und diese dauern trotz zahlreicher Bemühungen auf deutscher Seite leider noch an. Es wird also immer offensichtlicher, dass der vom Mandat angestrebte Schutz der Zivilbevölkerung maximal regional erreicht werden kann. Und das ist eigentlich der traurigste Punkt.
Die Effektivität der Arbeit unseres Kontingents ist positiv – klar. Aber wir müssen uns fragen: Was passiert denn mit den Aufklärungsergebnissen, die wir erzielen, bei der Gesamtmission? Und da haben meine eigenen Erfahrungen in drei Einsätzen meinen grundsätzlich positiven Blick auf diese UN-Mission etwas eingetrübt. Und wir müssen uns außerdem fragen: Wiegt die Effektivität unseres Kontingents denn die Nichterreichung der Gesamtziele für eine Mandatsfortsetzung auf? Ich würde das infrage stellen. Wir stellen das ja heute auch infrage.
Neben den strategischen Debatten kommt aus meiner Sicht die menschliche Dimension, die Sicht der Soldatinnen und Soldaten und auf die Soldatinnen und Soldaten, in unseren Mandatsdebatten viel zu kurz. An dieser Stelle möchte ich mich dem Dank an die Soldatinnen und Soldaten für den Dienst in dieser sehr anspruchsvollen Mission anschließen. Es sind bis heute 18 312 Männer und Frauen – keine Generation Mali, aber doch eine sehr große Gruppe an Soldatinnen und Soldaten. Mein Dank gilt auch denen, die in der Einsatzlogistik, im Ministerium, in der Einsatzgruppe des Einsatzführungskommandos diesen Einsatz jahrelang begleitet und geführt haben. Danke!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insbesondere möchte ich die 13 deutschen Soldaten hervorheben, die während ihres Einsatzes verwundet wurden. Und noch zentraler sollten wir heute auch der Kameraden gedenken, die nicht aus Mali zurückgekehrt sind: Major Jan Färber und Stabshauptmann Thomas Müller. Insgesamt sind bei MINUSMA über 300 Soldatinnen und Soldaten gefallen.
Ich möchte an dieser Stelle auch an die Folgen und vor allen Dingen an unsere Verantwortung für jene Kameradinnen und Kameraden erinnern, die zurückgekommen, aber an Leib und Seele verletzt sind, zum Beispiel an Michael – ich nenne ihn einfach mal so –, der sich seinen Weg zurück ins Leben kämpft. Er hat nämlich die sterblichen Überreste der Kameraden des Hubschrauberabsturzes tagelang in der Wüste gesucht und bergen müssen. Seine Tochter fragte ihn irgendwann, warum er nicht mehr mit ihr Mittag essen würde, und sagte, dass das sehr schade wäre. Michael konnte einfach den Geruch von gebratenem Essen nicht mehr ertragen. Zunehmend wurde er gereizt und zog sich zurück. Für seine Familie war es sehr schwierig, zu verstehen, dass der Vater plötzlich nicht mehr der alte war und seine Erkrankung zusehends schlimmer wurde. Die Familie und die Vorgesetzten haben ihn gefragt, wann das Ganze endlich aufhören würde, wann es vorbei sei. Hierauf kann leider niemand eine Antwort geben. Wir können und müssen als Gesellschaft Verständnis aufbringen und als Parlamentarier Unterstützung für Veteraninnen und Veteranen noch besser organisieren. Das ist unsere Pflicht.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Noch kurz zum Mandat und zur Rückverlegung: Unter Berücksichtigung der im Mandat verankerten Aufgaben benötigen wir die Zeit für die geordnete Rückverlegung. Das sind wir der UN als zuverlässiger Partner schuldig, um den geordneten Rückbau und eine Übergabe zu organisieren.
Insgesamt stellt sich aber bei der heutigen Abstimmung keine Begeisterung ein, nicht mal eine große Erleichterung, dass wir diesen Einsatz jetzt mit einem klaren Enddatum versehen. Aber wir tun es, und das ist neu. Wir bleiben nicht in Mali, weil wir keinen Mut oder keine bessere Idee hatten. Dieses Mal hatten wir Mut. Wir hatten eine bessere Idee. Wir beenden den Einsatz, und das ist gut!
Unbestritten besteht die Notwendigkeit, auch im Rahmen der Zeitenwende im Sahel engagiert zu bleiben, in dieser für uns so wichtigen Region in der Nachbarschaft Europas. Das tun wir mit EUMPM Niger.
Liebe Soldatinnen und Soldaten, Ihr Beitrag, Ihr Schweiß, Ihr Einsatz in Mali war wertvoll. Und auch, wenn wir mit der Zielerreichung nicht so weit gekommen sind, wie wir uns vorgenommen haben, haben Sie für die Menschen in Gao und Umgebung ein Stück Sicherheit geschaffen. Ich werbe daher um Zustimmung für dieses Mandat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das letzte Wort in dieser Debatte hat Florian Hahn für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554612 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Mali (MINUSMA) |