26.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 107 / Tagesordnungspunkt 29

Thomas HackerFDP - Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende letzten Jahres waren die Nachrichten, die uns aus Serbien und aus dem Kosovo erreichten, besorgniserregend, ja dramatisch: tagelange Straßenblockaden im Norden des Kosovo, geschlossene Grenzübergänge zwischen der Republik Kosovo und Serbien, Spekulationen über den Einsatz von Waffen, manche sprachen und schrieben von einem drohenden Krieg. Während die serbische Armee in höchster Alarmbereitschaft war, verlangte der kosovarische Premierminister Albin Kurti eine größere Präsenz von NATO-Truppen vor Ort. Der letzte Jahreswechsel hat uns gezeigt, weshalb die Beteiligung deutscher Streitkräfte an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo, KFOR, auch mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Kosovokrieges notwendig ist. Die drohende Eskalationsspirale konnte durchbrochen werden. Doch ist die Gefahr von Konflikten und Auseinandersetzungen nicht gebannt.

Die geschlossene Ibar-Brücke in der nordkosovarischen Stadt Mitrovica steht sinnbildlich für die Teilung der Stadt. Misstrauen und Skepsis sind zwischen Kosovaren und Kosovo-Serben immer noch verbreitet, und eben dieses Misstrauen wird für politische Zwecke instrumentalisiert – auf beiden Seiten. Der jüngste Boykott der Lokalwahlen in den vier mehrheitlich von Kosovo-Serben bewohnten Gemeinden durch die Serbische Liste ändert nichts, überhaupt nichts am Status quo. Im Gegenteil: Trotz wiederholter Spannungen vor Ort können wir dankbar sein, dass es uns gemeinsam gelungen ist, seit mehr als 20 Jahren militärische Auseinandersetzungen, Flucht und Vertreibung zu vermeiden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der KFOR-Einsatz unter Leitung der NATO hat einen wesentlichen Anteil daran, dass der Frieden gesichert werden konnte. Jede einzelne Soldatin, jeder einzelne Soldat kann auf diesen Beitrag zur Sicherung von Frieden und Stabilität stolz sein.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind es, die durch das notwendige Maß an Professionalität, Besonnenheit und Sensibilität Sicherheit und Ordnung vor Ort gewähren. Dafür schulden wir unseren Soldatinnen und Soldaten und ihren internationalen Kollegen Respekt, Anerkennung, Wertschätzung und unseren Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dennoch müssen wir gemeinsam mit den Ländern darauf hinarbeiten, im Miteinander das Festklammern an der Vergangenheit zu überwinden. Versöhnung kann es nur geben, wenn ehemalige Gegner den Mut haben, sich über die Gräben und die Verletzungen der Vergangenheit hinweg die Hand zu reichen.

Die Europäische Union war in den letzten Jahren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, und vielleicht hat die Kanzlerin Aleksandar Vucic auch zu sehr hofiert. Andere Länder, vor allem Russland und China, haben davon profitiert und ihren Einfluss auf den Westbalkan ausgebaut. Auch das hat Einfluss auf die Sicherheitslage in der Region.

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat uns wachgerüttelt. Die Europäische Union hat ein eigenes Interesse daran, Stabilität in der unmittelbaren Nachbarschaft zu unterstützen. Jeder einzelne Konflikt ist ein Einfallstor für Kriegstreiber Putin und seine Meinungsmacher vor Ort. Die Zeit ist gekommen, um geopolitisch zu denken und zu handeln.

Daher kam der europäische Vorschlag zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina genau zur richtigen Zeit. Beide Länder bitten wir, gemeinsam an der Umsetzung des Abkommens zu arbeiten. Dazu gehört der Verband serbischer Gemeinden im Kosovo, aber auch das Ende der serbischen Blockadehaltung bei Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen.

Machen wir uns nichts vor: Der Weg in die Europäische Union wird sich auch an der friedlichen Koexistenz zwischen Kosovo und Serbien entscheiden. Beide Staaten sollten den Blick in die Zukunft richten. Eine erfolgreiche Umsetzung des Abkommens wäre ein starkes Signal, ein Signal für die Länder des Westbalkans, ein Signal für das gemeinsame Europa.

Selten hatte die Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik der EU in kürzester Zeit eine solche Dynamik und Geschwindigkeit entfaltet wie jetzt. Neue Initiativen im Rahmen des Berliner Prozesses unterstützen die Zusammenarbeit in der Region. Gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen, Freizügigkeit und wirtschaftliche Integration helfen den Menschen vor Ort. Dem Berliner Prozess werden wir als Deutscher Bundestag eine parlamentarische Komponente hinzufügen, um das Miteinander der Parlamentarier des Westbalkans voranzubringen – Parlamentarier aus Regierung und Opposition.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die neue Dynamik ist eine Chance, eine Chance, die genutzt werden muss, eine Chance, dass die Brücke in Mitrovica vom Symbol der Teilung zum Symbol des friedlichen Miteinanders wird, als Zeichen der Begegnung, des Dialogs und der Versöhnung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die nächste Rednerin für Die Linke ist Kathrin Vogler.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554640
Wahlperiode 20
Sitzung 107
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)
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