Nils SchmidSPD - Aktuelle Stunde - Zerstörung des Kachowka-Staudamms
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, lieber Herr Wadephul, kann ich Sie beruhigen: Wir haben mit dem Außenministerium vereinbart, dass wir noch vor der Sommerpause eine vertiefte Aussprache im Auswärtigen Ausschuss mit der Außenministerin hinbekommen. Genau das, was Sie wünschen, wird also geschehen.
(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Aber nach der Pressekonferenz!)
– Ja, das ist doch klar. Erst mal muss die Nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt werden.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Ja, selbstverständlich!)
Wir lesen sie dann alle, und danach werden wir nicht nur Informationen von der Ministerin bekommen, sondern mit ihr auch noch vor der Sommerpause intensiv darüber diskutieren. Wir machen eine Anhörung dazu. Wir haben diese Woche noch eine Debatte dazu.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was erwarten Sie denn jetzt? Dankbarkeit, oder was?)
Der Erstempfänger der Nationalen Sicherheitsstrategie ist das Parlament. So ist es gut, und so ist es richtig.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das war aber heute nicht der Fall!)
Ich will die Außenministerin noch mal ausdrücklich entschuldigen. Es gibt gute Gründe, dass sie aktuell nicht im Saal sein kann. Sie telefoniert gerade in Sachen Krieg mit dem ukrainischen Außenminister.
(Zuruf des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])
Das zeigt: Sie ist ganz nah an dem Thema dran. Deshalb ist es verständlich, dass sie aktuell nicht da sein kann.
(Stefan Keuter [AfD]: Nö!)
Für uns ist eines klar – das wird sie dem Außenminister sagen; das hat die Bundesregierung gesagt, und das stelle ich für die SPD fest –: Die Unterstützung der Ukraine ist angesichts dieser neuen Dimension terroristischer Kriegsführung durch die russischen Streitkräfte notwendiger denn je. Deshalb gilt der Satz des Bundeskanzlers und der Bundesregierung: Wir werden die Ukraine unterstützen, auch mit Waffenlieferungen, solange es notwendig ist. Dazu stehen wir, gerade angesichts dieser neuen Gräueltaten, dieser russischen Kriegsführung.
Wir werden – das gehört dazu – das Thema der strafrechtlichen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen weiterhin sehr ernst nehmen. Ganz oben auf die Liste der Kriegsverbrechen, für die sich die russische Führung, die politische Führung und die Militärführung, vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten muss, gehört dieser Dammbruch, diese Attacke auf den Staudamm, die eine neue Qualität darstellt. Das sollte uns nicht nur veranlassen, die Verantwortlichen konsequent zur Rechenschaft zu ziehen, sondern auch eine Ansage an die internationale Gemeinschaft sein, das internationale Völkerstrafrecht weiter zu stärken. Ich will mal auf eines hinweisen – Robin Wagener hat es ebenfalls getan –: Der Ökozid, die bewusste Zerstörung der Umwelt in Kriegszeiten, ist nicht Straftatbestand des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs.
(Ulrich Lechte [FDP]: Leider!)
Ich glaube, da ist eine Lücke. Spätestens nach dieser grausamen Straftat russischer Streitkräfte ist es notwendig, dass wir als Europäer uns mit Wertepartnern in der Welt dafür einsetzen, dass der Ökozid in das Völkerstrafrecht aufgenommen wird und als internationales Kriegsverbrechen verfolgt werden kann.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die zweite Konsequenz muss sein, dass wir die Gefahrenlage rund um zivil genutzte Atomkraftanlagen wie um das AKW Saporischschja noch stärker in den Blick nehmen. Ich bin Herrn Grossi und der Internationalen Atomenergie-Organisation dankbar für das große Engagement. Sie haben das Schlimmste bislang verhindert, auch durch Präsenz vor Ort, und es ist gut, dass Herr Grossi dieser Tage selber wieder hinreist. Aber die Art der russischen Kriegsführung in den letzten Monaten rund um das AKW Saporischschja, aber auch rund um das AKW Tschernobyl zeigt: Auch da gibt es noch Lücken im Kriegsvölkerrecht. Es geht darum, wie wir den Schutz dieser besonders gefährlichen Anlagen in Kriegszeiten verbessern können. Es mag Notwendigkeiten im Bereich der Genfer Konvention geben, aber vor allem wird es auf die tatsächliche Unterfütterung dieses speziellen Status ankommen, darauf, den Schutz von AKWs in Kriegszeiten und in Krisengebieten zu stärken.
Wir haben im Bereich der Schulen ein interessantes Vorbild in der sogenannten Safe Schools Declaration, die verabschiedet worden ist. Ich meine, dass wir aus Anlass dieser furchtbaren Erfahrungen in der Ukraine jenseits rein rechtlicher Maßnahmen den politischen diplomatischen Druck erhöhen sollten. Wir brauchen so etwas wie eine Safe Reactors Declaration, um den völkerrechtlichen Schutz von zivilen Nuklearanlagen in Kriegszeiten zu verstärken. Das sind ganz wichtige Bausteine. Wir müssen als internationale Gemeinschaft den Missetätern, den Kriminellen in der Welt, angefangen mit denen, die im Kreml sitzen, klar signalisieren, dass wir diese Art von Kriegsführung verurteilen und ihnen das nicht durchgehen lassen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Eugen Schmidt.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554741 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Zerstörung des Kachowka-Staudamms |