14.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 108 / Zusatzpunkt 1

Derya Türk-NachbaurSPD - Aktuelle Stunde - Zerstörung des Kachowka-Staudamms

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aggressor, Kriegsverbrecher, Massenmörder, Besatzer, Föderation der Großmachtfantasien – die Liste mit zutreffenden Zuschreibungen ließe sich weiter fortführen –, und jetzt kommt noch „Verursacher eines Ökozids“ hinzu. Die Sprengung des Kachowka-Staudamms und die neuerliche Sprengung des Wasserkraftwerks am Mokri-Jaly-Fluss in der Ukraine gehen aller Wahrscheinlichkeit nach – wir haben es mehrfach gehört – auf das Konto der russischen Militärführung. Es geht hier um eine der größten, bewusst ausgelösten menschengemachten Katastrophen der letzten Jahrzehnte.

Die Staudammzerstörungen – ich spreche hier im Plural – zeigen, wie hier Milliarden Kubikmeter Wassermassen zu Kriegszwecken eingesetzt werden. Wir sind bestürzt über die Toten und die Vermissten in der ganzen Region um Cherson und in der unmittelbaren Gegend um den Staudamm. Wir fühlen mit den Menschen, die in den letzten Tagen alles, wirklich alles verloren haben.

Weitere Zigtausende haben durch diesen Krieg ihre Häuser, ihre Existenzen, ihre Heimat verloren. Hier wird der Krieg nicht gegen Soldatinnen und Soldaten, sondern gegen Zivilistinnen und Zivilisten, gegen Bäuerinnen und Bauern, gegen Alte, gegen Frauen und gegen Kinder geführt. Nach der Ahrtal-Katastrophe hier in Deutschland wissen wir nur allzu gut, welch schlimmes menschliches Leid die Wassermassen anrichten können. Auch Jahre danach sind die Folgen noch heute deutlich zu spüren.

Die Praktik des vorsätzlichen Überschwemmens ganzer Landstriche ist aus vergangenen Kriegen bekannt; Kollege Lechte hat es erwähnt. Bekannt ist aber auch, dass die militärischen Nutzen meistens gering waren. Was also soll mit der Überflutung und der Zerstörung von durch Zivilistinnen und Zivilisten bewohnten Gebieten sowie Feldern in der Ukraine bezweckt werden? Es geht hier um eine verachtenswerte, um eine neue Facette der psychologischen Kriegsführung.

Die russischen Aggressoren wollen den Widerstandsgeist der Ukrainerinnen und Ukrainer brechen. Die katastrophalen Wassermassen, die Verschlammung von Ackerflächen und der Ökozid sollen die Ukraine demoralisieren und die wirtschaftlichen und ökologischen Kosten des Krieges in die Höhe treiben. Es geht darum, maximalen Schaden anzurichten.

Daher ist es wichtig, dass wir hier abermals zwei Dinge ganz klar benennen: Erstens. Wir stehen an der Seite der Ukraine und sind solidarisch mit den betroffenen Menschen. Zweitens. Die Ukraine ist ein Teil Europas, und wir werden die Ukraine gegen den imperialistischen Aggressor aus dem Kreml zivil und militärisch weiterhin unterstützen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin froh und dankbar, dass Hilfsorganisationen wie unser THW, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter oder Help e. V. mit humanitärer Hilfe vor Ort den betroffenen Menschen mit dem Nötigsten helfen. Dabei riskieren die Helferinnen und Helfer ihre eigene Sicherheit. Nicht nur die Chemikalien und Giftstoffe, vielmehr sind es auch die im Wasser schwimmende Munition und Minen, die eine große Gefahr für Mensch und Tier darstellen und vor allem den Helferinnen und Helfern das Leben schwer machen.

Die Folgen der Sprengung von Stauanlagen und Wasserwerken sind im Moment überhaupt noch nicht absehbar. Das Wasser aus dem Stausee ist jedoch elementar für das Bewässerungssystem der Landwirtschaft im Süden der Ukraine. Das Netz an Bewässerungskanälen umfasst bis zu 1 600 Kilometer Länge. Wir sprechen hier über das größte Bewässerungssystem Europas.

Tausende Hektar an Anbauflächen für Getreide, Gemüse und Obst werden bzw. wurden mit dem Wasser aus diesem Stausee bewässert. Wir müssen uns auf weitere Ernteausfälle einstellen. Das ist dramatisch, wenn man bedenkt, dass ein Großteil für den Export in die ganze Welt bestimmt gewesen ist. 345 Millionen Hungerleidende auf der ganzen Welt sind auf dieses Getreide angewiesen.

Ich möchte zum Schluss gerne wiederholen, was ich hier schon sehr häufig gesagt habe: Wir werden alles uns Mögliche unternehmen, damit die zynischen Kriegsverbrecher, die für diese katastrophalen Taten verantwortlich sind, vor ein Gericht gestellt werden. Wir werden als Bundesrepublik und als EU nicht ruhen, bis die Kommandeure und Drahtzieher dieser Verbrechen, vor allem der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, verurteilt werden. Das sind wir den Opfern dieses Angriffskrieges schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Türk-Nachbaur. – Das Wort erhält nunmehr der Kollege Knut Abraham, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554745
Wahlperiode 20
Sitzung 108
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Zerstörung des Kachowka-Staudamms
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