Marie-Agnes Strack-ZimmermannFDP - Aktuelle Stunde - Zerstörung des Kachowka-Staudamms
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe junge Menschen auf der Tribüne, es ist toll, dass Sie heute da sind. Das ist wichtig, weil es bei dem Thema auch um Ihre Zukunft geht, um Freiheit, Demokratie und ein friedliches Europa.
Meine Damen und Herren, Wasser ist das Elixier des Lebens. Ohne Wasserzufuhr können wir nur wenige Tage überleben. Ohne Wasser keine Landwirtschaft und ohne Landwirtschaft keine Nahrung. Wasser ist an vielen Orten der Erde knapp, und die Konflikte um diese lebenswichtige Ressource nehmen dramatisch zu.
Wasser – das ist die Tragödie – wird auch als Waffe eingesetzt: durch Entzug, Vorenthalten, Verunreinigung und Vergiftung von Trinkwasser. Das ist übrigens eine besonders widerwärtige Form der Kriegsführung, trifft sie doch als Allererstes die Zivilbevölkerung. Dazu gehört auch die gezielte Überflutung einer ganzen Landschaft durch Sprengung eines Staudamms, wie vergangene Woche in der Ukraine geschehen. Dort wurden die Wassermassen eingesetzt, um Menschen zu töten, Häuser und Umwelt zu zerstören, Versorgungswege zu blockieren und Menschen die Lebensgrundlage zu entziehen.
Die Auswirkungen auf die Getreidebestände der Ukraine, das mögliche Ende vom Anbau durch Verschlammung, die weltweite Versorgung mit Lebensmitteln – 190 Millionen Menschen hängen daran –, die Trinkwasserversorgung in der Region und der Umweltschaden für die Tierwelt sind unvorstellbar und in ihrer Dimension noch gar nicht abzusehen. Fachleute sprechen davon, dass die Ukraine dadurch 80 Jahre zurückgeworfen wird.
Am 26. Februar 2022 hat die russische Armee übrigens bereits versucht, den Damm des Kiewer Stausees durch Beschuss zu zerstören; die Ukraine fing den Flugkörper Gott sei Dank ab. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass der Staudamm gezielt angesprengt wurde. Um ein solches Bauwerk zu zerstören, bedarf es genauer Kenntnisse. Die Sprengung passt in die russische Strategie, zivile Opfer nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern ganz bewusst zivile Ziele anzugreifen, besonders dann, wenn man selber militärische Rückschläge erlebt. Und sie ist ein weiterer Beleg dafür, mit welcher Brutalität Putin in diesem Krieg agiert. Meine Damen und Herren, das ist ein Kriegsverbrechen! Und in der Tat – das sagten auch schon andere –, das ist justiziabel, und das muss auch in Den Haag seine Fortsetzung finden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ja, die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen, auch um diese perfiden Angriffe endlich zu beenden. Und wir werden sie weiter unterstützen. Dazu gehören neben humanitärer und wirtschaftlicher Hilfe auch die Lieferung von Waffensystemen und die entsprechende Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland. Das passiert übrigens in ganz Europa: Inzwischen wurden schon über 10 000 Soldaten ausgebildet. Auch das ist erforderlich, damit die Ukraine sich verteidigen kann. An dieser Stelle übrigens an die Soldaten und Soldatinnen, die ausbilden, ein ganz großes Danke von hier aus.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frieden kann nur aus der Stärke heraus geschaffen werden, und wie ein Frieden aussieht, das wissen wir heute noch nicht. Aber eines ist klar: Ja, ich verstehe, dass Leute nach Diplomatie rufen. Es reflektiert ein Weltbild der Zivilisation, dass Menschen in einem Konflikt solche Wege suchen; aber das kann nur gelingen, wenn beide Parteien das wollen.
Nicht unser Wohlgefühl ist relevant. Es geht nicht um unseren Wohlfühlpegel, sondern um die Realität. Im Kreml regieren nach wie vor blinde Zerstörungswut und revisionistische Unterwerfungsfantasien. Putin hat kein Interesse an Frieden. Er will besiegen und seinen imperialistischen großrussischen Wahn leben. Und das kann man gar nicht oft genug wiederholen, weil hier häufig die ganz große, fast tragische Märchenstunde abgehalten wird.
Dass die Ukraine jetzt darüber spricht, wie ein noch zu erringender Frieden abgesichert werden kann, ist vorausschauend. Das Land braucht Sicherheit, damit Russland nie wieder versuchen wird, die Ukraine zu vereinnahmen, damit nie wieder – ich wiederhole es immer wieder – Frauen vergewaltigt werden, nie wieder Kinder verschleppt werden. 20 000 Kinder sind in der Ukraine verloren gegangen und nach Russland und Weißrussland verschleppt worden. Es werden Zivilisten und Kinder gefoltert – meine Damen und Herren, das muss aufhören! –, und das im Jahre 2023; es ist einfach unfassbar!
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Russland muss wissen, dass der Weg der Ukraine in die westliche, freie Welt führt, dass die Menschen in der Ukraine nach Westen schauen. Sie werden sich nicht aufhalten lassen; sie werden weiter dafür kämpfen und streiten. Putin wird es nicht verhindern, auch nicht mit 18 Milliarden Liter Wasser.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Strack-Zimmermann. – Nächster Redner ist der Kollege Thomas Erndl, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554748 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Zerstörung des Kachowka-Staudamms |