Peter AumerCDU/CSU - Jahresabrüstungsbericht 2022
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Jahresabrüstungsbericht stellt das Jahr 2022 unter die Überschriften „ein Jahr des Rückschlags“, „ein Jahr der Reflexion“, „ein Jahr der Arbeit“. Anhand dieser Überschriften hat das Jahr 2022 gezeigt, wo Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung aktuell stehen.
Erstens. Die atomare Aufrüstung spielt leider wieder eine wesentliche Rolle in den internationalen Beziehungen. Das ist ein herber Rückschlag für unsere gemeinsamen Ziele. Zweitens. Es ist nicht auszuschließen, dass bald noch mehr Länder Atomwaffen besitzen, darunter Länder, die diese Atomwaffen auch für regionale Konflikte vorhalten. Und drittens. Laut dem Friedensforschungsinstitut SIPRI wurden im Jahr 2022 weltweit 77 Milliarden Euro investiert – so viel, wie wir in Deutschland zusammen für Bildung, Forschung, Gesundheit, Digitales und Verkehr ausgeben –, um Atomwaffen zu beschaffen.
Das Jahr 2022 war vor allem das Jahr der Realität. Die internationalen Beziehungen der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle geraten nicht erst seit dem Ukrainekrieg in Bedrängnis. Seit mehreren Jahren nehmen die strategischen Überlegungen zur Bewaffnung mit Atomwaffen weltweit wieder zu. Angesichts der sich verschlechternden geopolitischen Bedingungen gibt es bei AVV und NVV keine Fortschritte. Im Gegenteil: Nach 2015 konnte man sich auf der NVV-Überprüfungskonferenz 2022 zum zweiten Mal in Folge nicht auf eine inhaltliche Agenda für den nächsten Überprüfungszyklus einigen. Die Bundesregierung darf mit ihren Positionen zum AVV nicht dazu beitragen, wie Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Uni Kiel, warnt, dass die nukleare Abschreckung auf westlicher Seite geschwächt und autoritäre Atomwaffenstaaten begünstigt werden.
Die nukleare Ordnung steht vor großen Herausforderungen, besonders durch das nukleare Risikoverhalten Russlands und Nordkoreas und die nukleare Expansion Chinas. Im Abrüstungsbericht schreiben Sie, dass der beschleunigte Aufwuchs des chinesischen Nuklearwaffenarsenals beunruhigend sei. Die Einbindung Chinas in die nukleare Ordnung ist deshalb notwendig; das zeigen alleine die 60 neuen Nuklearsprengköpfe, die letztes Jahr zum chinesischen Waffenarsenal dazugekommen sind. Nach den sehr unterschiedlichen Zeichen des Bundeskanzlers und der Außenministerin bei ihren Besuchen in China darf man gespannt sein, wie die China-Strategie der Bundesregierung ausschauen wird und wann sie denn kommen wird.
(Annalena Baerbock, Bundesministerin: Bald!)
– Hoffentlich bald, Frau Ministerin. – Hoffentlich wird diese besser als die Nationale Sicherheitsstrategie, die heute vorgestellt worden ist. Um sie mit den Worten meines Fraktionsvorsitzenden zu beschreiben: Er nannte sie inhaltlich blutleer, strategisch irrelevant und außenpolitisch unabgestimmt.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wie Herr Merz!)
Ich habe sie gelesen, und ich denke: Er hat tatsächlich recht. Positiv ist zumindest das Bekenntnis zum Prinzip der Abschreckung und der nuklearen Teilhabe.
Viele Experten, meine sehr geehrten Damen und Herren, schätzen, dass in unserer multipolaren Welt die Gefahren eines Einsatzes von Atomwaffen so groß sind wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Maßgeblichen Anteil daran hat die russische Rhetorik im Ukrainekrieg, eine Rhetorik, die viel Vertrauen zerstört hat und berechtigte Zweifel am Fortführen des New-START-Vertrages ab 2026 aufkommen lässt.
Vor diesem Hintergrund ist es schade, dass der Jahresabrüstungsbericht 2022, Frau Ministerin, zum Eigenlob der Bundesregierung geraten ist. Leider wird er dadurch den umfassenden Herausforderungen, vor der die nukleare Ordnung steht, nicht gerecht. Mehr Realpolitik und Bündnisdenken würden dieser Bundesregierung gut zu Gesicht stehen. Der Erfolg der letzten Jahrzehnte zeigt die Möglichkeiten der Rüstungskontrolle für Frieden und Sicherheit. Es darf kein Nachlassen unserer Bemühungen geben; denn Frieden in der Welt gehört zur DNA der deutschen Außenpolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Aumer. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Ralf Stegner, SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554755 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Jahresabrüstungsbericht 2022 |